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Bald neue Details zum Sparkassen-Projekt

Die letzten Tage der Kurdirektion Berchtesgaden

Die ehemalige Kurdirektion in Berchtesgaden wurde abgerissen. Die Bauarbeiter waren tagelang mit Baggern damit beschäftigt, das Gebäude einzureißen und den Bauschutt auf Lkw wegzufahren.
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Die letzten Tage der alten Kurdirektion Berchtesgaden.

Ende der 1930er-Jahre erbaut, erlebt die ehemalige Kurdirektion in Berchtesgaden jetzt ihre letzten Tage. Das Gebäude wird abgerissen, damit die Sparkasse Berchtesgadener Land ein Wohnraumprojekt für Firmen umsetzen kann. Erste Details wurden vor einigen Wochen bekannt, weitere sollen bald folgen. Eine Chronologie.

Berchtesgaden - In den vergangenen Wochen schepperte und staubte es ordentlich an der B20/Königsseer Straße. Stück für Stück arbeitete sich ein Bagger durch die Wände und Dachbalken, pflügte immer wieder Stücke heraus - und sorgte damit für die letzten „Atemzüge“ der ehemaligen Kurdirektion. Mit der Auflösung der Berchtesgadener Land Tourismus GmbH (BGLT) im Jahr 2020 entschied sich der Zweckverband Bergerlebnis Berchtesgaden, die Verwaltung in einem Haus - im AlpenCongress - zusammenzufassen. Weil auch die Tourist-Information dorthin umzog, stand die Kurdirektion seitdem leer, wie eine Sprecherin des Zweckverbandes erklärt. „Daher wurde entschieden, das Gebäude mit der Vorgabe, Mitarbeiterwohnungen zu bauen, zu veräußern“, teilt sie mit.

Die Suche nach einem Käufer gestaltete sich schwierig, und zwischenzeitlich musste der Zweckverband von seinem ursprünglichen Ziel, bezahlbaren Wohnraum auf diesem Grundstück zu ermöglichen, etwas abweichen. Mit der Sparkasse Berchtesgadener Land wurde man sich schließlich einig, die Bank will dort Mitarbeiterwohnungen für Firmen bauen lassen. Ein Projekt, das damit trotzdem für etwas Entspannung auf dem Wohnungsmarkt sorgen könnte. Ende Dezember drangen bei einer Vorstellung im Gemeinderat die ersten Details an die Öffentlichkeit. Doch weiter will sich die Sparkasse nicht in die Karten blicken lassen und gibt sich auf Nachfrage, wie es auf dem Grundstück weitergeht, noch bedeckt.

Weitere Informationen im Frühjahr

„Die Sparkasse Berchtesgadener Land plant hier notwendigen Wohnraum zu schaffen und die Wohnungen an heimische Unternehmen zur Unterbringung von Mitarbeitern zu vermieten“, erklärt eine Sprecherin. „Nach Erhalt der Baugenehmigung und Feststehen der wesentlichen Details, werden die Verantwortlichen der Sparkasse Berchtesgadener Land gemeinsam mit dem Zweckverband Bergerlebnis Berchtesgaden im Frühjahr 2024 eine Pressekonferenz abhalten und nähere Informationen zum Bauprojekt bekannt geben.“ Wie dringend Mitarbeiterwohnungen benötigt werden und wie groß die Nachfrage ist, bestätigte die IHK auf Nachfrage.

Ende der 30er-Jahre erbaut, kann die Kurdirektion durchaus eine bewegte Historie vorweisen, wie ein Blick in die Vergangenheit verdeutlicht:

  • Im Archiv des Oberbayerischen Volksblatts (OVB) findet sich ein erster Treffer zur Kurdirektion am 23. Januar 1926 im damals noch existierenden Rosenheimer Tagblatt Wendelstein: Die Kurdirektion machte in einer kleinen Meldung die aktiven Wintersportler auf eine Neuerung der Reichsbahndirektion aufmerksam, mit der auch Schnellzüge genutzt werden konnten. „Ein Vorteil, der gerade den Sonntagsausflüglern zustatten kommt, sowie den Interessenten, die am Sonntag, dem 24. Januar 1926, nach Berchtesgaden kommen, um teils als aktive Sportler, teils als Zuschauer bei der Bayerischen Rodelmeisterschaft anwesend zu sein.“
  • In den darauffolgenden Jahren finden sich mehrere Verleihungen der Silbermedaille an treue Kurgäste im Archiv, ehe die Kurdirektion am 23. Juli 1948 im OVB die Wiederaufnahme des Fremdenverkehrs ankündigt, nachdem dieser durch die Auswirkungen der Währungsreform unterbrochen wurde. Eine Berchtesgadener Trachtengruppe sollte in zwölf Städten des Ruhrgebietes Werbung für die Region machen - mit Farblichtbilder- und Gesangsvorträgern und Schuhplattlern.
  • Am 9. August 1949 wird im OVB die Erschließung des Obersalzberges bekannt gegeben. „In Berchtesgaden wurde dieser Tage eine Postautoverbindung zum Roßfeld in 1551 Meter Höhe und zur Ofneralm eröffnet. Damit sind alle öffentlichen Verkehrsstrecken im Gebiet des Obersalzberges wieder für die Allgemeinheit erschlossen. Die Kurdirektion Berchtesgaden veranstaltet jeden Donnerstag Fremdenführungen durch das Ruinengelände um Hitlers einstigen Berghof und die Göring-Villa.“
  • Die „beträchtlichen Anstrengungen des Fremdenverkehrsverbandes“, mehr Wintersportgäste in den Talkessel zu locken, wurden ausführlich in einem OVB-Artikel am 28. Oktober 1964 beleuchtet. Im Sommer wurden damals 1,8 Millionen Übernachtungen verbucht, im Winter rund 400.000. Für den damaligen Kurdirektor war klar, dass es im Berchtesgadener Land „mehr Wintersportgäste haben müsste“, denn: Im Sommer stehen 22.000 Betten, im Winter aber nur 5000 zur Verfügung. Schon damals wurde die Bedeutung des Fremdenverkehrs auf die Gemeindefinanzen deutlich: Rund 80 Prozent der Einnahmen standen direkt oder indirekt damit in Verbindung. Die Kurdirektion als Leitstelle des Fremdenverkehrsverbandes verfügte über einen Etat von zwei Millionen Mark jährlich. Der Ausbau des Roßfelds zu einem „herrlichen Skigebiet“, die Entstehung der Kunstrodelbahn am Königssee, Zuschüsse für Teilnehmer der fünf Skischulen, Ski-Wanderstrecken, 15 Skilifte: Der Verband war mehr als umtriebig. Besonders stolz war der damalige Kurdirektor darauf, dass der Verband als erster deutscher Wintersportort ein Spezialraupenfahrzeug aus der Schweiz zur Pistenpflege für 60.000 Mark gekauft hat. „Wir müssen unseren Gästen etwas bieten“, lautete damals seine Devise.
  • „Hitlers Obersalzberg-Bunker zugemauert“ lautete die Überschrift eines Artikels vom 29. August 1966. Auf Anordnung des Bayerischen Finanzministeriums wurde das Ende der Touristenattraktion eingeläutet, doch die damalige Grundeigentümerin wehrte sich dagegen. Gegen eine Gebühr von einer Mark, die von der Besitzerin eines Hotels erhoben wurde, konnten die Gäste die Gemächer des Bunkers, der Hitler und seiner Gefolgschaft als Unterschlupf dienen sollte, ansehen. Die Kurdirektion war sich damals einig: Auf eine solche Art von Touristenattraktion könne man getrost verzichten.
  • Mit einem Computer für die Kurgäste, einem medizinischen Wetterbericht und beheizten Pergola zum verbesserten Wohlbefinden versuchte die Kurverwaltung weiterhin alles, um die Gäste ins Berchtesgadener Land zu locken. Es wurde sogar ein Börsenbericht sofort nach Börsenschluss vorgelegt, damit es wirklich an nichts fehlt. Geschäftsführer Günter Stopperich wurde in einem OVB-Artikel vom 2. August 1967 folgendermaßen zitiert: „Wir wissen, dass wir gegen das Ausland nur dann konkurrenzfähig bleiben, wenn alles Erdenkliche für den Gast unternommen wird. In anderen Ländern hat man die Sonne und hier die Sorgen. Glücklicherweise reißt bei uns häufig der Föhn das Wetter heraus, sodass es bei uns meist weniger regnet als anderswo.“
  • In einer Meldung vom 22. Dezember 1967 nahm die Kurdirektion Berchtesgaden unter „großer Anteilnahme der kurz vor Antritt seines Ruhestandes gestorbene Leiter, Engelbert Aigner, beerdigt“. Vom damaligen Landrat Rudolf Müller wurde Aigner als „Pionier des Berchtesgadener Fremdenverkehrswesens bezeichnet, für das er drei Jahrzehnte aktiv war. Neuer Kurdirektor wurde der bisherige Geschäftsführer Stopperich.
  • Dieser bekam viele Jahre später ordentlichen Gegenwind: „Dem Kurdirektor wurde kräftig eingeheizt“, hieß es in der Wochenendausgabe vom 19./20. Februar 1977. Über 200 Feriengäste aus Hamburg, Hessen, Berlin und München kamen, um über die guten und schlechten Seiten des Berchtesgadener Fremdenverkehrs zu sprechen. Einheimische wurden nicht eingeladen. Der Kurdirektor sei durch massive Kritik aus den Reihen der Gäste manchmal sehr ins Schwitzen geraten, „sein Bürgermeister musste ihm einige Male Schützenhilfe leisten“.

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