Der Trainer der kanadischen Rodler im Portrait
Mit zwei Taschen von Maria Gern nach Calgary - Robert Fegg über sein Leben in Kanada
Viel herumgekommen ist Robert Fegg, der Cheftrainer der kanadischen Rennrodler. Im Gespräch mit BGLand24.de erzählt er von seinem Aufbruch aus Berchtesgaden, dem Rodelsport in Nordamerika und warum er weder hier noch dort Angst vor Bären hat.
Berchtesgaden - Der gebürtige Berchtesgadener Robert Fegg lebt inzwischen seit 16 Jahren in Kanada, genauer gesagt, etwa eine halbe Stunde nördlich von Calgary. Dort ist der ehemalige Rennrodler Cheftrainer des kanadischen Nationalteams. Zuvor trainierte er Athleten in Südkorea und den USA. Viel herumgekommen ist er - und dennoch seiner Heimat verbunden geblieben.
Die Karriere von Robert Fegg
1997: Goldmedaille im Einzel und mit der deutschen Mannschaft bei den Juniorenweltmeisterschaften
1998: Goldmedaille mit der Mannschaft und Silber im Einzel bei den Juniorenweltmeisterschaften
1999: Vierter Platz im Einzel bei den Rennrodel-Weltmeisterschaften, Silbermedaille mit dem Team
2001: Vizemeister bei den Deutschen Meisterschaften
2003-2010: Nationaltrainer Kanadas
2010-2014: Verantwortlich für die Entwicklung der Junioren-Nationalmannschaft als Juniorencheftrainer
2014-2018: Teil des Nationaltrainer-Teams von Südkorea für die Vorbereitung der Olympischen Winterspiele 2018
2018-2019: Cheftrainer der US-amerikanischen Rennrodeljunioren
2020: Cheftrainers des US-amerikanischen Rennrodelnationalteams
Seit April 2022: Cheftrainer des kanadischen Rennrodelnationalteams
Ein Berchtesgadener geht nach Amerika
„Ich habe einfach einen kompletten Schlussstrich gezogen und alles verkauft. Was ich nicht verkaufen konnte, habe ich weggeschmissen.“ - So beschreibt Fegg seinen Aufbruch nach Kanada im Jahr 2007. Mit nur zwei Taschen fährt er zum Flughafen. „Und mit meinem Snowboard. Das habe ich bis heute noch nicht ausgepackt“, lacht er. Den Neustart empfindet der damals 28-Jährige als sehr aufregend. „Es war schon eine große Umgewöhnung. Gerade, wenn du aus so einem Bergdorf wie Maria Gern kommst. Es war aber auch ganz was Feines. Ich musste auf keinen mehr Rücksicht nehmen. Ich war allein. Ich konnte mir meine Wohnung einrichten, wie ich wollte. Das war eine richtige Junggesellenbude.“
Doch die Liebe lässt nicht lang auf sich warten. Etwa ein Jahr später begegnet er seiner jetzigen Frau, die als Zuschauerin bei einem Rennen in Calgary dabei ist. Zu der Zeit dürfen die Trainer noch die Athleten beim Start auf dem Tower begleiten. „Ich schaute in die Menge runter. Und da stand sie. Dann habe ich in typisch bayerischer Aufreißermanier mal runtergezwinkert. Dann hat sie hochgezwinkert. Als der Athlet dann unterwegs war, bin ich runter zu ihr und habe mich mit ihr unterhalten. Jetzt sind wir zwölf Jahre verheiratet.“ Das Ja-Wort gegeben haben sich die beiden in Kanada - in Dirndl und Lederhose.
Natürlich ist Feggs Job eine Herausforderung für die Familie mit zwei Kindern. Während seiner Auslandstätigkeiten in Südkorea und den USA wohnt er zwar in Kanada, ist allerdings ständig unterwegs: Dreimal im Sommer für je zwei Wochen sowie durchgehend von Anfang Oktober bis Ende Februar. „Es ist schwer für die Familie. Meine Frau ist ein halbes Jahr lang single parent. Aber man arrangiert sich. Im Sommer macht sie dann mal etwas für sich“, erklärt Fegg. Seit über einem Jahr ist er wieder in Kanada tätig. Zumindest kommt er nun im Sommer wieder jeden Tag nach Hause und nutzt auch die Option Home Office.
Internationale Unterschiede im Rodelsport
Das Niveau des Rodelsports nimmt der 44-Jährige in seiner Wahlheimat anders wahr als in Zentraleuropa. Deutschland sei inzwischen nicht mehr die extrem dominante Nation. Die Österreicher, Italiener und Letten hätten gewaltig aufgeholt. „In Nordamerika ist es unglaublich schwer, weil der Rodelsport ein sehr europäischer Sport ist und logistisch gesehen ist alles in Europa aufgebaut. Es wird zwar versucht, Nordamerika und Asien mit einzubeziehen. Allerdings noch nicht sehr erfolgreich.“ Das schlägt sich natürlich auch bei den Finanzen nieder: „Mein Reisebudget pro Jahr ist ungefähr doppelt bis dreimal so hoch wie das von einem Zentraleuropäer. Wir müssen unser Material mitnehmen, unser Werkzeug und die Athleten. Das nimmt auch vom Programm weg, weil ich Geld in Reisen stecken muss, das ich gerne in Athleten stecken würde.“ Der Trainer geht davon aus, dass es beim Rodelsport in Nordamerika nie so eine Dichte und Tiefe wie in Europa geben wird.
Der erste Urlaub in der alten Heimat seit zwölf Jahren
Die Zerstörung seiner Heimat-Rodelbahn am Königssee im Jahr 2021 hat er sehr schnell über die Nachrichten mitbekommen, schließlich liest er täglich die deutschen Medien. „Das war schon brutal. Normalerweise bin ich in solchen Sachen relativ gefühlskalt, aber das ist mir schon nahe gegangen. Da kommen dann all die Erlebnisse in Erinnerung. Als Athlet, als Trainer. Und die Jugendrennen damals.“ Daher spricht er sich auch für den Wiederaufbau aus: „Das ist wie der Hahnenkamm im Skisport.“
Als die Bahn noch stand, hat es ihn einmal pro Jahr beruflich in die alte Heimat verschlagen. Dabei hat er auch immer seine Familie in Maria Gern besucht. Nun ist Fegg für zwei Wochen rein privat und auf Urlaub in der Gegend. Zum ersten Mal seit 2011. Sein neunjähriger Sohn war bisher noch nie in Bayern, spricht aber dank des Vaters auch bayerisch. „Die Zunge heißt bei ihm nicht Zunge, sondern Bletschari.“ Die beiden absolvieren gerade das gesamte Touristen-Programm: Watzmanntherme, Salzbergwerk, Porsche Museum, Salzburg. Doch der Sohnemann freut sich besonders auf die Burg Hohenwerfen. „Burgen kennen die Kanadier nur aus dem Buch. Er glaubt nicht, dass so etwas echt ist“, schmunzelt Fegg.
Der Trainer fühlt sich wohl in Kanada - trotz Klimawandel und Bären
Zurück in die Heimat zieht es den Rennrodeltrainer nur noch im Zusammenhang mit einem Urlaub. In vier Jahren plant er, mit der gesamten Familie wieder zu Besuch zu kommen. In Kanada fühlt er sich wohl. „Mein Traum war die Wildnis. Ursprünglich wollte ich bis 40 arbeiten. Alles auf die Seite legen und irgendwo ein Grundstück weit, weit draußen kaufen. Zweimal im Jahr zum Geschäft fahren und Sachen kaufen, die ich selbst nicht anpflanzen kann und vom Ersparten leben.“ Doch dann habe er seine Frau kennengelernt, und der Plan war zu Ende.
Inzwischen lebt die Familie in einem kleinen Dorf, nicht weit weg von der Stadt, aber auch nah an den Bergen. Ein guter Kompromiss. „Das Stadtleben ist nach wie vor nichts für mich. Da werde ich deppert.“ Den Klimawandel merkt Fegg aber auch in Kanada: „Im Sommer ist eine Schweinshitze, oftmals über 30 Grad, das ist zu viel. Aber im Winter kann es dafür vier Wochen lang durchgehend minus 30 Grad haben. Was nicht so schlimm ist wie hier, weil die Kälte nicht so nass ist. Man lernt damit umzugehen.“
Die Angst mancher Leute vor der Tatsache, dass inzwischen sogar im Berchtesgadener Talkessel der Bär nachgewiesen wurde, kann der Wahlkanadier nur belächeln. „Der Bär gehört zum Leben dazu. In meinem Garten war er noch nie, aber ich habe schon viele Bären gesehen. Ich bin auch schon nah dran gewesen, obwohl ich nicht wollte. Die sind einfach da. Aber da gibt es gewisse Regeln, wenn man die einhält, tut er auch nichts. Der deutsche Bär ist da nicht anders als der kanadische. Ich tu ihm nichts, er tut mir nichts. Das ist wie mit der Biene.“
mf