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Fortbildungsinstitut in Ainring

„Keinen Bock, 40 oder 50 Stunden zu arbeiten“: Polizist mit „Erwachsenen ADHS“ über die Gen Z

Ein Polizist mit Brille lächelt. Eine Frau sitzt mit einem Laptop und einer Kaffeetasse auf einem Bett und tippt aus der Tastatur.
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Bernd Bürger, Leiter des Fachbereichs Einsatz und Verkehr am Fortbildungsinstitut der Bayerischen Polizei in Ainring, beschäftigt sich wissenschaftlich mit der Generation Z.

Auf sie wird gerne öffentlich eingeprügelt. Sie gilt als faul, unfähig und verwöhnt. Doch Polizeidirektor Bernd Bürger findet: Man sollte in die Generation Z „besser investieren, als jemanden zu verlieren.“ Am Fortbildungsinstitut der Bayerischen Polizei in Ainring befasst er sich wissenschaftlich mit der „Generation der Überbehüteten“. Er kennt die Gründe, weshalb die Gen Z so wahrgenommen wird und warum sich die Jahrgänge 1995 bis 2010 so verhalten.

Ainring - Die Deutschen, die Österreicher, die Generation Z: Das Schubladendenken ist ein gefährliches, findet Bürger. Es trifft auch auf die Generation Z zu. „Es ist ein Unterschied, ob man in der Münchner Innenstadt oder auf dem Land in Berchtesgaden aufgewachsen ist, ob man in einer reichen Familie oder einer mit weniger Geld groß geworden ist, bildungsnah oder bildungsfern“, schildert Bürger, Leiter des Fachbereichs Einsatz und Verkehr am Fortbildungsinstitut der Bayerischen Polizei in Ainring.

Er ist nicht der typische Polizist, den man sich unter jemandem vorstellt, der dort eine Führungstätigkeit innehat. „Ich habe Erwachsenen-ADHS”, sagt er mit einem Schmunzeln - und meint damit wohl seine Umtriebigkeit, die den gebürtigen Rosenheimer auszeichnet. Polizist zu werden, war sein Traumberuf. Mittlerer Dienst, höherer Dienst: Er leitete die Polizeiinspektion Freilassing, später machte er seinen Doktor. Das wissenschaftliche Arbeiten hebt ihn ab von seinen Kollegen. Es ist Bürgers Alleinstellungsmerkmal, das er sich im Laufe seiner Polizeikarriere angeeignet hat. Er bespielt Instagram, LinkedIn und soziale Medien. Damit überfordert er so manchen Kollegen.

Drei wichtige Faktoren

Ständig unterwegs, hält Bürger seine Vorträge über die Jahrgänge 1995 bis 2010 auch international - mit der nötigen Prise Humor und vor Polizeikollegen. Er möchte die Sichtbarkeit der Generation Z erhöhen, die derzeit so sehr im Fokus steht wie kaum eine andere. Die Einflussfaktoren, die sie prägen, teilt Bernd Bürger in drei Kategorien: Eltern, Smartphones und der gesellschaftliche Einfluss.

Für Bürger ist klar: Von den Eltern geht eine Überbehütung aus. Waren es früher die Helikoptereltern, sind es heutzutage die „Rasenmäher”. Der Polizist verdeutlicht beispielhaft: „Die fliegen so tief mit dem Hubschrauber vor den Kindern her, dass sie sämtliche Hindernisse aus dem Weg räumen.” Das führe dazu, dass diese Generation grundsätzlich weniger selbstständig sei, weil die Eltern mehr Dinge in die Hand nehmen. Die Konfliktfähigkeit leide darunter, weiß Bürger. „Selbst die Eltern gehen ungern Konflikte mit ihren Kindern ein”, so der Polizeidirektor. Weil sich die Erziehungsberechtigten bei ihren Kindern vollumfänglich engagieren, seien diese gar nicht mehr dazu aufgerufen, selbstständig handeln zu müssen. „Früher waren Kinder schuld, wenn sie schlechte Noten hatten. Heute sind es automatisch die Eltern.” 

„Mit ins Boot nehmen“

Eltern bleiben heutzutage Lebensratgeber, selbst bei der Wahl des Berufes, weiß Bürger. Diese Erfahrungen hat er bei der Polizei bereits zuhauf gemacht. Papa und Mama spielen in der Generation eine wichtige Rolle. Auch bei Einstellungsgesprächen bei der Polizei. „Wir müssen diese mit ins Boot nehmen”, sagt Bürger. Anrufe von Eltern bei Polizeidienststellen nehmen in den vergangenen Jahren zu, gibt er preis. Es sei der neue Trend der sich hoch engagierten Eltern, in allen Lebenslagen für ihre Kinder einzuspringen. „Damit werden wir auch in Zukunft zu tun haben. Der Trend wird sich weiterhin fortsetzen”, sagt Bürger. Das gilt auch für die nachfolgende Generation Alpha. 

Das Smartphone spielt bei der Generation Z in jedem Fall eine wesentliche Rolle. „Likes machen süchtig. Man hat dann positive Hormonausschüttungen”, sagt Bürger. Jede Nachricht auf dem Handy zwingt zum Griff danach. Viele Kinder erhalten in jungen Jahren bereits ein Smartphone, „das die Eltern nicht dementsprechend konfigurieren”. Damit haben sie einen Zugriff auf alles - und werden süchtig nach Likes und kostenlosen Apps. Die negative Beeinflussung durch soziale Medien sei in dieser Generation sehr hoch. „Eine so große Zahl von Behandlungen, resultierend aus der Nutzung sozialer Medien, gab es noch nie.” Das Problem Suchtgefährdung sei immens gestiegen.  

Generationenkompetenz gefordert

Hinzu kommt: Die Generation Z macht insgesamt weniger Sport. Bei der Polizei hat man deshalb gar die Anforderungen heruntergeschraubt für die Einstellung. Ein Kennzeichen der neuen Jugend: Sie ist durch die Mediennutzung Feedback gewohnt. Das könnte wiederum der Arbeitgeber positiv nutzen, weiß Bürger. 

Der Polizeidirektor fordert daher Generationenkompetenz. Diese werde noch viel zu sehr vernachlässigt - und zwar auf allen Ebenen. Sein Wunsch: dass Mitarbeiter und Führungskräfte wieder Verständnis zeigen. „Das Bashing auf diese Generation hat seine Hintergründe. Oft sind die Schimpfenden aber diejenigen, die ihre Kinder selbst so erzogen haben.”

Gen Z auf Erfahrungswerte nicht angewiesen

Die neue Art des Nachwuchses erfordere daher ein besseres Coaching: Die enge Beziehung zu den Eltern dürfe nicht aufgebrochen werden. „Das Flügge-Machen ist Teil der Aufgabe des Arbeitgebers.“ Aber zu lernen, konfliktfähig und selbstständig zu werden - dahingehend müsse künftig noch viel mehr investiert werden. Gute Führung und Wertschätzung - in vielen Firmen spielt dies kaum mehr eine Rolle, sei aber heutzutage wichtiger denn je. „Der Unterschied ist: Die Älteren haben schon viele schlechte Chefs miterlebt.” Die Gen Z ist auf diese Erfahrungswerte nicht mehr angewiesen. 

Einen Burnout zu riskieren, darauf können junge Vertreter der neuen Generation verzichten. Selbst Führungsaufgaben stehen nicht mehr hoch im Kurs, weiß er. „Lokal ist die Gen Z nicht mehr so flexibel - auch, weil ihnen echte Freundschaften und eine gute Beziehung zu ihren Eltern wichtig sind.” 

Bürger erwartet größere Probleme auf dem Arbeitsmarkt

Die Generation Z gilt als die kleinste Nachkriegsgeneration. „Die Problematik am Arbeitsmarkt wird daher noch viel gravierender”, weiß Bürger. Bis zum Jahr 2030 werden mehr als zehn Prozent weniger Erwerbstätige auf dem Arbeitsmarkt sein. Die Generation Z reicht bei Weitem nicht aus, um den Mangel zu kompensieren. „Jeden, den man befähigen kann, ihn als Arbeitskraft an Bord zu holen, müssen wir nutzen - und umwerben.” Bürger glaubt: Jeder, der halbwegs lesen und schreiben kann und noch ein paar „Social Skills” mitbringt, „um den reißt sich jeder Arbeitgeber”

Sorgenfrei ist neue Generation allerdings nicht: Zukunftsängste prägen die jungen Jahrgänge. Bis vor zwei Jahren war für die Generation Wertschätzung das Wichtigste im Job. Heutzutage ist es - neben zustimmender Worte - der Verdienst und ein sicherer Arbeitsplatz. „Sie haben Covid mitgemacht, sehen all die weltweiten Krisen, einen Krieg in Europa und die Wohnungspreise“, verdeutlicht der Forscher.

Selbst die Polizei hat mit Kündigungen zu kämpfen

Sich Zeit nehmen und Qualitätsbeziehungen mit Mitarbeitern führen: Diese Generation brauche das wirklich. Obwohl das Dasein als Polizist einen sicheren Arbeitsplatz garantiert, „sind die Kündigungsraten bei uns so hoch wie noch nie”, unterstreicht der Polizeidirektor. Woran das liegt? „Wenn wir die Jungen nicht gut führen, suchen sie sich einfach einen anderen Arbeitgeber.” Für Arbeitgeber gilt daher zu überprüfen, die Prozesse und Strukturen des eigenen Unternehmens zu hinterfragen.  

Bernd Bürger, selbst zweifacher Vater, sagt, dass die Generation Z nicht als faul abgestempelt werden sollte. Sie sei sensibel, das auf jeden Fall. „Die wollen sich aber nicht aufarbeiten. Qualitätszeit möchten sie haben: Die haben keinen Bock, 40 oder 50 Stunden zu arbeiten.” Schichtdienst? Das können sich viele aus der Gen Z nicht vorstellen. Zumindest dann nicht, wenn andere Prioritäten im Leben Gewicht haben. Die Zeit für Familie, Freunde und sich selbst sei ihnen am Ende einfach wichtiger. (kp)

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