Haushalt 2025 wirft Schatten voraus
Im Kreistag BGL rumort es: Unterstützung für Kinder mit Förderbedarf nur unter Vorbehalt
Eigentlich sollte es eine klare Angelegenheit und Botschaft werden: Mit der Fortführung der Stütz- und Förderklasse im Berchtesgadener Land will der Kreistag weiterhin Kinder mit sehr hohem emotionalen und sozialen Förderbedarf unterstützen. Grundsätzlich gibt es dafür auch Zustimmung. Doch am Zusatz „vorbehaltlich Haushaltsplan 2025 und folgende“ scheiden sich die Geister, wie die Diskussion in der Sitzung zeigt. Droht nun bei jeder Entscheidung über freiwillige Leistungen eine Grundsatzdebatte?
Bad Reichenhall - Für Kinder mit sehr hohem emotionalen und sozialen Förderbedarf gibt es seit November 2017 eine sogenannte Stütz- und Förderklasse (SFK) im Berchtesgadener Land. Seit dem Schuljahr 2022/23 ist diese im eigens eingerichteten Anbau des Sonderpädagogischen Förderzentrums St. Zeno in Bad Reichenhall untergebracht. Weil die Kosten dafür nur noch bis zum Ende des Schuljahres 2024/25 abgedeckt sind, musste der Kreistag am Freitag (25. Oktober) über eine Fortführung der SFK mit den entsprechenden finanziellen Mitteln entscheiden.
Die Konzeption und Kosten der Stütz- und Förderklassen
Mit Unterstützung des SFK-Teams werden die Kinder interdisziplinär, unter Orientierung am Regelschullehrplan, unterrichtet. Nachmittags wird dann der Schwerpunkt auf individuelle Lernförderung, körperliche Aktivitäten, kreatives Erleben sowie Hilfe in den Familien gelegt. Zusätzlich gibt es Sozialtraining, Therapieklettern und tiergestützte Therapie. So gut es geht, nehmen die Kinder am Schulleben teil und nutzen dabei die Einrichtungen und Möglichkeiten des Förderzentrums. Die Klassengröße und -kapazität belief sich in den vergangenen Jahren auf bis zu sechs Kinder.
Die Personal- und Sachkosten für den Zeitraum 1. August bis Ende 2025 (bis zum 31. Juli 2025 wurden die Finanzmittel bereits vom Kreistag beschlossen) belaufen sich auf 67.300 Euro. Für die Jahre darauf werden folgende Kosten veranschlagt: 173.600 Euro (2026), 180.100 Euro (2027), 187.000 (2028), 194.100 (2029), 112.550 (bis 31. Juli 2030).
Dass der Bedarf notwendig ist und sogar steigt, betonten Simone Baumert (Bildungsregion BGL) und Heike Dufey-Spannring (Schulleitung Förderzentrum) in ihrem Vortrag über das Konzept, das die Wiedereingliederung in den regulären Schulbetrieb vorsieht. „Wir haben eine Warteliste“, erklärten sie.
Grundsätzliche Einigkeit, aber ...
Über die allgemeine Fortführung der SFK bestand auch im Kreistag weitestgehend Einigkeit. Während Franz Eder (Grüne) den hohen personellen Einsatz hervorhob, sprach Hans Metzenleitner (SPD) von „bestens angelegten Geldern“. Der ehemalige Schulleiter meinte: „Wir waren im Berchtesgadener Land sehr spät dran mit der Einrichtung eines Förderzentrums. Ich kann mich noch gut daran erinnern, wie früher mit hoch auffälligen Schülern umgegangen wurde. Das war und ist eine gigantische Herausforderung.“
Uneinigkeit gab es dagegen beim Vorschlag von Thomas Weber (CSU), wegen der angespannten finanziellen Lage des Landkreises dem Beschlussvorschlag den Zusatz „vorbehaltlich des Haushaltsplans 2025 und folgende“ anzufügen. „Mir geht es nicht darum, die Fortführung nicht unterstützen zu wollen. Ich verstehe nur nicht, wieso wir jetzt schon darüber entscheiden müssen, wenn wir noch keinen Haushaltsplan 2025 vorliegen haben“, erklärte er auch mit Blick auf weitere freiwillige Leistungen, über die eventuell noch im Laufe des Jahres entschieden werden muss.
Klarheit für Haushalt 2025 gefordert
Bartl Wimmer und Iris Edenhofer (beide Grüne) zeigten sich verwundert über den Vorschlag. „Ich tue mich leicht, hier eine Ausnahme zu machen, da es sich um eine nachhaltig sinnvolle Lösung handelt. Wenn wir das nicht anbieten, werden die Folgekosten in der Kinder- und Jugendhilfe in den Jahren darauf umso höher sein“, meinte er, forderte aber wie sein Vorredner, bald Klarheit über den Haushaltsplan für das kommende Jahr zu erhalten. Und Edenhofer, Leiterin der Kinder- und Jugendrehaklinik Schönsicht, die bald in Zusammenarbeit mit dem Berliner Charité medienabhängige Jugendliche behandeln wird, betonte: „Die Mitarbeiter fordern heute alle unbefristete Verträge ein. Da will ich keine Therapeutin sein, wenn sich das Konzept im freien Fall befindet.“
Dann lügen wir uns in die eigene Tasche.
Christoph Lung (CSU) entgegnete: „Unsere Aussage ist ganz klar: Wir wollen das. Aber wenn wir diesen Beschluss ohne diesen Zusatz befassen, können wir nichts mehr entscheiden, bis der Haushaltsplan vorliegt. Dann lügen wir uns in die eigene Tasche.“ Er warb dafür, „handwerklich sauber zu arbeiten“. Sein Fraktionskollege Georg Wetzelsperger sprach sich dafür aus, „erst den Haushalt 2025 in trockene Tücher zu bringen“. Auch Landrat Bernhard Kern erklärte, die grundsätzliche Fortführung nicht infrage stellen zu wollen. „Wir könnten die Fortführung auch zurückstellen. Den Haushaltsbeschluss werden wir voraussichtlich im Dezember fassen“, gab er bekannt.
„Meint ihr das ernst?“
Ausführungen, die bei anderen Kreisräten auf Unverständnis trafen. „Ich bin entsetzt“, so Metzenleitner. Er habe Verständnis für die Bedenken der angespannten Haushaltslage. „Aber da gibt es andere Themen, die wir hinterfragen sollten. Es geht hier um ein enorm wichtiges Thema und darum, den Kindern, Eltern und Mitarbeitern Sicherheit zu geben.“ Und Wimmer fragte erstaunt in die Runde: „Meint ihr das ernst? Da können wir künftig alle Tagesordnungspunkte absetzen: Dann weiß jeder Bescheid und wir müssen nicht öffentlich darüber diskutieren, bei welchen Themen wir sparen.“
Da gibt es andere Themen, die wir hinterfragen sollten.
Mit 35 zu 17 Stimmen votierte der Kreistag abschließend dafür, die Stütz- und Förderklassen in der vorgestellten Form als Einrichtung im Sonderpädagogischen Förderzentrum St. Zeno ab dem Schuljahr 2025/26 für weitere fünf Jahre (bis 31. Juli 2030) fortzuführen. Die hierfür benötigten Finanzmittel werden unter Vorbehalt im Haushalt 2025 und im Finanzplan auf Basis der Kostenkalkulation eingeplant.
Zwischen all den Diskussionen warb Michael Koller (FWG) dafür, der Ursache von Stütz- und Förderklassen auf den Grund zu gehen. „Wieso haben wir so viele Kinder mit Bedarf? Darauf sollten wir unseren Blick richten und daran arbeiten, dass es erst gar nicht so weit kommt.“ (ms)