Evakuierung und Entschärfung am Donnerstag
75-Kilo-Bombe am Bahnhof bringt das Leben in Mühldorf gehörig durcheinander
Am Donnerstag (13. März) gab es wieder einen Bombenfund in der Nähe des Mühldorfer Bahnhofs. Doch diesmal war die Situation schwieriger als bei den letzten Funden.
Mühldorf – Auf dem Grundstück in der Mühlenstraße steht noch der Bagger, der die Bombe ausgegraben hat. Die Arbeiten ruhen. Im kalten Regen warten Polizisten und Mitarbeiter des Räumungskommandos. Sie müssen sich gedulden. Denn die Evakuierung des Gebiets ist aufwendig. Seit 8.30 Uhr arbeitet das Landratsamt daran, unmittelbar, nachdem die Nachricht über den Bombenfund die Behörde erreicht hatte.
Busse müssen zuerst Schüler transportieren
Dass es so lange dauert, liegt auch an den Bussen, die das Landratsamt braucht, um die Menschen in die Turnhalle am Berufsschulzentrum zu bringen. „Wir müssen den Schulbusverkehr abwarten”, sagt Sprecher Wolfgang Haserer, erst wenn alle Kinder und Jugendlichen zu Hause sind, sind die Busse frei. Ab 13.45 Uhr schicken die Firmen Brodschelm und Vorderobermeier ihre Fahrzeuge, um die Menschen zu evakuieren.
Bombenfund in Mühldorf am Donnerstag (13. März)




Es sind aber nur wenige, die den Service des Landratsamts annehmen. Die meisten sind nicht zu Hause, kommen bei Bekannten unter oder schlagen sich den nasskalten Nachmittag in einem Café um die Ohren. In der Turnhalle des Berufsschulszentrums ist die Stimmung gelassen. Manche ratschen, andere drücken auf ihren Handys herum.
„Etwas überrascht war ich schon, als bei mir die Feuerwehr vor der Tür stand“, erzählt Bernhard Schoppmeier mit einem Lächeln. „Ich musste also meine traute Hütte verlassen und sitze nun in einer Turnhalle. Aber das ist kein großes Problem für mich, vermutlich geht es bald wieder zurück.“
Marianne Förch ist schon eine alte Häsin, was die Mühldorfer Bombenfunde angeht: „Ich bin nicht das erste Mal evakuiert worden“, erzählt sie. „Heute habe ich mir gedacht, muss das denn schon wieder sein? Würde es nicht regnen wäre ich wahrscheinlich spazieren gegangen.“ Trotz der Unbill ist sie mit dem Service zufrieden: „In der Turnhalle gibt es Getränke, das ist gut.“
Auch Frank und Claudia Ricken sind bombenerfahren, sie stammen vom Niederrhein, wo es auch immer wieder Funde gibt. Obwohl auch sie erneut betroffen sind, denken sie an andere Menschen: „Sieht man die Bilder von der Ukraine, dann ist so eine Evakuierung wirklich harmlos. Wir warten jetzt einfach ruhig ab.“
Bei der Bombe handelt es sich um einen vergleichsweise kleinen Sprengkörper. Nach Angaben Haserers wiegt sie nur 75 Kilogramm. Zum Vergleich: Die Bombe, die im November 2021 im Baugebiet am Kirchenfeld gefunden wurde, war mit 500 Kilo Gewicht deutlich größer, damals müssen 3800 Menschen evakuiert werden. Obwohl die Bombe diesmal kleiner ist, sind die Auswirkungen schwerwiegend. Denn im Radius von 300 Metern rund um die Bombe leben mehr als 1400 Menschen.
Das dauert, die ganze Aktion zieht sich bis in die späten Nachmittagsstunden. Erst gegen 16.30 Uhr schreiten die Sprengstoffexperten zu ihrem gefährlichen Werk und entschärfen den Sprengkörper. Um 17.34 Uhr gibt das Landratsamt Entwarnung: Die Bombe ist unschädlich gemacht, das Leben rund um den Bahnhof kann zu seinem normalen Gang zurückkehren.
In dem Gebiet südlich des Bahnhofs liegen neben Wohnhäusern zahlreiche Gewerbebetriebe. Darunter die Mühle Prima Vera Naturkorn und andere Firmen. Auch die Mühldorfer Tafel ist betroffen, sie beginnt donnerstags um 13 Uhr mit der Verteilung von Lebensmitteln. Vor der Tür steht eine kleine Gruppe von Männern, sie warten auf die Öffnung. Von der Bombe haben sie gehört. „Nein, beunruhigt bin ich nicht”, sagt einer von ihnen.
Die Bombe liegt neben Jugendzentrum und Tafel
Die Bombe liegt auf einem Grundstück unmittelbar neben dem Jugendzentrum und eben neben der Tafel. Detlef Künzel, der die Einrichtung leitet, ist froh, dass die Verteilung fast ungestört über die Bühne gehen kann. „Wir haben alle Lieferungen bekommen”, sagt er, „auch unsere Kunden haben keine Schwierigkeiten, uns zu erreichen.” Sie hätten eineinhalb Stunden früher mit der Verteilung begonnen, die Zahl der Kunden sei etwas geringer als sonst. „Falls etwas übrig bleibt, geben wir es an Foodsharing.”
Gegen 11.30 Uhr herrscht dagegen Chaos rund um den Bahnhof. Die Polizei sperrt zunächst fast alle Straßen zwischen Stadtberg und Bahnhof. Am Kollerkreisel stauen sich die Autos, die nicht auf den geplanten Wegen an ihr Ziel kommen. Erst als sich die Lage nach gut einer halben Stunde klärt, öffnen die Beamten die meisten Straßen wieder. Die Mühlenstraße aber bleibt in der Mitte durch rote Absperrbänder geschlossen.
Die Zeit spielt auch im benachbarten Friseursalon Torretta direkt gegenüber des Bahnhofs eine entscheidende Rolle. „Wenn jemand gerade Farbe im Haar hat, und wir dann evakuieren müssen, ist das natürlich schlecht“, lacht Chefin Lucia Torretta. Sie und ihre Kolleginnen und der Kollege arbeiten so lange es geht. Erst die Termine am späten Nachmittag fallen der Bombe zum Opfer.
Bei der Südostbayernbahn bleiben die Mitarbeiter trotz des kaum 250 Meter entfernt liegenden Sprengkörpers gelassen. Valentin Sedlmeier, der für den Notfallplan im Bahnbetrieb verantwortlich ist, und seine Kollegen im Bahnhof blieben ruhig, die Aufregung ist gering. „Funde von Bomben sind für uns eher Routine”, sagt er. Schon häufig musste die Bahn in den letzten Jahren auf Sperrungen reagieren.
Die Einschränkungen auf den Bahnverkehr bleiben eher gering. Nur das Gleis 1 muss zur Entschärfung gesperrt werden. Dort fahren vor allem Züge nach Burghausen, Rosenheim und Landshut ab. Bis 15.30 Uhr läuft alles wie geplant, erst danach geht an Gleis 1 und in der Bahnhofshalle nichts mehr. „Wir machen in der Unterführung den Zugang von Gleis 1 zu Gleis 2 dicht. Grund dafür ist, dass es von Gleis 1 für ankommende Fahrgäste zu viele Ausgänge vom Bahnhof in Richtung Stadt gibt und es unmöglich ist, ihr Verlassen des Bahnhofes zu kontrollieren”, sagt Sedlmeier. „Es wäre für die Bundespolizei einfach nicht möglich, das Gelände entsprechend dem Evakuierungsgebiet abzuriegeln.” Damit gelangen Fahrgäste nur vom Norden über den Steg zu ihren Zügen.
Je weiter der Nachmittag fortschreitet, desto mehr rücken die Männer des Kampfmittelräumdienstes in den Fokus. Sie stammen von der Firma Tauber aus Nürnberg, Mühldorf ist ihnen gut bekannt. Mehrfach entschärften sie Bomben aus dem Zweiten Weltkrieg, darunter eine mit 500 Kilogramm deutlich schwerere im neuen Baugebiet nördlich des Bahnhofs. Das war 2021.
Sie gehen gegen 16.30 Uhr an ihre gefährliche Arbeit. Der Abtransport der Bombe ist nicht möglich, sie muss an Ort und Stelle entschärft werden.
Um 17.34 Uhr ist das Werk vollbracht. Wieder einmal. Und wohl nicht zum letzten Mal. Auch 80 Jahre nach Kriegsende liegen noch immer gefährliche Überreste des sechsjährigen Kriegswahnsinns im Mühldorfer Boden.







