Nach Verkauf der Kurdirektion Berchtesgaden
Firmen drängen auf Wohnungsmarkt: IHK erhält „eindeutige Rückmeldungen“
Lange Zeit passierte nichts, doch vor wenigen Tagen wurde klar: Die ehemalige Kurdirektion in Berchtesgaden ist an die Sparkasse Berchtesgadener Land verkauft worden. Dort sollen Mitarbeiterwohnungen errichtet werden, wie die Bank auf Nachfrage bestätigt. Dass sich Unternehmen auf die Suche nach Wohnraum für ihre Angestellten begeben, ist laut der IHK verstärkt zu beobachten. Die Entwicklung dürfte noch weiter zunehmen.
Berchtesgaden - Es sollte unter Auflagen bezahlbarer Wohnraum entstehen, verwirklicht auf dem Grundstück der ehemaligen Kurdirektion. Lange Zeit war dies der Plan des vorherigen Besitzers, des Zweckverbandes Berchtesgaden. Die 1,3 Millionen Euro wollte niemand zahlen, ehe Anfang November eine überraschende Wendung bekannt gegeben wurde: Die Sparkasse Berchtesgadener Land hat sich die Kurdirektion samt Grundstück am großen Kreisverkehr an der B20 gesichert. Wie die Bank mittlerweile bestätigt, sollen dort Mitarbeiterwohnungen errichtet werden. Wie konkret die Planungen sind, was mit dem Gebäude passiert und wann es überhaupt losgehen soll: Diese Details sollen laut einer Sprecherin der Sparkasse erst im Frühjahr 2024, wenn die Baugenehmigung erteilt wurde, gemeinsam mit dem Zweckverband veröffentlicht werden. Doch wieso dürfte die Sparkasse nach Einschätzung der IHK nicht die letzte Firma gewesen sein, die sich nach Wohnraum für ihre Angestellten umsieht?
Auch wenn sich die Bank noch bedeckt hält bei den Details und Hintergründen: Ein Rolle dürfte mit Sicherheit der Fachkräftemangel spielen. Denn laut der IHK befinden sich immer mehr heimische Firmen auf der Suche nach Wohnraum für Mitarbeiter, um attraktiver zu werden. „In Rosenheim oder München ist die Situation natürlich noch angespannter, aber selbst abseits der Ballungsgebiete im ländlichen Raum wird der Druck immer größer”, sagt Florian Reil von der IHK München und Oberbayern. „Die Rückmeldungen der Betriebe sind dabei eindeutig: Ohne bezahlbaren Wohnraum keine Arbeitskräfte.“
Der Kampf um die Angestellten von morgen
Die Verfügbarkeit von Wohnraum zu bezahlbaren Preisen sei ein zentrales Standortkriterium. Denn: Wenn potenzielle Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter keine geeignete Wohnung finden oder diese nicht bezahlen können, entscheiden sie sich für eine andere Region und damit für einen anderen Arbeitgeber. Reil: „Deswegen steigt auch die Nachfrage nach Mitarbeiterwohnungen und immer mehr Unternehmerinnen und Unternehmer beschäftigen sich zunehmend damit. Viele sind bereits aktiv geworden und stellen den eigenen Beschäftigten Wohnungen mit relativ günstigen Preisen zur Verfügung.” Konkrete Zahlen dazu liegen der IHK jedoch nicht vor, wie der Sprecher erklärt.
Bei der Wohnungssuche gehen die Unternehmen, abhängig von Branche und Firmengröße, sehr individuell vor. Dabei werden unterschiedliche Formen gewählt:
- Klassischer Werkwohnungsbau: Ein Unternehmen erstellt für seine Mitarbeiter Wohnraum auf eigenem Grund. Diese Wohnungen werden vorwiegend Betriebsangehörigen zur Verfügung gestellt.
- Zusammenarbeit mit wohnungswirtschaftlichen Partnern: Das kann beispielsweise die Anmietung von Wohnraum in Boardinghäusern oder von privatwirtschaftlich organisierten Vermietern bedeuten.
- Zusammenarbeit mit kommunalen Wohnungsbaugesellschaften: Darunter fällt die Möglichkeit, Wohnraum für Mitarbeiter anzumieten mit zeitlich befristete Belegungsrechten.
Reil: „Wohnraum wird für den Gewinn neuer Arbeitskräfte sowie die Bindung der bisherigen Arbeitskräfte – auch im Kontext der Zuwanderung ausländischer Arbeitskräfte – in Deutschland dringend benötigt.” Daher müssten ganz grundsätzlich die Rahmenbedingungen so verbessert werden, dass weiterhin in den Wohnungsneubau (und -bestand) investiert werden könne. Dazu brauche es von politischer Seite verlässliche Rahmenbedingungen, so der IHK-Sprecher.
Firmen helfen sich selbst
Konkret sind aber auch Förderprogramme für den Werkswohnungsbau und gezielte Anreize und Zuschüsse für Investitionen in diesem Bereich nötig. Unternehmen behelfen sich bereits heute, „indem sie sich mit starken Partnern aus der Wohnungswirtschaft oder anderen Unternehmen zusammentun, die vor den gleichen Herausforderungen stehen”.
Reil geht auch davon aus, dass der Fachkräftemangel noch omnipräsenter wird. Bäcker, Kindertagesstätten, Bus und Bahn, um nur wenige Beispiele aus dem Alltag zu nennen: Immer häufiger kann es zu Ausfällen oder verkürzten Öffnungszeiten kommen.
Man wird sich in Deutschland auf Einschränkungen einstellen und diese hinnehmen müssen.
Denn: Laut Berechnungen der IHK wird es bis zum Jahr 2030 insgesamt 1,3 Millionen Menschen mehr geben, die in Rente gehen, als nach der Schule oder dem Studium auf den Arbeitsmarkt nachkommen. Digitalisierung, Automatisierungen, Künstliche Intelligenz und Zuwanderung von Arbeitskräften könnten diese Differenz nur begrenzt auffangen. Der Sprecher meint: “Man wird sich in Deutschland auf Einschränkungen einstellen und diese hinnehmen müssen.“