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Pächterwechsel in der Bahnhofstraße

Ende einer Reichenhaller Ära: Eiscafé Simonetti schließt im Sommer - „Die Zeit ist gekommen“

Eine ältere und eine jüngere Frau stehen vor einer Theke in einem Eiscafé. Ein älterer Mann steht hinter der Theke.
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Antonella, Ivo und Bruna Simonetti (von links) schließen mit einem weinenden und einem lachenden Auge.

Die Simonettis gehören fest zur Kurstadt: Schon in vierter Generation führen sie ihr Eiscafé und ihre Pizzeria. Seit 1979 in der Bahnhofstraße 6 beheimatet, haben sie sich für viele Reichenhaller zu einer festen Anlaufstelle und für manche zu einem zweiten Zuhause entwickelt. Doch was für viele undenkbar ist, wird bald Realität: Im Sommer geben die Simonettis ihren Laden an den neuen Pächter ab. Im Gespräch äußern sich Antonella, Ivo und Bruna zu den Hintergründen und wie es weitergeht.

Bad Reichenhall - Auch wenn Antonella Simonetti anzumerken ist, dass es ihr nicht leicht fällt, über das Aus zu sprechen: Ganz unglücklich ist die 66-Jährige auch nicht über die Gewissheit, bald nicht mehr arbeiten zu müssen. „Ein weinendes und ein lachendes Auge“, gibt sie zu. „Wir schieben die Entscheidung schon Jahr für Jahr auf und wir hätten auch dieses Jahr noch weitermachen können. Aber die Zeit ist gekommen, es geht nicht mehr.“

Zusammen mit ihrem Mann Ivo führt sie das Eiscafé und die Pizzeria seit August 1979. Es war sein Vater, der schon vor dem Zweiten Weltkrieg als Jugendlicher von Italien nach Deutschland kam. Ihr Schwiegervater landete zuerst in Köln und startete dann 1953 mit seinen Brüdern in Schwäbisch Hall mit der ersten Eisdiele. In ihrer italienischen Heimat hatten sie vorher als Handwerker in einer Werkstatt gearbeitet. Wie es das Schicksal so wollte, war es ein Gast, der ihn auf Bad Reichenhall brachte. „Das war ein Versicherungsmakler und er meinte, dass es hier kein Eiscafé gibt“, gibt Antonella die Geschichte wieder.

Ein Familienbetrieb durch und durch.

Wie ein Pfennigstück zum Glückstreffer wurde

Also ziehen ihre Schwiegereltern 1956 in die Kurstadt und eröffnen ihr „Cassata“ in der Poststraße. Während die Familie im Winter in der Heimat verweilt, wird die Eisdiele in ein Trachten- und Sportgeschäft umgewandelt. Es waren andere Zeiten, als die Simonettis in Bad Reichenhall Fuß fassten und sich etablierten. „Ich weiß noch genau, wie in der ersten Woche kein einziger Gast kam und meine Schwiegermutter schon in Panik geriet, dass alles umsonst war. Doch dann schaute ein kleiner Bub vorbei, warf ein Pfennigstück hinein und traf damit genau einen der Eisbehälter. Nach diesem Glückstreffer kamen die Gäste“, erzählt Antonella.

Es folgte der Umzug in die Liebigstraße. Im Februar 1978 übernahm sie zusammen mit ihrem Mann und dem Schwager das Eiscafé der Schwiegereltern. Eine Pizzeria erweiterte das Angebot. Im August 1979 zogen sie ein paar Häuser weiter in die Bahnhofstraße 6, in der sie nur noch bis Mitte Juni geöffnet haben. Ein junger Reichenhaller will das Geschäft übernehmen und wohl so weiterführen wie bisher. „Das eine oder andere wird er sicherlich renovieren“, sagt Antonella. Ob es dann schon im August zur Neueröffnung kommt, weiß sie nicht. Was sie jedoch weiß: Ihrem Mann fällt der Abschied schwerer als ihr.

„Viele Gäste sind bei uns aufgewachsen“

„Das hier ist mein Leben, das hier macht mir Spaß“, gibt der 74-jährige Ivo nachdenklich zu. „Viele Gäste sind bei uns aufgewachsen und mit uns groß geworden.“ Er und seine Frau wissen noch, wie sich damals kleine Kinder auf dem Schulweg bei ihnen einen Milchshake für kleines Geld holten. Jahrzehnte später sind es teilweise die gleichen Menschen, die als Erwachsene oder Senioren das Café besuchen. Und diejenigen, die weggezogen sind und auf Heimatbesuch in Bad Reichenhall verweilen, lassen es sich nicht nehmen, bei Simonettis vorbeizuschauen.

Beinahe unverändert im Laufe der Jahrzehnte.

Wenn man das Ehepaar fragt, was sie ausmacht, verweisen sie auf die familiäre Atmosphäre. „Für viele Gäste ist unser Café wie ein zweiter Wohnsitz. Wir sind normale Leute. Egal, ob klein oder groß, jung oder alt, arm oder reich: Wir behandeln jeden gleich und machen keine Ausnahmen“, verdeutlicht Antonella. Zum „Heimatgefühl“ bei Simonettis trägt auch die Inneneinrichtung bei, die in all den Jahren absichtlich fast gar nicht verändert wurde. Die Zeit scheint hier stillzustehen, im positiven Sinne. Die vielen Bilder an den Wänder erinnern an die vergangenen Zeiten.

Bewährtes Familienrezept

Und wie ihre Tochter Bruna ergänzt, hat sich auch am Eis nichts geändert. „Die Qualität ist immer gleich geblieben, das schmeckt heute noch so wie damals bei meinem Opa“, meint die 46-Jährige. Die allein erziehende Mutter von drei Kindern bildet mit ihrer 21-jährigen Tochter, die auch schon mithilft, die nächste und letzte Generation.

Das hat immer nur funktioniert, weil wir als Familie hier gearbeitet und zusammengehalten haben.

Bruna Simonetti

Denn ursprünglich war vorgesehen, dass sie das Eiscafé und die Pizzeria übernimmt. Doch es kam anders, und allein möchte und kann sie das Geschäft nicht weiterführen. „Das hat immer nur funktioniert, weil wir als Familie hier gearbeitet und zusammengehalten haben. Meine Geschwister und ich sind ohne Eltern aufgewachsen, weil die Arbeit immer an erster Stelle stand“, sagt sie. Manches ist zwar auf der Strecke geblieben, doch beklagen möchte sie sich nicht. „Es war ein gutes Leben und ich bin dankbar dafür.“

Tränenreiches Ende

Ihre Mutter bedauert es nicht, dass ihre Tochter nicht doch zur Nachfolgerin wurde. „Früher hatten wir im Winter noch drei Monate geschlossen, doch in den vergangenen Jahren hatten wir immer geöffnet. Irgendwann haben wir wenigstens einen Ruhetag eingeführt. Die Kräfte lassen einfach nach“, betont sie. Mit 18 Jahren kam sie damals aus Italien hierher, seitdem hat sie immer gearbeitet. „Es reicht“, findet sie, „und Personal findet man seit Corona auch nicht mehr.“

Das Eiscafé samt Pizzeria ist für viele Einheimische zu einem zweiten Zuhause geworden.

Als sie die ersten Kunden über den Entschluss informierten, gegen Ende Juni 2025 zu schließen, gab es traurige Reaktionen. Auch die eine oder andere Tränen mussten weggewischt werden, doch die Simonettis blicken nach vorne. Während Bruna in der Kurstadt bleibt, zieht es ihre Eltern zurück nach Italien.

Zurück in das „Tal der Eismacher“

„Ich will wieder zurück zu meinen Bergen, ich vermisse sie“, sagt die 66-Jährige. Natürlich gibt es auch hier in Bad Reichenhall genügend Berge, doch es sind eben nicht ihre, die Val di Zoldo und damit das „Tal der Eismacher“ umgeben. Ein Großteil der italienischen Gelatieri in Deutschland stammt genau aus dieser Region, in der sich rund gegen 1850 die Bevölkerung auf die Herstellung von Speiseeis konzentrierte, um Wege aus der Armut zu finden.

Doch Antonella verspricht, nach ihrem Wegzug trotzdem immer wieder in Bad Reichenhall vorbeizuschauen. Schließlich warten hier ihre Kinder und Enkelkinder. Und die Familie ist in der Region mittlerweile so beliebt geworden, dass sie selbst am Chiemsee nicht unerkannt bleibt. „Die von der Eisdiele“, heißt es dann - die Simonettis nehmen es mit Humor und als Bestätigung für ihre jahrzehntelange, harten Arbeit, die in wenigen Wochen ihr wohlverdientes Ende findet.

Dass sich die Gastronomie auch in Bad Reichenhall im steten Wandel befindet, zeigt auch das Beispiel „Lieblingspunkt“: In der Ludwigstraße erfüllte sich kürzlich Stefanie Hocheder den Traum von ihrem ersten eigenen Lokal. (ms)

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