Von Münchener Allee bis Teisendorfer Straße
„Anwohner leiden am meisten“: Lange Wartzeit auf minimale Entlastung beim Reichenhaller Stau-Hotspot
Der Verkehr, der Lärm, die Staus: Von Jahr zu Jahr nimmt die Belastung auf den Bundesstraßen 20 und 21 im Kleinen Deutschen Eck immer weiter zu. Für wirklich entscheidende Entlastungen, etwa durch den Ausbau der A8-Anschlussstelle Schwarzbach oder den Kirchholztunnel, fehlt es dem Staatlichen Bauamt an Kapazitäten. Mit dem Ausbau der B21 nördlich von Bad Reichenhall soll zumindest punktuell etwas verbessert werden. Doch bis es zu den vier Fahrspuren kommt, brauchen die Autofahrer noch sehr viel Geduld.
Bad Reichenhall - Christian Rehm und Bernadette Wallner versuchten erst gar nicht, um den heißen Brei herumzureden und dem Reichenhaller Stadtrat etwas vorzumachen. Der Leiter des Staatlichen Bauamts Traunstein und die Leiterin der Abteilung Straßenplanung verdeutlichten am Dienstagabend (6. Mai): Es geht beim Ausbau im Norden von Bad Reichenhall um eine punktuelle Verbesserung - nicht mehr und nicht weniger. „Die Überlagerung der B20 und B21 gehört zur am stärksten belasteten Strecke in unserem Zuständigkeitsbereich“, verdeutlichte Rehm.
Besonders groß ist die Belastung in dem Abschnitt zwischen der Teisendorfer Straße und der Münchener Allee: Die letzte Straßenverkehrszählung 2023 ergab täglich 28.000 Fahrzeuge, darunter 1500 aus dem Schwerverkehr. „Dass die Tendenz stark steigend ist, muss ich Ihnen allen nicht erzählen“, teilte er dem Gremium mit.
Die Hauptverkehrsachse schlechthin
Zum Vergleich: Der durchschnittliche Verkehr auf den Bundesstraßen in Bayern liegt nach Zahlen aus dem Jahr 2021 bei ungefähr 9377 Fahrzeugen pro Tag. „Der Bereich gehört zur Hauptverkehrsachse schlechthin im Landkreis. Und immer, wenn wir hier baulich eingreifen, müssen wir den Verkehr aufrechterhalten, weil keine Umleitung möglich ist“, verdeutlichte der Chef der Behörde die Herausforderungen. Der Ausbau nördlich von Bad Reichenhall sei daher durchaus „eine Operation am offenen Herzen“.
Aber: Es werde während der Bauphase immer mindestens ein Streifen zur Verfügung stehen, so Rehm. Doch bis es so weit ist, müssen die Reichenhaller und all diejenigen, die hier auf der Strecke entlangfahren, noch viel Geduld und noch mehr Nerven beweisen. Wie die Abteilungsleitern Wallner betonte, wird es mindestens fünf Jahre dauern, bis überhaupt die ersten Bauarbeiten beginnen. Kosten: circa 4,1 Millionen Euro, getragen vom Bauamt.
Lärmschutz für Anwohner
„Jede Fahrtrichtung zwischen Münchener Allee und Teisendorfer Straße erhält zwei Fahrstreifen“, erklärte sie dem Stadtrat. Zusätzlich gibt es Abbiege- und Beschleunigungsspuren, die ausgebaut werden. Die Geh- und Radwege vor Ort sowie die Bushaltestelle bleiben erhalten, werden aber entsprechend an die neue Verkehrsführung angepasst. Wie Wallner verdeutlichte, sollen Lärmschutzwände und ein lärmmindernder Straßenbelag zusätzlichen Schutz für die Anwohner bieten.
Warum die Baumaßnahme notwendig ist, verdeutlichte sie eindrucksvoll: „Einer Prognose zufolge wird der Verkehr im betroffenen Abschnitt bis 2035 auf täglich 40.000 Fahrzeuge ansteigen. Selbst mit einem Kirchholztunnel würden hier täglich etwa 28.500 Kfz entlangfahren. Die Verkehrsbelastung wäre dann immer noch überdurchschnittlich hoch, der Bedarf ist dringend.“
So geht es weiter
Die weiteren Schritte stellte die Abteilungsleiterin gleich mit vor: Nachdem die betroffenen Träger öffentlicher Belange (Stadt, Naturschutzbehörde, Wasserwirtschaftsamt) ihre Stellungnahmen abgeben und diese im Vorentwurf berücksichtigt werden, folgt die Genehmigung des Projektes. Nach der Planung der Bauphasen folgt das Planfeststellungsverfahren, in dem Betroffene Einwände erheben können. Bis das Baurecht geschaffen, die Planungen und der Grunderwerb abgeschlossen sowie die Aufträge für die Bauarbeiten vergeben worden, wird noch viel Zeit vergehen. „Fünf Jahre bis zum Baustart“, lautete die ernüchternde Einschätzung.
Wie Behördenleiter Christian Rehm dem Gremium erklärte, sehen die zeitlichen Planungen bei weiteren Projekten, die für eine wirkliche Entlastung sorgen könnten, nicht viel besser aus. Bei der Saalachbrücke könnten weitere fünf bis sechs Jahre vergehen, bis mit einem Baustart zu rechnen sei. Und der Ausbau der A8-Anschlussstelle Schwarzbach? „Der Zeitpunkt hängt von den Genehmigungsverfahren ab, aber in den nächsten sieben Jahren ist nicht mit einem Bau zu rechnen“, machte er unmissverständlich klar. Auch das Thema Kirchholztunnel hängt mit dem Status „In Planung“ in der Warteschleife, denn wie Rehm betont: „Wir haben viele Projekte in unserem Zuständigkeitsbereich in Planung, aber das alles ist für uns personell wie finanziell nicht stemmbar.“
Mautfrei bis Grödig?
Oberbürgermeister Christoph Lung teilte in der Sitzung mit, dass Einigkeit darüber herrsche, dass die Verkehrsbelastung zu hoch sei. „Der Handlungsbedarf ist gegeben und auch der Erhalt der vorhandenen Infrastruktur ist wichtig. Punktuelle Verbesserungen sind ein Anfang“, so Lung.
Stadtrat Michael Nürbauer (Grüne/SPD) erinnerte an das eigentliche Grundproblem: „Die Anwohner leiden am meisten.“ Auf seine Frage, was aus der Forderung einer mautfreien Fahrt bis nach Grödig geworden sei, damit der Verkehr über Marktschellenberg in den Berchtesgadener Talkessel fahren könne, antwortete Lung: „Wir erheben diese Forderung regelmäßig gegenüber unseren österreichischen Nachbarn. Landrat Bernhard Kern hat diese kürzlich erst erneuert, aber bislang waren wir nicht erfolgreich. Wir bleiben dran, denn steter Tropfen höhlt den Stein.“
Zwei Fliegen mit einer Klappe
Für Stadtrat Rainer Hüller ist klar: „Ich fahre jeden Tag dort entlang und wenn auf 600 Metern Länge der Verkehr etwas besser fließt, wird sich an der Gesamtsituation nicht viel ändern.“ Rehm und Wallner vom Bauamt stimmten ihn sogar grundsätzlich zu, machten jedoch darauf aufmerksam, dass die Straße sowieso bald saniert werden müsse. „Ein vierstreifiger Ausbau bis nach Piding ist einfach nicht umsetzbar“, so Rehm. Somit kann das Bauamt wenigstens zwei Fliegen - Sanierung und punktuelle Verbesserung - mit einer Klappe schlagen.
Das macht mir Angst und Bange, wenn künftig die Lkw bei Stau auf der A8 bei Siegsdorf abfahren und über Inzell und den Thumsee zu uns fahren.
Zu einer Generalkritik gegen OB Lung, aber auch gegen das Landratsamt und den Freistaat holte Stadtrat Fritz Grübl (FWG) aus. Davon nahm er ausdrücklich das Bauamt heraus, „sie sind der falsche Ansprechpartner“. Aber er vermisse von den Beteiligten und den Behörden, dass entschieden gegen den zunehmenden Verkehr im Kleinen Deutschen Eck vorgegangen werde. Und er teilte die Befürchtung mit, dass dieser zunehme, je besser die Straße ausgebaut würden. „Wir haben jeden Tag Staus, für die Anlieger ist das untragbar. Das macht mir Angst und Bange, wenn künftig die Lkw bei Stau auf der A8 bei Siegsdorf abfahren und über Inzell und den Thumsee zu uns fahren.“
OB Lung entgegnete, dass ihm Grübl zu viele Themen in einen Topf werfe. „Man muss die Fakten betrachten: Es gibt viele Gründe, warum der Verkehr zunimmt. Und von einer ,freien Fahrt´ sind wir noch ein gutes Stück entfernt. Der Umbau des Abschnitts wird es nicht herausreißen, das ist klar, aber immerhin tut sich etwas.“ (ms)
