Wer war der Mann im dunklen Zimmer?
Vergewaltigung oder falsche Verdächtigungen? Laufener Richter mit erheblichen Zweifeln
Ein 63-jähriger Bauarbeiter steht vor Gericht wegen Vergewaltigungsvorwürfen. Trotz belastender DNA-Spuren zweifelt das Gericht an der Glaubwürdigkeit der Anschuldigungen. Die Rolle der Borderline-Patientin, die die Anschuldigungen erhob, bleibt unklar.
Berchtesgadener Land/Laufen – Es sprach einiges gegen den 63-jährigen Bauarbeiter: Sein Blut fand sich auf dem Laken des Gästebetts, DNA-Spuren am Trägerrand des Büstenhalters. Am Laufener Schöffengericht angeklagt war der Familienvater der Vergewaltigung einer damals 18-jährigen Frau. Doch stimmten die Beschuldigungen der Borderline-Patientin? Das Gericht hegte erhebliche Zweifel.
Die arbeitslose Frau war mit engem und knappem Top im Obergeschoss gelegen sein. Darunter einen BH und dazu einen Slip. Heimlich und leise soll der Angeklagte zu später Stunde an ihr Bett gekommen sei, Top und BH nach unten gezogen und mit seiner Zunge deren Busen geleckt haben. Mit der Hand soll er unter ihren Schlüpfer gefasst und schließlich mindestens einen Finger in ihre Scheide eingeführt haben.
Verhandlung am Amtsgericht Laufen: 68-Jähriger wegen Vergewaltigung angeklagt
Weiter soll der Bauarbeiter die Hand der Frau an seinen erigierten Penis geführt und damit versucht haben, in sie einzudringen. Schlaftrunken will die 18-Jährige erst verzögert auf dieses Tun reagiert haben. „Dann habe ich ganz oft nein gesagt“, beteuerte sie, schließlich habe sie den Täter mit dem Bein weggestoßen und sei aus dem Bett gesprungen. Von dem Mann will sie lediglich Umrisse gesehen haben, seinen Bart gespürt und Alkohol gerochen haben.
Von den Gästen dieser privaten abendlichen Feier sollen nur zwei Männer einen Bart getragen haben, einer davon ihr Ex-Partner. Der hatte in dieser akuten Trennungsphase mit der Frau in diesem Gästezimmer im Obergeschoss lange gesprochen. Der 17-jährige schilderte, wie seine Ex später weinend nach unten in die Feierrunde gekommen war. Ob er ihr die Geschichte geglaubt habe, wollte Vorsitzender Martin Forster wissen. Die Antwort: „Nein.“ Denn seine frühere Partnerin nehme es mit der Wahrheit nicht immer so genau. Allerdings hatte er anschließend ihre Kleidung aus dem Zimmer geholt und dabei den Blutfleck am Laken fotografiert.
Woher dann die Blut- und DNA-Spuren, wenn doch der Bauarbeiter jegliche Vorwürfe bestritt? Er gestand, die Frau am Abend auf die Schulter geküsst und sie vom Boden aufhoben zu haben. Die ermittelnde Kriminalbeamtin beschrieb den Angeklagten als kooperativ, auf seinem Mobiltelefon sei jedoch „auffällig wenig“ gewesen. Von dem Blutfleck gebe es leider nur ein Bild, da die Bettwäsche zwischenzeitlich gereinigt worden war. Den Blutfleck erklärte der Angeklagte mit einer Verletzung bei der Ofenreinigung. Es müsse den hinterlassen haben, als er anschließend das Bett aufgeschüttelt habe. Die Verletzung bestätigte die 59-jährige Ehefrau des Angeklagten. Sie versicherte, dass ein Gast ihren Mann spätabends zu ihr ans Schlafzimmer gebracht habe. „So besoffen wie er war, schläft der sofort ein“, schloss die Zeugin die angeklagten Taten kategorisch aus.
Gutachterin fand 16 Spuren, doch: 70 Prozent der Vorwürfe falsch
Eine Gutachterin hatte insgesamt 16 Spuren gesichert. Keinen Zweifel gab es an den Spuren des Angeklagten am BH-Träger und dessen Randbereich. Allerdings gebe es „viel mehr andere männliche Spuren.“ Solche seien an der Schulter und an der Brust der Frau festgestellt worden. Nichts gefunden hatte man an deren Slip. „Interessant wäre das Blut gewesen“, bedauerte die Biologin das Fehlen dieser Spur. Auf drei weitere geladene Besucher der Feier verzichtete das Gericht mit Einverständnis von Staatsanwältin und Verteidigerin.
„Die Geschädigte ist Borderlinerin“, beschrieb Staatsanwältin Franziska Mitterer die Frau, die es laut Zeuge mit der Wahrheit nicht so genau nehme und deren Schilderungen nicht frei von Widersprüchen gewesen seien. Der Angeklagte sei erheblich alkoholisiert und in diesem Zustand gar nicht mehr in der Lage gewesen, die vielen Treppen leise und unbemerkt nach oben zu gehen und wieder ins Bett zur Ehefrau. Dem schloss sich Verteidigerin Maria-Theresia Herzog an: „Das war unmöglich.“ Daneben gebe es deutliche Spuren anderer männlicher Personen. Auch die Anwältin beantragte Freispruch. „Ich weiß, dass ich unschuldig bin“, sagte der Angeklagte unter Tränen.
Richter Martin Forster räumte ein, dass es „belastende Momente“ gebe, die jedoch mit einer Begrüßung und dem Hochheben der Frau zu erklären wären. Aufgrund der weiteren Spuren dürfe man davon ausgehen, dass es sexuelle Handlungen mit anderen männlichen Personen gegeben habe. Die Berichte der Geschädigten hinterließen viele Fragezeichen: So soll sie nur zwei Wochen zuvor auf genau dieselbe Art vergewaltigt worden sein, ohne darüber nähere Angaben zu machen. Sie selbst habe psychische Probleme und leide an Depressionen. Forster abschließend: „Eine Verurteilung kann nur erfolgen, wenn es keinen sinnvollen Zweifel an den Vorwürfen gibt.“ Daher: Freispruch. Die Kosten des Verfahrens und die Auslagen des Angeklagten trägt die Staatskasse.
Eines betonte der Vorsitzende ausdrücklich: „Es häufen sich Fälle, wo sich selbstverletzende Borderlinerinnen bei der Polizei mit Vergewaltigungsvorwürfen aufschlagen.“ Dabei gingen kriminologische Forschungen davon aus, dass rund 70 Prozent solcher Beschuldigungen unwahr seien. „Die Motivlage mag unterschiedlich sein: zum Beispiel, wenn es um das Sorgerecht für die Kinder geht“, so Forster, deshalb gelte es, „hier ganz besonders genau hinzuschauen.“ (hhö)