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Männer, die stricken? „Natürlich gibt es die”

Lederhose und Co. aus Wolle: Berchtesgadenerin strickt und erstellt Anleitungen für Strickbegeisterte

Gundi Wendlinger
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Gundi Wendlinger strickt aus Leidenschaft und hat sich eine besondere Nische ausgesucht: die Tracht.

Männer, die stricken? „Natürlich gibt es die”, weiß Gundi Wendlinger. Stricken habe schon lange nicht mehr jenes Oma-Image von früher, das dem Handwerk angedichtet wird. Stricken ist ihre Leidenschaft. Eine Lederhose fürs Baby, eine Trachtenjacke fürs Kind? Gundi Wendlinger kreiert dazu eigene Hefte als Hochglanz-Anleitung. Die Nachfrage ist riesig.

Berchtesgaden - Als Gundi Wendlinger vor über 30 Jahren Mutter wurde, „da war der Hype zu stricken groß”, erinnert sich die gebürtige Wuppertalerin, die seit 34 Jahren in Berchtesgaden wohnt. „Ich fuhr damals noch zum Wolleinkauf nach Traunstein”, sagt sie. Zuhause angekommen, legte sie los. Sie strickte Hauben für das eigene Kind. Die gefielen wiederum anderen. Sie wollten dann auch eine. Also strickte sie weiter und immer weiter. 

Heutzutage hat sich Gundi Wendlinger auf Wolle spezialisiert - und auf jene Anleitungen, die anderen ein Ratgeber sein sollen. Denn wie man die passende „Lederhose” aus Wolle für den Dreijährigen strickt oder die Bluse für die Trachtenliebhaberin, das gibt es in sogenannten Strickanleitungen, die keine Fragen offen lassen - verpackt in einem Hochglanzmagazin.

„Wolloase“ als Get-together-Ort

In ihrem Haus in Berchtesgaden hat Gundi Wendlinger ein großes Lager. Regalmeter über Regalmeter türmt sich hier Wolle verschiedener Qualitätsstufen, in allen nur erdenklichen Farben.  

Die „Wolloase” ist nicht nur ihr Zufluchtsort, sondern auch jener für eine ganze Gruppe von Menschen, die dem Stricken in ihrer Freizeit nachgehen. Ein Get-together-Ort für Menschen, die dasselbe Hobby teilen. Sie erscheinen, wenn sie Rat brauchen - oder Nachschub an Knäueln benötigen, um die nächste Wintermütze, die Kalte-Jahreszeiten-Jacke oder die Fingerlinge für frostige Tage anzugehen. In allen Regenbogenfarben stapeln sich die Knäuel verschiedener Stärken im Eldorado für Strickbegeisterte. Mittlerweile hat Gundi Wendlinger auch in Traunstein ein Wolllager eröffnet. 

Handgestrickt: Trachtenmode aus Berchtesgaden. Die Anleitungen gibt es in Gundi Wendlingers Trachtenmagazin.

„Es stricken viel mehr Leute als man glaubt“

Nach dem Tod ihres Mannes hatte sich die Wollsüchtige ganz jener Handwerkskunst verschrieben und darauf gesetzt, eine Gemeinschaft von Strickenden aufzubauen. „Ich wollte stricken und meine eigene Wolloase haben”, sagt sie. Stricken mag altmodisch oder nostalgisch klingen: „Es ist aber alles andere als das”, weiß Gundi Wendlinger, die viel Zeit ihres Lebens im Ausland verbrachte. Fast zehn Jahre war sie in den USA und in Frankreich unterwegs. Die begeisterte Alpinistin liebt die Berchtesgadener Berge - und das Klettern. 

Beide Hobbys schließen sich aber nicht aus. Stricken ist in der Gegenwart angekommen. „Es stricken viel mehr Leute als man glaubt.” Von der Heranwachsenden bis zur jungen Mutter, von der Teilzeit-Oma bis zur Business-Frau. Strickgruppen sind längst keine reine Altersgruppen-Blase mehr. Über alle Generationen hinweg treffen sich Menschen, tauschen Muster, Geschichten und Techniken aus. Gundi Wendlinger kennt die Szene bestens und die Menschen dahinter: Jede Masche erzählt von den Momenten, die man dafür aufgewendet hat.

Auch Männer stricken

Stricken, sagt sie, stehe nicht im Widerspruch zu einer modernen Frau oder einem modernen Mann. Fakt ist: Die Berchtesgadenerin hat im Laufe der Jahre - und vor allem über ihre Strickkurse - auch viele Männer kennengelernt, die mit Stricknadel und Wolle zu hantieren wissen und mit den Maschen Formen und Muster entstehen lassen. Stricken sei vielmehr als das Schaffen eines Kleidungsstückes, sondern auch ein Ausdruck von Geduld und Hingabe - sogar mit meditativer Wirkung. Das Handwerk erdet, nimmt den Druck des Alltags raus. Dabei entstehen Unikate mit den eigenen Händen.

Stricken ist für die gelernte Erzieherin, die früh in der Jugend damit anfing, unbezahlbar wertvoll, nicht nur im ideellen Sinn. In Geld bezahlt, ist ein handgestrickter Pullover so gut wie unbezahlbar, wenn man allein nur die Arbeitszeit im Blick hat. „Do-it-youself” ist das Motto - und immer mehr springen auf den Zug auf, weiß Gundi Wendlinger.   

Häkel-Boom durch Boshi

Als ab 2009 aus dem Nichts heraus die sogenannten Boshi-Hauben an Fahrt aufnahmen, boomte das Stricken und Häkeln. Boshi ist ein Neologismus, eine Wortneuschöpfung für „Häkelmütze”. In Anlehnung an den japanischen Begriff „bōshi”, der für „Mütze und Hut” steht.

Zwei fränkische Studenten hatten nach einem Skiurlaub damit begonnen, selbstgehäkelte Mützen in trendiger Farbgebung zu verkaufen. „Häkeln war ab diesem Zeitpunkt unglaublich angesagt”, sagt Gundi Wendlinger. Der Hype schwappte über die Republik. „Die Häkelnadel Nummer sechs war damals sogar ausverkauft.” Wendlinger nutzte die Chance, um die angefixten Stricker aus ihrem Umfeld für dieses und neue Projekte zu begeistern, sagt sie. 

Kaum Anleitungen für Trachtenmodelle

Was bietet sich in Berchtesgaden besser dafür an als die originale Tracht? Nur gestrickt halt. „Die Einheimischen, die stricken, suchen Trachtenmodelle, weil es dafür eben kaum Anleitungen gab.” Gundi Wendlinger hatte mit der Tracht zu diesem Zeitpunkt zunächst nicht viel am Hut. Klar, sie hatte zwar ein paar Dirndl im Schrank - und eben diese eine Idee, herzustellen, was hier bereits zuhause ist: „Ich wohne ja in der Trachtenhochburg Berchtesgaden”, sagt die Maschenmeisterin selbstbewusst. 

Trachtenmagazin für Strickbegeisterte - die mittlerweile vierte Auflage.

Sie strickte also erst mal vor, um Lederhose, Joppe und Co. aus Wolle zu kreieren, und holte sich zudem Verstärkung ins Boot beim Stricken. „Mein Wunsch war, den echten Berchtesgadenern zu zeigen, wie man ihre Trachten auch selbst stricken kann.” Später dann fing sie mit Kursen an, an denen etliche Hobby-Stricker teilnahmen.  

Viertes Trachtenmagazin veröffentlicht

Unter Freunden und Bekannten engagierte sie sich, fand Hobby-Models aus Berchtesgaden, holte sich einen Profi-Fotografen und ließ die gestrickte Tracht - getragen und in traditioneller Umgebung - fotografieren. „Ich wollte eine Anleitung erstellen, damit jeder das nachstricken kann”, sagt sie. Strickanleitungen sind begehrt - „und werden immer beliebter”, weiß Gundi Wendlinger. Mittlerweile hat sie ihr viertes Trachtenmagazin veröffentlicht, wieder in fünfstelliger Auflage. Bestellt wird aus ganz Deutschland. Tracht ist nicht nur in Berchtesgaden ein beliebtes Thema in Stricknadel-Kreisen.

Kürzlich hat sie ihre aktuelle Ausgabe veröffentlicht. Die Resonanz darauf: riesig. Gundi Wendlinger hat sich unter vielen Strickenden einen Namen gemacht. Vor allem bei der gestrickten Tracht. „Genau das ist, was mich abhebt von anderen”, sagt sie. (kp)

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