Leiterin Iris Edenhofer im Gespräch
Von Sanierung bis Neubau: Warum die Klinik Schönsicht am Oberkälberstein 35 Millionen Euro investiert
Am Oberkälberstein laufen die Arbeiten auf Hochtouren: Die Klinik Schönsicht baut drei neue Gebäude und möchte noch die alten Häuser sanieren. Kosten: circa 35 Millionen Euro. Doch nicht nur äußerlich expandiert die Reha-Einrichtung für Kinder und Jugendliche. Leiterin Iris Edenhofer erklärt, wie groß der Bedarf an Rehaplätzen wirklich ist, wie die neuen Gebäude aussehen sollen und warum sie bald deutlich mehr Personal benötigt.
Bischofswiesen - Die Fahrt zur Klinik gleicht in den vergangenen Wochen einem täglichen Glücksspiel: Kaum ist eine Straße gesperrt, ist sie am nächsten Tag wieder frei. Einen Parkplatz finden? Schwierig. Vor dem Haupthaus entsteht aktuell der erste von drei Neubauten. Inklusive der Sanierung der alten Bestandsgebäude gibt die Klinik circa 35 Millionen Euro aus. Viel Geld, doch wie notwendig diese Investitionen sind, wird im Gespräch mit Iris Edenhofer deutlich. Denn: Es mangelt nicht an Patienten, im Gegenteil.
„Momentan bekommen wir mehr Kinder und Jugendliche mit psychosomatischen Problemen“, berichtet die Leiterin. Darunter befinden sich Patienten mit ADHS und leichten Depressionen, auch Schulverweigerer kommen immer wieder. Sie vermutet Corona, die Lockdowns und Schulschließungen als eine der Ursachen dafür. Unter den Patienten befinden sich auch solche, die an Long Covid leiden. Für sie ist der Gang zum Mittagessen schon so anstrengend, dass sie sich danach wieder ausruhen müssen.
Für das Leben wieder fit machen
Um die Kinder und Jugendlichen, darunter auch welche mit Adipositas und Neurodermitis, fit zu machen, leben sie zusammen, machen gemeinsam Sport und andere Therapien. „Uns erscheint es wenig sinnvoll, die Patienten mit den gleichen Erkrankungen in eine Gruppe zu stecken. Sie leben dann in ihrer eigenen Bubble und lernen nicht, mit ihrer Lebenswelt außerhalb der Klinik klarzukommen. Wir wollen die Kinder stark machen für das weitere Leben.“
Die Klinik Schönsicht ist keine Akutklinik, betont Edenhofer. Es werden nur Patienten genommen, bei denen Diagnose und Medikation feststehen. „Wir nehmen auch keine Patienten mit suizidalen Gedanken oder die sich ritzen, keine Borderliner und auch niemanden mit Magersucht oder Bulimie“, verdeutlicht die Leiterin. Im Alter von drei bis 18 Jahren werden Patienten aufgenommen, viele kommen in Begleitung ihrer Eltern.
Eltern als Co-Therapeuten
Dies wird auch zukünftig immer mehr der Fall sein. Eltern kommen als medizinisch notwendige Begleitpersonen und Co-Therapeuten mit den Kindern in die Klinik. Hier ist es erst einmal wichtig, die Eltern mit in die Therapien einzubinden. „Natürlich können wir als Reha-Klinik chronische Erkrankungen nicht immer heilen“, meint Edenhofer. „Wir versuchen aber nach Möglichkeit, die Erwartungen und Wünsche der Eltern zu erfüllen. Auch wenn dies nicht immer einfach ist, da die Eltern manchmal mit sehr hohen Erwartungen zur Reha kommen.“
Bis dahin sind manche Kinder schon längst eingeschult.
Wie groß der Bedarf an Plätzen im Kinder- und Jugendrehaklinik in Deutschland ist, verdeutlicht Edenhofer folgendermaßen: „Es gibt 47 solcher Einrichtungen. Im Eltern-Kind-Bereich sind sechs Monate Wartezeit eher die Regel als die Ausnahme. Und bei Sprachentwicklungsstörungen dauert es drei bis vier Jahre von der Antragsstellung bis zum Klinikaufenthalt. Bis dahin sind manche Kinder schon längst eingeschult.“ Auch deshalb will sie im ersten Neubau eine Abteilung für Sprachentwicklungsstörungen aufbauen.
Fertigstellung des ersten Neubaus bis Mai 2025
Um dem steigenden Bedarf an Rehaplätzen - zu den Kindern und Jugendlichen kommen schließlich auch die Eltern dazu - gerecht zu werden, vergrößert sich die Klinik. Das erste Gebäude soll bis Mai 2025 fertiggestellt und eingeweiht werden. 24 Zimmer auf drei Ebenen, jeweils mit Gemeinschaftsraum auf der Etage und Küchenzeile, sind geplant. Im Außenbereich ein Wasserspielplatz und Obstbäume, eine Tiefgarage mit ausreichend Stellplätzen, dazu eine zentrale Heizanlage, an die sich auch die Anwohner anschließen lassen können: Wenn alles fertig ist, soll das Gelände laut Edenhofer einen Campus-Charakter erhalten.
Aussehen sollen die Neubauten so ähnlich wie der Kulturhof Stanggass: also viel Holz und Glas an der Fassade. Bis 2028 soll das gesamte Projekt inklusive der Sanierung der Bestandsgebäude fertig sein. Dass die Maßnahmen im laufenden Betrieb stattfinden, ist eine zusätzliche Herausforderung für alle Beteiligten.
Personal gesucht
Apropos Herausforderung: Für die neue Abteilung für Sprachentwicklungsstörungen sucht Edenhofer dringend einen Logopäden, möglichst ab Herbst. Generell muss und wird die Klinik auch personell ordentlich wachsen, um die Patientenzahlen und neuen Angebote - darunter ein Modellprojekt für medienabhängige Jugendliche in Kooperation mit der Charité Berlin - stemmen zu können.
Erzieher, Therapeuten, Verwaltungs- und Servicekräfte, Reinigungspersonal: Die Anzahl der Mitarbeiter wird wohl auf über 100 steigen. Und manche Berufsgruppen wie beispielsweise die Erzieher leiden unter einem extremen Fachkräftemangel, händeringend suchen deutschlandweit die Träger von Kitas und anderen Einrichtungen nach Personal.
Unklare Zukunft beschäftigte die Mitarbeiter
Edenhofer ist nun im dritten Jahr nach der Klinikübernahme durch Bartl Wimmer Leiterin und berichtet, dass zuvor einiges nicht mehr optimal gelaufen sei. Viele Mitarbeiter seien damals abgesprungen, weil lange unklar war, ob es für die Klinik noch eine Zukunft gibt.
Doch jetzt sieht sie die Zukunft der Klinik und ihr Team auf dem richtigen Weg und ist stolz auf ihre Angestellten. Mittlerweile genießt die Klinik wieder einen so guten Ruf, dass sie zwischenzeitlich ein Einstellungsstopp verhängen musste. Bei den vielen Projekten in den kommenden Monaten und Jahren wird dieser Stopp schnell wieder aufgehoben, so viel steht fest.



