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Einzigartiges Modellprojekt mit Charité Berlin

Klinik Schönsicht in Bischofswiesen arbeitet an Behandlungskonzept für mediensüchtige Jugendliche

Klinik Schönsicht in Bischofswiesen
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Die Klinik Schönsicht am Oberkälberstein in Bischofswiesen. Hier soll ein Modellprojekt für medienabhängige Jugendliche umgesetzt werden - in Kooperation mit der Charité Berlin.

Ein offizieller Therapieplan für ganz Deutschland könnte aus einem Modellprojekt in der Klinik Schönsicht in Bischofswiesen hervorgehen, das sich mit Medienabhängigkeit bei Kindern und Jugendlichen beschäftigt. Klinikleiterin Iris Edenhofer und ihr Team kooperieren mit der Charité Berlin und konzentrieren sich dabei auf junge Menschen, die unter problematischen Nutzungsformen von Medien und dem Internet leiden. Das Pilotprojekt ist bereits in vollem Gange.

Bischofswiesen – Als der Berchtesgadener Unternehmer Dr. Bartl Wimmer die Klinik Schönsicht vor mehr als einem Jahr kaufte und große Erweiterungspläne ankündigte, waren es vor allem adipöse Kinder und Asthmatiker, die in der Einrichtung behandelt wurden (BGLand24.de berichtete).

Heutzutage ist das Spektrum deutlich erweitert. Mit der Ankündigung, dass aus der Klinik Schönsicht die erste Fachklinik für medienabhängige Kinder und Jugendliche werden soll (auch hier berichtete BGLand24.de), haben die Beteiligten einen Coup gelandet. Denn eine vergleichbare Einrichtung gibt es noch nicht. 

Bislang werden in Bischofswiesen neben Adipositas und Asthma zunehmend psychische Erkrankungen behandelt, ebenso Post- und Long-Covid-Fälle oder junge Patienten mit ADHS-Diagnose. Reha-Aufenthalte von Jugendlichen wie hier am Oberkälberstein haben in den vergangenen Jahren zudem einen Wandel durchlaufen: Viele der Kinder erscheinen nicht mehr alleine zur mehrwöchigen Rehabilitation, sondern werden von Mutter oder Vater begleitet. Die Tendenz: stark steigend. „Bis Ende September sind wir komplett voll”, sagt Klinikleiterin Iris Edenhofer. 

Klinikleiterin Iris Edenhofer.

Eigentümer möchte Millionensumme investieren

Eigentümer Bartl Wimmer beabsichtigt, eine Millionensumme in die aus TV und Fernsehen bekannte Klinik zu investieren. In mehreren Dokumentationen waren dort in der Vergangenheit insbesondere adipöse Kinder mit der Kamera begleitet worden. Die Rentenversicherer, die in der Klinik Schönsicht als Kostenträger zuständig sind, forderten nach dem Verkauf an Wimmer umfangreiche Investitionen: Das Haus ist in die Jahre gekommen und vor allem auf jugendliche Einzelpatienten ausgelegt. Mit dem Invest sollen deutlich mehr Bleibe-Kapazitäten für Kind-Mutter-Vater-Aufenthalte geschaffen werden. Die Pläne für den Ausbau waren der Öffentlichkeit bereits vorgestellt worden. 

Für die weitreichenden Planungen, die Klinikleiterin Iris Edenhofer am Oberkälberstein verfolgt, ist der Neubau notwendig, sagt sie. Gemeinsam mit der Berliner Charité und der Knappschaft Bahn-See arbeitet ein Team an einem Modellprojekt, das die Medienabhängigkeit - als mittlerweile anerkannte Krankheit - deutschlandweit voranbringen könnte. Der Modellzeitraum ist für drei Jahre angesetzt und soll am 1. Januar 2024 starten und bis Ende 2027 laufen. Die Klinik Schönsicht ist dabei die einzige Klinik des Landes, in der ein solches Modellvorhaben geplant ist. 

Für eine Millionensumme will Eigentümer Dr. Bartl Wimmer erweitern. Schon bald könnte es hier losgehen.

Klinikleiterin: „Wir beginnen ganz am Anfang“

„Wir beginnen ganz am Anfang”, sagt Iris Edenhofer. Noch gibt es wenige Studien zur Medienabhängigkeit bei Kindern und Jugendlichen. Fakt ist: Es gibt spätestens seit der Coronapandemie einen Trend zu steigenden problematischen Nutzungsformen bei Internet, Smartphone und Computer. 

In einer dieser Zeitung vorliegenden Projektbeschreibung heißt es: „Angaben über Ausmaß und Verbreitung von problematischen Nutzungsformen (...) sind aufgrund fehlender einheitlicher und allgemeingültiger Definitionen nur erschwert möglich.” Mit Medienabhängigkeit ist „die exzessive, problematische und unangemessene Nutzung von Medien” gemeint, „die als Konsequenz zu pathologischem und therapiebedürftigem Verhalten führen kann”. 

Eine Studie aus dem Jahr 2013 kommt zum Ergebnis, dass 1,4 Millionen Menschen als gefährdet gelten, internetabhängig zu werden. Bei den 14 bis 16-Jährigen liegt der Wert bei 4 Prozent. Aktuelle Erhebungen ohne Studienbeleg gehen davon aus, dass aufgrund des Lockdowns mittlerweile noch deutlich mehr Jugendliche auf Medienabhängigkeit behandelt werden müssten. 

Dr. Erik Kolfenbach ist Kinder- und Jugendpsychiater in der Klinik Schönsicht. Er sagt: „Jedes Grundschulkind hat mittlerweile ein Smartphone.” Die sukzessiv gesteigerte Nutzung könne als Bewältigungsstrategie für Langeweile, Stress oder Einsamkeit negative Auswirkungen auf das Wohlergehen von Kinder und Jugendlichen haben. Jugendpsychiater Kolfenbach kennt Fälle von jungen Leuten, die mehr als zehn Stunden am Tag das Smartphone nutzen - vor allem zum Spielen, Streamen und für soziale Medien wie TikTok und Instagram. Bereits eine Nutzung von zwei Stunden am Tag kann zu einer Beeinträchtigung des Tagesablaufs des Kindes führen. „Das sollte von den Eltern gut mitbegleitet werden”, sagt Edenhofer. Das soziale Gefüge wird dadurch nachhaltig gestört. Viele der Kinder ziehen sich zurück. Handy und Co. sind dann die einzigen Begleiter des Lebensalltags. 

Dr. Erik Kolfenbach ist einer von zwei Kinder- und Jugendpsychiatern der Klinik Schönsicht.

In der Klinik Schönsicht sollen genau jene künftig behandelt werden. Derzeit arbeiten 76 Personen in der Einrichtung. Spätestens mit dem Start des Modellprojekts dürfte das Team deutlich erweitert werden, sagt Klinikleiterin Edenhofer. 

Ziel der Erprobungsphase: Einen Therapieplan für die Zukunft entwickeln

Während das kommende Jahr ganz im Zeichen für vorbereitende Maßnahmen genutzt wird, Erhebungen angegangen und Interviews mit Jugendlichen geführt werden, soll im zweiten Quartal 2025 eine Erprobungsphase in Zusammenarbeit mit der Charité Berlin starten. Bis zu 40 Jugendliche, bei denen bereits eine Form der Medienabhängigkeit diagnostiziert wurde, sollen bis zu zwölf Wochen stationär am Oberkälberstein aufgenommen werden. Dabei wird von Experten ermittelt, welche Behandlungsformen und Therapiekonzepte notwendig sind, um die soziale Kontaktfähigkeit langfristig zu steigern und eine „lebenspraktische Stärkung zu ermöglichen”, sagt Erik Kolfenbach. „In diesem Modellzeitraum wird der Therapieplan für die Zukunft entwickelt”, weiß Iris Edenhofer. 

Ab dem zweiten Quartal 2026 soll die Durchführungsphase eingeläutet werden, in der dann die gewonnenen Erfahrungen im Praxisbetrieb zur Anwendung kommen. Bis dann, hofft die Klinikleiterin, soll der Neubau am Oberkälberstein auch stehen. Die Kinder und Jugendlichen der Projektgruppen werden zudem regelmäßig ausführliche Befragungen durchlaufen. Ein Abschlussbericht Ende 2027 soll dann das Ergebnis liefern, ob eine Rehabilitation für Medienabhängigkeit nicht nur am Oberkälberstein, sondern flächendeckend in ganz Deutschland angeboten werden kann.

kp   

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