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Umgang mit Lawinen, Borkenkäfer und Stürme

„Natur weiß am besten, was zu tun ist“: Nationalpark Berchtesgaden mit Nichtstun erfolgreich

Auf einem Foto ist ein Wald in einem Tal zu sehen, der von einer Lawine getroffen wurde. Zahlreiche Bäume wurden entwurzelt. 25 Jahre zeigt sich das Gebiet vollständig erholt, viele junge Bäume wachsen hier.
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1999 zerstörte eine Lawine den Wald. 25 Jahre später zeigt sich hier ein junger, intakter Wald, der ohne menschliche Eingriffe entstanden ist.

Wie verhalten sich Waldflächen nach einem Sturm oder Borkenkäferbefall, wenn der Mensch nicht eingreift? Lassen sich eingeschleppte exotische Pflanzenarten überhaupt aufhalten? Und wie lässt sich der Klimawandel simulieren? Antworten auf diese und weitere Fragen gab es beim ersten Waldtag des Nationalparks Berchtesgaden rund um die Kührointalm. Manche Erkenntnisse und Maßnahmen verblüfften selbst die angereisten Experten.

Berchtesgaden - Rund 40 Teilnehmer waren der Einladung des Nationalparks gefolgt, der erstmals einen Waldtag veranstaltete. Rund um die Kührointalm auf über 1400 Metern Höhe drehte sich am Samstagmorgen alles um das Thema Waldentwicklung. Und dazu hatten Roland Baier und seine Mitarbeiter einige spannende Erkenntnisse zu liefern. Da staunten auch Forstexperten aus dem benachbarten Traunstein oder von der bayerischen Forstverwaltung.

Nationalpark-Leiter Roland Baier führte zusammen mit seinen Mitarbeitern durch den Waldtag.

„Dank der Revierleiter haben wir in den vergangenen 15 bis 20 Jahren sehr positive Veränderungen erlebt“, so der Leiter des Parks. Baier erinnerte daran, dass das Gebiet früher als Salinenwald genutzt und dabei regelrecht „ausgeplündert und übernutzt“ wurde. „Überwiegend Fichtenbestände und kaum Bergmischwald“, fasste er zusammen. Die menschlichen Eingriffe waren deutlich sicht- und spürbar bei der Gründung des Nationalparks im Jahr 1978.

Flächen sich selbst überlassen

Wie so oft beim Thema Waldentwicklung dauert es viele Jahre und Jahrzehnte, ehe sich die Auswirkungen von Maßnahmen zeigen. Wobei es beim Nationalpark eher heißen müsste: die Auswirkungen von der Maßnahme, nichts zu tun. Um zu beobachten, was ohne menschliche Eingriffe passiert, wurden einige ausgewählte Flächen sich selbst überlassen. Zum Beispiel ein Tal in der Nähe der Kührointalm, in dem 1999 eine Lawine abging. Ein Foto von damals und der aktuelle Blick in das Tal machten den Vorher-Nachher-Vergleich besonders deutlich.

„Aus dem Totholz ist ein junger, intakter Wald entstanden“, bestätigte Baier. Das Gleiche gilt für eine Fläche im Klausbachtal, von der sich die Grünen-Politikerin Katharina Schulze vor wenigen Monaten ein Bild machte. Hier hatte der Sturm Wiebke 1990 gewütet und zahlreiche Bäume schwer beschädigt. Auch hier zeigte sich: Ohne den Eingriff des Menschen erholte sich der Wald, mit positiven Auswirkungen auf die Biodiversität und Artenvielfalt. Die Forschungsergebnisse zeigen: „Störungen“ wie Stürme fördern sogar die Waldstruktur, wenn nur kleine Flächen betroffen sind.

Die Borkenkäfer befallen aufgrund der Topografie nur kleinere Fichten-Bestände.

Warum der Borkenkäfer (noch) nicht so erfolgreich ist

Freilich lassen sich die Ergebnisse aus dem Nationalpark nicht auf jeden anderen Wald übertragen. Deutlich wird das unter anderem beim Borkenkäfer. Während im Bayerischen Wald oder im Harz ganze Landstriche quasi „leergefressen“ werden, sind hier nur kleine Fichten-Bestände betroffen. Natürlich begünstigen auch in den Berchtesgadener Alpen Großereignisse wie Stürme den Borkenkäferbefall. Aber aufgrund der Topografie und der heterogenen Gebirgslandschaft tun sich die Insekten schwerer, die Höhen und Tiefen zu überwinden, um großflächig Beute zu finden.

Ein weiterer Vorteil: Im Nationalpark leben zahlreiche natürliche Fressfeinde wie der Dreizehenspecht, die sich an den Borkenkäfern regelrecht fett fressen.

Keine Garantien

„Und man muss dazu sagen, dass die Lawinen im Nationalpark die häufigste Störung darstellen, noch vor dem Borkenkäfer und Stürmen“, so Michael Maroschek von der Abteilung Forschung und Monitoring. Er machte genauso wie seine Kollegen aber auch deutlich: Es handelt sich um Momentaufnahmen, auf die sich der Nationalpark nicht blindlings für immer verlassen kann. Passend dazu äußerten sich ein Förster und auch ein Mitarbeiter der Bayerischen Forstverwaltung, dass sich im benachbarten Traunsteiner Landkreis in manchen Gebieten das Blatt bereits drehe und immer größere Flächen von den Insekten befallen werden.

Der Wald bewegt sich.

Michael Maroschek, Abteilung Monitoring und Forschung

Deutlich wird das beim Klimawandel, dessen Folgen im Nationalpark spürbar und dokumentierbar sind. Anhand von Luftaufnahmen und mithilfe von KI stellten die Mitarbeiter fest, dass der Wald immer weiter nach „oben“ in Richtung der Gipfel wandert. „Der Wald bewegt sich“, machte Maroschek klar.

Wie der Nationalpark den Klimawandel simuliert

Um die Folgen des Klimawandels zu untersuchen, wird dieser an 72 Standorten des Nationalparks simuliert: Ab dem Frühjahr wird in diesen eingezäunten Flächen der Schnee entfernt. „Da passieren viele spannende Dinge“, berichtete Maroschek und erklärte, dass dort die Vegetationsperioden früher starten und damit auch größere Pflanzenfresser früher angelockt werden. „Für die Frage, wie sich die Klimaveränderungen auf die Waldverjüngung auswirken, können wir trotzdem keine exakten Prognosen liefern“, betonte er.

Die Natur weiß am besten, was zu tun ist.

Daniel Müller vom Parkmanagement

Die Forschungsergebnisse fließen dann ins Parkmanagement, für das Daniel Müller zuständig ist. Anhand eines Waldentwicklungsplans werden dann Maßnahmen umgesetzt, um die Waldverjüngung voranzutreiben. Außerhalb der Borkenkäferbekämpfungszonen und der Verkehrswege ruht die Motorsäge, betone er. „Die Natur weiß am besten, was zu tun ist“, meinte er. Die Aufgabe der Revierleiter sei es, nicht zu viel und nicht zu wenig einzugreifen. Gezielt werden zum Beispiel Jungbäume gepflegt oder der Wildbestand reguliert, um den Jungbäumen auch Chancen zum Wachsen zu geben.

Auf die Frage eines Teilnehmers, ob der Nationalpark mit Neophyten, also eingeschleppten und gebietsfremden Pflanzen zu kämpfen hat, antwortete Müller: „Auch wenn wir ein Monitoring haben und vereinzelt Maßnahmen treffen müssen, spielen sie bei uns bislang keine Rolle. Aber wir dürfen uns nicht in Sicherheit wiegen.“ Das Eschentriebsterben gebe es seit 2006 in der Region. Aktuell sei noch unklar, wie sich die Nadelbräune auf die Latschen auswirke. Diese sei immerhin auf circa 700 Hektar im Park zu finden. „Momentan sieht es nicht so aus, dass wir hier ein größeres Latschen-Sterben erleben. Aber das kann sich jederzeit ändern, wir beobachten die Entwicklung.“

Und auch das Himalaya-Springkraut, auch Drüsiges Springkraut genannt, musste bereits bekämpft werden. Müller: „In der Kernzone werden wir einmal dagegen vorgehen. Aber wenn solche Neophyten dann immer noch da sind oder sich zu großräumig verbreitet haben, sind sie Teil des Nationalparks und des Ökosystems.“ (ms)

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