Findet sich ein Versicherer in Schönau am Königssee?
Kunsteisbahn-Sanierung auf dünnem Eis: Kostenüberschreitung und Zweifel an Nachhaltigkeit
Die Planungen an der Kunsteisbahn vor der Katastrophe vor zwei Jahren seien nicht falsch gewesen, sagt Kilian Scharrer, Geologe und im Planungsteam der Kunsteisbahn. Diesen Vorwurf müssen sich er und sein Team immer wieder gefallen lassen. Ein Unwetter hatte die Bahn in Teilen zerstört. Mit 53,5 Millionen Euro soll der Wiederaufbau nun erfolgen. Der Kreistag genehmigte die Vorentwurfsplanung, auch wenn Kritik am Großprojekt bleibt.
Berchtesgadener Land/Schönau am Königssee - Weil es um Steuergeld geht, das in die Bahn fließen soll, müsse die Frage erlaubt sein: „Braucht es das?” Für Franz Rasp (CSU), Kreisrat und Bürgermeister Berchtesgadens, ist die Antwort klar: „Die Planungen sind gut, sinnvoll und richtig.” Alle geologischen Maßnahmen würden berücksichtigt. „Unsere Fraktion steht zum Wiederaufbau”, sagt er - und erlaubt sich eine Spitze: „Wir freuen uns auf eine kostengerechte Sanierung.”
Die Frage nach den Kosten treibt die Kreispolitiker derzeit um. Die Planer haben zwar einen Weg gefunden, mit dem sie die Bahnsanierung in Prioritäten einteilen. Dennoch kratzt die Kostenschätzung nur knapp an den zur Verfügung stehenden Finanzmitteln. Die Wildbachverbauung könnte aus anderen Töpfen finanziert werden. Dennoch: Viel Platz nach oben bei eventuellen Kostensteigerungen gibt es nicht.
Langfristige Zielsetzung hin zu einem CO2-freien Betrieb
Kreisrat Hans Metzenleitner sagt, die Grundlage sei gut, „die Zeit wurde genutzt”. Eine ernsthaftere Untersuchung wie hier könne er sich bei bestem Willen nicht vorstellen. Allen Kritikern entgegnet er: „Wir bauen nichts Neues, wir sanieren nur.” Dass die Kunsteisbahn Relevanz habe, sei nicht von der Hand zu weisen: Rund 29.000 Fahrten, so hat Metzenleitner recherchiert, seien in dem Jahr vor der Zerstörung 2021 erfolgt. Sein Wunsch: Dass bereits vor 2027 wieder auf der Bahn trainiert werden könne.
In Sachen Nachhaltigkeit ist der SPD-Mann guter Dinge: „Die Kunsteisbahn wird weniger Energie verschlingen als bisher.” Eine neue LED-Beleuchtung ist so gut wie gesetzt. Viele Fragezeichen gibt es, ob die Bahn aber tatsächlich CO2-neutral laufen wird. Das war der Wunsch des Bob- und Schlittenverbands für Deutschland. Allerdings müssten dafür voraussichtlich höhere finanzielle Mittel aufgewendet werden. „Die langfristige Zielsetzung bleibt, zu einem CO2-freien Betrieb zu kommen”, sagt Metzenleitner. Und: „Das kann aber dauern.” Metzenleitner unterstrich: Man dürfe den Kostendeckel von 53,5 Millionen Euro nicht reißen. Landrat Bernhard Kern und die Kreisräte zeigen sich dahingehend einig, dass keine zusätzlichen Landkreismittel in den Wiederaufbau investiert werden.
Auch Michael Koller (Freie Wähler) setzt sich für die Sanierung ein. „Sport bleibt eine gute Möglichkeit, sich international zu verständigen. Das tut dem Landkreis als Gastgeber gut.”
Grünen-Kreisrat: Hemdsärmelige Beurteilung der Maßnahmen
Deutlich kritischere Worte fand Grünen-Kreisrat Dr. Bartl Wimmer: „Meine Beziehung zu der Bahn ist keine reine Liebesbeziehung”, sagt er. In seiner Fraktion sind die Stimmen gespalten. Wimmers Meinung zu den Steinschlagschutzuntersuchungen: „Sie sind hemdsärmelig umgesetzt.” Die Planungskosten - mit mehr als 30 Prozent liegen diese bei fast einem Drittel - seien sehr hoch, ächzte der Kreisrat. „Glauben Sie mir, die werden wir uns noch im Detail ansehen”, sagte Wimmer. Immerhin geht es bislang noch um den Vorentwurf der Planung. Der Grünen-Politiker fordert zudem ein Modell zur Veranschaulichung. Er will die Gegebenheiten mit den Schutzverbauungen in Realität betrachten können, nicht nur skizzenhaft auf Papier - um die Dimensionen besser einschätzen zu können. Kein Problem, sagen die Planer. Sie wollen dem Wunsch nach einem Modell nachkommen.
Dass der Schutt auch knapp zwei Jahre nach der Unwetterkatastrophe noch immer nicht weggeräumt wurde, kritisiert er. Noch dieses Jahr sollen die Aufräum- und Vorbereitungsarbeiten für die Sanierung starten.
Wimmer wertete die zunächst vom Bob- und Schlittenverband für Deutschland getroffene Aussage, eine klimaneutrale Kunsteisbahn schaffen zu wollen, als „ein positives Signal”. Dabei wird es wahrscheinlich zunächst auch bleiben, weil die Kosten der Sanierung auf Kante genäht sind.
Agnes Thanbichler (ödp) wollte der Vorentwurfsplanung keine Zustimmung erteilen: „Das ist die einzige Bahn, die in einem Hochrisikogebiet auf einem Schwemmkegel errichtet wurde. Diese Gefahren muss man ernst nehmen”, sagte sie. Die getroffenen Maßnahmen erachtet sie als nicht ausreichend. Der Schutzwald hinter der Bahn befinde sich zudem in einem labilen Zustand. „Alles, was da in den Spitzensport investiert wird, ist eine freiwillige Leistung.”
Felix Loch: „Sportstätten sind teuer, aber wichtiger als jemals zuvor“
Auch Spitzensportler und Mehrfacholympiasieger Felix Loch hat sich mittlerweile auf seinem Facebook-Account zum Stand der Kunsteisbahn geäußert und sagt: „Die eigentliche Frage ist doch: Wollen wir uns als Gesellschaft Breiten- und Leistungssport ‚leisten’? Ja oder nein? Wollen wir deutsche Medaillen bei Olympischen Spielen und Weltmeisterschaften haben? Ja oder nein? Wollen wir als Gesellschaft Vorbilder im Sport haben oder nicht?” Loch nutzt eine Suggestivfrage: Den Kindern Sport ermöglichen oder „doch besser vorm Handy abstellen”? Seine Meinung: Sportstätten seien teuer, aber wichtiger „als jemals zuvor: für die Kids und deren Zukunft”.
Kreisrat Manfred Hofmeister (Bürgerliste) kritisiert die Art und Weise, wie der Wiederaufbau der Bahn vollzogen wurde: „Es wurde von Anfang an gesagt, dass die Bahn wieder aufgebaut wird. Normalerweise macht man eine Risikoanalyse, stellt Handlungsoptionen auf und macht sich dann Gedanken.” Mit dem umgekehrten Weg sei das gesamte Verfahren beeinflusst worden.
Frage nach dem Versicherungsschutz bleibt offen
Wichtig sei die Frage nach dem Versicherungsschutz: „Wird die Bahn künftig versichert sein?” Tatsächlich ist diese Frage noch nicht geklärt, ob sich ein Versicherer finden wird, der die Bob- und Rodelbahn aufnimmt und im Fall der Fälle bei Schäden zahlt.
Gut investiertes Geld ist der Wiederaufbau für Wolfgang Koch (AfD): „Ich bin ein Verfechter des Aufbaus. 53,5 Millionen Euro sind besser am Königssee investiert, als das Geld ins Ausland zu tragen”, sagte Koch nüchtern.
Kreisrat Bernhard Heitauer (CSU) ist sich sicher: „Es wäre ein fatales Zeichen, wenn man die Kunsteisbahn rückbauen würde. Das wäre so, als würde man die Streif am Hahnenkamm aufforsten.”
Ganz anders sieht das Kreisrat Dr. Bernhard Zimmer (Grüne). Er zeigt nur wenig Verständnis: „Hier findet Klimawandel und Planung in einem Risikogebiet statt, in dem die Baumaßnahme mit einer hemdsärmeligen Beurteilung erfolgte.” Schon einmal seien Fehler bei einem Teil der Bahn gemacht worden. Zimmer kann nicht nachvollziehen, wieso man - Stand heute - einen Vorentwurf präsentiert, der ohne Klimaneutralität auskommt, bei einer Bahn, die immer als Vorreiter galt.
Der Vorentwurfsplanung samt Kostenschätzung wurde am Ende zugestimmt - mit Gegenstimmen aus der Grünen-Fraktion und der ödp.
kp