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Rodung in Bischofswiesen trotz Klage

Baumfällung am Götschen wirft Fragen auf – Anwältin: „Das alles hat ein komisches Geschmäckle“

Eine Frau mit Brille, kurzen dunklen Haaren und einem braunen Anzug. In einem Waldstück liegen dutzende gefällte Bäume auf dem Boden. Ein Skigebiet mit einem Lift.
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Anja Schilling vertritt den Bund Naturschutz als Anwältin in der Klage gegen die Modernisierung am Skigebiet Götschen.

Die umstrittene Baumfällaktion am Skigebiet Götschen in Bischofswiesen, die trotz erhobener Klage durchgeführt wurde, wirft weiter Fragen auf. In einem ersten Statement hatte sich das Landratsamt in Bad Reichenhall noch verteidigt, doch auf einmal will die Behörde „zum laufenden Gerichtsverfahren keine weiteren Angaben machen“. Die Gemeinde hüllt sich zu den Vorgängen auf der 4000 Quadratmeter großen Fläche weiter in Schweigen. Dafür spricht nun Anja Schilling, die Anwältin des Bund Naturschutz, und teilt pikante Details mit.

Bischofswiesen/Bad Reichenhall - „Erschreckend und eines Rechtsstaats unwürdig“: Schon in der ersten Mitteilung hatte sich die Rechtsanwältin des Bund Naturschutz mit deutlichen Worten zu den Vorgängen am Skigebiet Götschen geäußert. Während die Verwaltung von Bischofswiesen schon von Anfang an kein Statement abgeben wollte, bezog das Landratsamt auf Anfrage Stellung und wies den Vorwurf zurück. Nach einer weiteren Anfrage heißt es jetzt nur noch: „Leider können wir zum laufenden Gerichtsverfahren derzeit keine weiteren Angaben machen. Wir bitten um Verständnis.“

Dabei haben Anja Schilling von den Baumann Rechtsanwälten, einer Kanzlei für Verwaltungsrecht mit Sitz in Würzburg, und der Bund Naturschutz BGL, der sie beauftragt hat, noch einige offene Fragen und großen Klärungsbedarf. „Dass sich die Gemeinde gar nicht äußert und auf das laufende Verfahren verweist, ist natürlich ihr gutes Recht“, betont Schilling. „Etwas traurig ist es jedoch, dass das Landratsamt das Gutachten von 24. Januar 2025 vorschiebt, wodurch sich angeblich ein akuter Handlungsbedarf für die Erweiterung des Speicherteiches ergeben würde. Schon 2017 wurde bei den Antragsunterlagen eine Ist-Zustand-Analyse für das gesamte Skigebiet angeben. Der Handlungsbedarf war schon lange bekannt.“

„Das klingt so, als ob wir uns Zeit gelassen hätten“

Daher ist es für die Anwältin kein Grund, den sofortigen Vollzug der Maßnahme als Argumentation anzuführen. „Den Sofortvollzug hätte man schon viel früher anordnen können. Somit hätte der BN Naturschutz in einem geregelten Verfahren die Chance gehabt, den Vollzug gerichtlich überprüfen zu lassen, bevor vollendete Tatsachen geschaffen werden“, meint Schilling.

Das Skigebiet Götschen bei Bischofswiesen liegt auf einer Höhe von 880 bis 1307 Metern.

Sie bestätigt, dass ihre Kanzlei den Bescheid am 27. Februar 2025 um 8.14 Uhr erhalten habe. Die Aussage des Landratsamtes - „Die in der Pressemitteilung geschilderten Zeiten legen nahe, dass man dort gegen Mittag aktiv geworden ist“ - stuft Schilling als „frech“ ein. „Das klingt so, als ob wir uns Zeit gelassen hätten.“ Dabei habe es aufgrund des elektronischen Anwaltsportals, eines Termins von ihr und der Vorbereitung des Eilantrags vor dem Gericht eine Verzögerung gegeben. „Das Gericht hat nach Erhalt des Antrags sofort gehandelt, was nicht selbstverständlich ist.“

Tatsächlich hatte das Verwaltungsgericht in München auf Nachfrage bestätigt, dass dort der Eilantrag um 13.32 Uhr eingegangen sei und um 14.37 Uhr telefonisch gegenüber dem Landratsamt/Freistaat Bayern sowie um 14.45 Uhr telefonisch gegenüber dem Bevollmächtigten der Gemeinde ein Beschluss erlassen wurde. Darin wurde der Gemeinde untersagt, „bis zur Entscheidung über den Eilantrag vom angegriffenen Bescheid Gebrauch zu machen, insbesondere Baumaßnahmen und Baumfällungen durchzuführen“. Um 15.47 Uhr sei die telefonische gerichtliche Anordnung vom Gericht schriftlich bestätigt und den Beteiligten übersandt worden.

Einige Fragezeichen rund um den zeitlichen Ablauf

Pikant: Die Anwältin fügt als Ergänzung zu ihren Schilderungen hinzu, „dass uns mit Zustellung der Sofortvollzugsanordnung nicht mitgeteilt wurde, dass tatsächlich am selben Tag und sofort Baumfällungen durchgeführt werden“. Das habe man nur vermutet, da die Fällungen laut Bescheid nur in der Zeit vom 1. Oktober bis 28. Februar durchgeführt werden dürften. „Wir haben daraufhin zunächst versucht, das Landratsamt und den Bürgermeister telefonisch zu erreichen, was uns aber nicht gelungen ist.“

Auf der 4000 Quadratmeter großen Fläche am Skigebiet Götschen wurden alle Bäume gefällt.

Weitere Unklarheiten gibt es für sie und den Bund Naturschutz bezüglich des zeitlichen Ablaufs der Baumfällaktion am 27. Februar. „Wir haben uns natürlich auch gefragt, wie das sein kann, dass morgens die sofortige Vollziehung angeordnet wird und am frühen Nachmittag alles schon fertig ist. Außerdem wirft die zeitliche Dokumentation Fragen auf, weil laut dem Landratsamt gegen 14.30 Uhr der letzte Baum gefällt wurde und gegen 14.50 Uhr die von der Gemeinde beauftragte Firma vor Ort abgerückt ist.“

Denn wie Rita Poser, die Vorsitzende vom Bund Naturschutz, auf Nachfrage bestätigt, kam sie gegen 14.38 Uhr am Speicherbecken des Skigebiets an. „Ich habe im Verlauf des Vormittags durch Frau Schilling Kenntnis über den Sofortvollzug des Bescheids bekommen und wir haben überlegt, was wir machen, weil es natürlich immer mit Kosten verbunden ist. Die Entscheidung fiel dann, das Gericht doch anzurufen, um die Schaffung vollendeter Tatsachen zu vermeiden.“ Als sie am Nachmittag am Götschen ankam und um 14.40 Uhr das erste Foto von der gerodeten Waldfläche machte, „da war weit und breit keine Holzfällerfirma mehr zu sehen“.

Warum wurde die Gemeinde früher informiert?

Die Anwältin Schilling gibt zu, dass es sich nicht komplett ausschließen lässt, dass die Firma mit viel Personal angerückt und tatsächlich so schnell die Bäume gefällt hat. Doch es geht um eine 4000 Quadratmeter große Fläche. Und: „Den Akten zufolge, die uns vom Gericht vorgelegt wurden, ist die Gemeinde bereits zwischen 6 und 7 Uhr über den Vollzug des Bescheids informiert worden, wir aber erst um 8.14 Uhr. Das alles hat schon ein komisches Geschmäckle und wir können nur spekulieren, wie es tatsächlich abgelaufen, weil wir keine Beweise haben und scheinbar niemand die Vorgänge beobachtet hat.“

Sie betont jedoch, die Gemeinde sei als Vorhabenträger eigentlich verpflichtet, die Maßnahme in Wort und Bild zu dokumentieren. Daraus müssten sich dann die zeitlichen Zusammenhänge ergeben, „doch die Dokumentation liegt uns noch nicht vor“. Für Schilling ist klar: „Man kann nicht einfach so Bäume umhauen. Mit einer solchen Baubegleitung muss aufgezeigt werden, ob das ordentlich gemacht wurde oder ob es bei einer Hauruckaktion darum ging, Hauptsache die Bäume zu fällen.“

Doch wie geht es nun weiter, nachdem die Bäume nicht mehr stehen? Die Anwältin meint, auch wenn der Schaden entstanden ist, „könnte man die Fläche auch wieder aufforsten lassen“. Der Rechtsstreit sei nach dieser Aktion nicht erledigt. „Im Gegenteil, es geht jetzt auch möglicherweise um eine Wiedergutmachung - je nachdem, wie das Gerichtsverfahren ausgeht.“

Wertvolle Lebensräume trotz laufender Klage zerstört

Der Eingriff habe „gravierende Auswirkungen“, denn der Bund Naturschutz hatte in seiner Klage auch geltend gemacht, dass artenschutzrechtliche Belange betroffen sind. „Das wesentliche Ziel der Klage war und ist, den Wald und dessen Lebensräume zu erhalten. Diese 4000 Quadratmeter waren auch Lebensräume für Haselmäuse, Gelbringfalter und andere Arten. Schon vor der Rodung wurde eine ordentlichere Untersuchung angemahnt, doch die ist jetzt nach der Zerstörung natürlich nicht mehr möglich.“

Für die Anwältin stellt sich nun die Frage, ob Umweltschäden entstanden sind, „da möglicherweise gar keine Grundlage für diesen Eingriff gegeben ist, wenn sich im Gerichtsverfahren herausstellt, dass der angegriffene Bescheid rechtswidrig ist“.

Auf die Frage, ob sie solche Fälle schon erlebt habe, ob es sich um seltene Ausnahmen handelt oder diese doch häufiger vorkommen, antwortet sie: „Das habe ich leider schon erlebt, aber ich finde es erschreckend, da es sich bei der Gemeinde und dem Landratsamt um staatliche Organisationen handelt. Normalerweise sind es private Unternehmen, die als Vorhabenträger für vollendete Tatsachen sorgen. So etwas hatte ich nicht erwartet.“ (ms)

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