Bartl Wimmer spricht von „Unsinn“
Fakenews zum Verkauf des Kehlsteinhauses: Freistaat Bayern leitet rechtliche Schritte ein
„Eine Desinformationskampagne der Sonderklasse.“ Mit diesem Satz bringt es Dr. Bartl Wimmer vom Bergerlebnis Berchtesgaden am Rande einer Veranstaltung am Freitagabend auf den Punkt. Ein professionell gestaltetes, mit vermeintlichen Notar-Dokumenten angereichertes Video kursiert derzeit auf X. Darin wird behauptet, Hitlers ehemaliges Kehlsteinhaus sei für eine Millionensumme verkauft worden. Dahinter stecke gar der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj. Jetzt reagiert auch der Eigentümer, der Freistaat Bayern.
Update 10. Februar, 16.55 Uhr
Berchtesgaden - Der Freistaat Bayern, genauer gesagt die Behörde „Immobilien Freistaat Bayern“ (IMBY), hat als Eigentümer des Kehlsteinhauses auf die Fakenews reagiert und teilt mit: „In den sozialen Medien kursiert aktuell ein Video mit Behauptungen über einen angeblichen Verkauf des Kehlsteinhauses im Landkreis Berchtesgadener Land. Dabei handelt es sich um gezielte Falschinformationen. Das Kehlsteinhaus befindet sich weiterhin im Eigentum des Freistaats Bayern. Ein Verkauf hat nicht stattgefunden und ist auch nicht geplant. Der im Video gezeigte angebliche Kaufvertrag ist eine Fälschung, gleiches gilt für das angebliche Zitat der IMBY-Geschäftsführung. Das Kehlsteinhaus wird regulär im Mai 2025 seinen Saisonbetrieb wieder aufnehmen. Die IMBY wird gegen die Urheber dieser Falschinformationen rechtliche Schritte einleiten.“
Erstmeldung 9. Februar, 12.19 Uhr
Berchtesgaden - Ein irrwitziges Gerücht und eine gesteuerte Falschnachricht in der Tourismusregion Berchtesgaden: „Dieses Video und seine Aussagen sind frei erfunden“, unterstreicht Wimmer. Desinformation schadet - nicht nur in Zeiten des Wahlkampfes. Spaß versteht der Verbandsvorsitzende deshalb keinen. „Wir alle sind nicht in der Lage, solchen Desinformationskampagnen adäquat etwas entgegenzusetzen“, sagt Wimmer.
Tatsächlich lässt sich ein Großteil der Behauptungen in dem Video bereits mit wenigen Hintergrundinformationen entkräften. Das Kehlsteinhaus auf 1834 Metern zählt mit seinen rund 300.000 Besuchern pro Jahr zu den beliebtesten touristischen Attraktionen Bayerns, mit Einnahmen in Millionenhöhe. Erst kürzlich wurde der 124 Meter lange Aufzug zum Haus modernisiert.
Es entspricht nicht der Wahrheit
Zwischen 1937 und 1938 von Bormann beauftragt und als Teehaus für Hitler und das NS-Regime errichtet, ist es seit Jahrzehnten im Besitz des Freistaats Bayern. Seit 1952 fungiert das Haus als Berggaststätte. Die Berchtesgadener Landesstiftung hat den Nießbrauch an den Kehlsteineinrichtungen. Dass die Attraktion ein Defizitgeschäft ist, wie im Video behauptet wird? Schlicht unwahr, sagt Wimmer. Ab dieser Saison stehe das Kehlsteinhaus wegen eines angeblichen Verkaufs an eine Firma im Eigentum des ukrainischen Präsidenten für die Öffentlichkeit nicht mehr zur Verfügung, heißt es in dem zweiminütigen Video. Auch das entspricht nicht der Wahrheit, wie Wimmer bestätigt.
Genau dieses Szenario stellt das fragliche Video aber als redaktionelle Enthüllung dar. Wer den Film, der mit historischen Schnipseln und Aufnahmen des Kehlsteinhauses unterlegt ist, in Umlauf gebracht hat, ist fraglich und kaum zurückzuverfolgen. Das mittlerweile vielfach geteilte Filmmaterial zeigt unter anderem teils geschwärzte Dokumente, ein Sprecher nennt darin einen Kaufpreis von 14,2 Millionen Euro. Eine Tonaufnahme soll den Geschäftsführer der Immobilien Freistaat Bayern zeigen.
Die Behörde „Immobilien Freistaat Bayern“ existiert tatsächlich und ist für Veräußerungen oder Ankäufe staatlicher Liegenschaften zuständig. Allerdings ist die synthetisch klingende Aussage des vermeintlichen Geschäftsführers, der den Verkauf darin bestätigt, nicht real. Wimmer sagte vergangenen Freitag, dass die Falschnachricht eigens zur Desinformation in Umlauf gebracht wurde: „Es passt nahtlos in die sehr wahrscheinlich bis offensichtlich von Russland gesteuerten Fälschungen, die immer mehr zunehmen.“
„Alles Unsinn“
Im Video wird behauptet, eine wirtschaftliche Schwäche habe die Verantwortlichen dazu gebracht, einen Verkauf der historischen Immobilie in Betracht zu ziehen, „inbesondere nach der finanziellen Krise der Jahre 2020 und 2021“, sagt der Sprecher im Video. Hinzu kommen Hinweise auf angebliche Offshore-Firmen, die dem ukrainischen Präsidenten zugeschrieben werden und die in den Pandora Papers enthüllt worden seien, wie es dort heißt.
So sei der Präsident Eigentümer des italienischen Unternehmens San Tommasso SRL, das nun das Kehlsteinhaus käuflich erworben habe. „Alles Unsinn“, sagt Wimmer. Das Konstrukt passt gut zu einem Narrativ, bei dem ein Auslandsinvestor eine geschichtsträchtige Stätte übernimmt. Bei den Rezipienten soll ein vermeintlich stimmiges Bild entstehen.
Das Kehlsteinhaus ist nicht nur als Berggaststätte und Ausflugsziel von Bedeutung. Sein historischer Hintergrund macht es zu einem stark symbolbeladenen Ort, der internationale Bekanntheit genießt. Gerade dieser Kontrast zwischen NS-Vergangenheit und heutiger touristischer Nutzung macht die Einrichtung für reißerische Geschichten anfällig.
Kehlsteinhaus weiterhin Eigentum des Freistaats
Mit der Erwähnung des ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj als angeblicher Investor erhält das Thema eine geopolitische Sprengkraft. In etlichen Kommentaren auf X (ehemals Twitter) wird Selenskyj von Nutzern als „Narkoführer“ oder „Geldwäscher“ bezeichnet, sodass verschiedene Desinformationsmuster ineinander verschmelzen. Sinn und Zweck der Falschnachricht: Misstrauen gegenüber allen Beteiligten zu säen, die mit der Falschinformation in Berührung kommen.
In Beiträgen auf Social Media tippen einige User auf russische Propaganda im Hinblick auf die Verhandlungen mit US-Präsident Trump und Selenskyj. Klar ist: NS-Bezüge zu einem Reizthema funktionieren. Bartl Wimmer sagt, dass die Nachricht ein „gutes Beispiel“ für all jene sei, die wissen wollen, „wie infam so etwas abläuft“. Das Kehlsteinhaus ist weiterhin im Eigentum des Freistaates Bayern und soll auch dieses Jahr von Mai bis Oktober geöffnet sein.
Kehlsteinhaus steht weiter Touristen zur Verfügung
Der Vorfall zeigt laut Wimmer, wie leicht sich vermeintliche Beweise verbreiten lassen, wenn das Thema nur genügend Aufmerksamkeit verspricht und Empörung nach sich zieht. Für den Verbandsvorsitzenden des Bergerlebnisses Berchtesgaden ist es die „perfekte Desinformation“. Begegnen könne man einer solchen nur mit faktenbasierter Gegenkommunikation: „Für solche Kampagnen werden jedes Jahr Milliarden Dollar ausgegeben“, weiß Wimmer. Verhindern lassen sich diese Kampagnen im KI-Zeitalter, in dem bei Social Media auf Faktenchecks verzichtet wird, kaum. Für Computer-Bots sind die Themen leicht zu identifizieren. Mithilfe von KI können Videos, Sprachschnipsel und gefälschte Dokumente einfach produziert werden.
Das Kehlsteinhaus bleibt – unabhängig wilder Verkaufsmeldungen – im Eigentum des Freistaats und empfängt auch dieses Jahr wieder Gäste aus aller Welt. Das Kehlsteinhaus als Touristenattraktion steht also auch weiterhin der Öffentlichkeit zur Verfügung. kp