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Der Bürgermeister im Interview

Martin Öttl zum Bürgerantrag gegen die Reha-Klinik Reiter Alm: „Meine Tür steht immer offen“

Bürgermeister Martin Öttl und das Projekt Reiter Alm
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Beim Ainringer Bürgermeister Martin Öttl ist am 1. Februar ein Bürgerantrag gegen das Projekt Reiter Alm eingegangen.

Über 1500 Ainringer haben den Bürgerantrag gegen die psychosomatische Reha-Klinik Reiter Alm unterzeichnet. Im Interview mit BGLand24.de nimmt Bürgermeister Martin Öttl zu dem Projekt ausführlich Stellung.

Herr Öttl, wo steht derzeit die Planung der Reha-Klinik Reiter Alm? Wann wird es die erste öffentliche Auslegung geben?
Aktuell gibt es einen Aufstellungsbeschluss des Gemeinderates für einen vorhabenbezogenen Bebauungsplan, das heißt, den Willen des Gemeinderates, ein Bebauungsplanverfahren durchzuführen, um zu sehen, ob und wie das geplante Vorhaben schonend in den landschaftlichen Kontext und das gewachsene Ortsbild des Högl unter Einbeziehung und Umnutzung des bestehenden Haupthauses der Reiter Alm in den Bestand eingebunden werden kann. Gemäß dem Auftrag des Gemeinderates wurden alle notwendigen Unterlagen wie Entwurfspläne, Begründungen, Umweltbericht sowie Fachgutachten zusammengestellt. Das nimmt naturgemäß einige Zeit in Anspruch. So muss z.B. die spezielle artenschutzrechtliche Prüfung über eine Vegetationsperiode gehen und die Ergebnisse in die Planentwürfe eingearbeitet werden. Diese sind derzeit in der finalen Prüfung beim Investor.
Im vergangenen Jahr befasste sich auch der Gestaltungsbeirat - das ist ein Angebot der Bayerischen Architektenkammer mit hochrangigen Architekten - zusammen mit dem Bauausschuss der Gemeinde Ainring in drei Sitzungen mit dem Vorhaben, um eine verträgliche Einbindung in die Landschaft und ein Höchstmaß an Qualität der Planung zu gewährleisten. Die erste Auslegung war für Februar geplant. Vor dem Hintergrund des kürzlich eingereichten Bürgerantrages müssen wir uns über den Zeitplan noch mal Gedanken machen.
Visualisierung des Projektes: Links der Neubau, rechts das Bestandsgebäude
Welche Alternativen wurden vor der Beschlussfassung erwogen? Warum hat sich der Gemeinderat mehrheitlich für dieses Projekt entschieden?
Die Frage der Alternativen stellen Sie zurecht. Das war der zentrale Punkt in den Überlegungen und ich bin froh, dass Sie diese Frage stellen. Wesentlich ist nämlich zu wissen, dass nicht die Gemeinde entschieden hat, dass das Objekt verkauft wird und die bisherige Nutzung aufgegeben werden wird, sondern der Grundeigentümer. Mit diesem Faktum wurde die Gemeinde konfrontiert. Somit stellte sich die Frage, welche Alternativen für die Reiter Alm bestehen. Es gab mehrere Anfragen, z.B. für die Errichtung eines Chaletdorfes über den gesamten Hang an der Reiter Alm. Auch andere verkehrsintensive Nutzungen - neben dem ebenso denkbaren Verfall des Objektes - waren zu befürchten.
Der Gemeinderat war mehrheitlich der Überzeugung, dass mit der vom Investor vorgeschlagenen psychosomatischen Reha-Klinik von vielen Varianten die verträglichste Nutzung möglich ist. Die geplante Rehaklinik erschien dem Gemeinderat beim Aufstellungsbeschluss zum Bebauungsplan als gute Option, um dauerhaft möglichst wenig Verkehr und Publikum auf diesen sensiblen Bereich des Högl zu ziehen. Es war also tatsächlich eine Frage der Alternativen. Letztlich hat das Konzept des künftigen Betreiber überzeugt. Jeder, der in seinem Familien- oder Bekanntenkreis schon einmal Hilfe benötigt hat, weiß, wie wichtig es ist, dass den betroffenen Menschen zeitnah geholfen wird.
Es gab bereits vor einem Jahr eine Informationsveranstaltung zur geplanten Reha-Klinik, die auch sehr gut besucht war. Haben Sie in der Zeit zwischen der Veranstaltung und dem Bürgerantrag viele Rückmeldungen von den Bürgern zu dem Thema bekommen? Wie fielen diese aus?
Viele Bürger haben schon das Gespräch im Rathaus gesucht. Dabei haben wir stets sehr gute Erfahrungen gemacht. Immer wenn wir die Gelegenheit bekamen, uns und vor allem die Hintergründe, Planentwürfe und die Vorgehensweise zu erklären, konnten wir viele Missverständnisse oder Wissenslücken aufklären und bestehende Ängste abbauen. Den Bürgern, die mit uns und nicht nur über uns gesprochen haben, danke ich ausdrücklich. Selbstverständlich haben wir die Zuspitzung der letzten Wochen und Monate mit Flugblattaktion, Leserbriefen und Presseberichten registriert. Das ist in Ordnung, solange sich alles im rechtlichen Rahmen bewegt.
Gewünscht hätte ich mir, dass die Akteure wie viele andere Bürger auch, uns die Gelegenheit zum Dialog gegeben hätten. Meine Tür steht für Gespräche immer offen. An dieser Art der Kommunikation jedoch will ich mich nicht beteiligen. Wir setzen auf ausführliche und vertiefte Information der Bürger, wir haben ja auch schon sehr frühzeitig eine Bürgerinfoveranstaltung dazu abgehalten. Letztlich respektiere ich aber die Meinung jeden Bürgers, der zu einem anderen Ergebnis kommt als der Gemeinderat.
Wie bewerten Sie den Bürgerantrag?
Ein Bürgerantrag ist ein rechtlich legitimes Instrument in einer Demokratie, insofern ist dieser per se nicht zu kritisieren. Wir werden uns selbstverständlich sachlich und in der gebotenen Gründlichkeit mit dem Bürgerantrag auseinandersetzen.
Hat Sie die hohe Anzahl an Unterzeichnern überrascht?
Nein, denn es war schnell klar, dass eine größere Anzahl von Bürgern von Haus zu Haus ging und Unterschriften sammelte, obwohl sich niemand nach den aktuellen Planungen im Rathaus erkundigt hatte und so gar nicht den richtigen Stand mitteilen konnte. Insofern war ich nicht überrascht.
Im Bürgerantrag heißt es, der Landkreis wäre mit dann fünf Einrichtungen überversorgt. Brauchen wir wirklich noch eine weitere Reha-Klinik in der Region?
Auch hier hilft ein Faktencheck. Tatsache ist, dass der Anteil psychischer Beeinträchtigungen wie Depressionen, Angst- und Zwangsstörungen oder Suchterkrankungen seit Jahren auf dem Vormarsch ist. Gerade für eine stationäre Behandlung gibt es lange Wartezeiten. Jährlich sind etwa 27,8 Prozent aller Erwachsenen in Deutschland von psychischen Erkrankungen betroffen. 15,4 Prozent haben eine Angsterkrankung. Im europäischen Vergleich liegt Deutschland mit der Prävalenz psychischer Erkrankungen im Mittelfeld. Auf Basis vergleichbarer Angaben wird die 12-Monats-Prävalenz psychischer Erkrankungen in der Erwachsenenbevölkerung europaweit auf 27 Prozent geschätzt. Die 12-Monats-Inzidenz liegt bei 11 Prozent. Nur 12-50 Prozent der Diagnosen werden tatsächlich behandelt – in Deutschland herrscht eine Unterversorgung. (Quelle: Report Psychotherapie 2021, Deutsche Psychotherapeuten Vereinigung e.V.)
Erlauben Sie mir eine eher unfachliche Anmerkung: Ehrlich gesagt kommt mir in der Debatte dieser Aspekt überhaupt zu kurz. Denken Sie an die von dieser Krankheit Betroffenen. Also den Menschen, die etwa selbst oder deren Angehörige mit Burnout, Depressionen oder Angststörungen zu kämpfen haben. Jeder, der diese Erfahrung machen musste, weiß, wie dramatisch es ist, in dieser Situation keine rasche Hilfe zu bekommen.
Was spricht gegen eine Weiterführung des Sondergebietes „Gastro und Wellness“?
Aus Sicht der Gemeinde nichts. Nochmals: Nicht die Gemeinde hat entschieden, dass das Objekt verkauft wird und die bisherige Nutzung aufgegeben werden wird, sondern der Grundeigentümer. Mit diesem Faktum wurde die Gemeinde konfrontiert.
Wird der 80 Meter lange Neubau das Ortsbild stark beeinträchtigen?
Die Gemeinde hat versucht und in meinen Augen auch erreicht, dass das Vorhaben ohne Beeinträchtigung des Orts- und Landschaftsbildes umgesetzt werden kann. Der neue Baukörper entsteht an einer Stelle, der aktuell schon als Parkplatz befestigt ist. Viele Hütten und - teilweise ungenehmigte - Bauteile werden beseitigt. Nicht jedoch beseitigt werden soll der historisch reizvolle Gebäudebestand der Reiter Alm selbst. Auch diese in Umlauf gebrachte Sorge trifft nicht zu. Der Gemeinderat hat sich für eine verträgliche Einbindung in die Landschaft und ein Höchstmaß an Qualität der Planung eingesetzt. Dafür ist eigens ein Gestaltungsbeirat mit Vertretern der Bayerischen Architektenkammer, unter anderem die Präsidentin der Architektenkammer, Frau Prof. Lydia Haack, in die Planung mit einbezogen worden.
Die geplante Reha-Klinik aus der Vogelperspektive
Die Gemeinde ist nicht Eigentümerin der Reiter Alm. Wie groß ist der Handlungsspielraum, in das Projekt einzugreifen?
Durch das Instrument des vorhabenbezogenen Bebauungsplanes mit Durchführungsvertrag ist gewährleistet, dass der Investor nur das konkrete Vorhaben durchführen kann, welchem der Gemeinderat zugestimmt hat. Die Regelungen haben eine Detailschärfe, welche bis zur Fassadengestaltung wirklich alles vorschreibt. Das Bebauungsplanverfahren steht aber noch ganz am Anfang und ist - wie jedes Bebauungsplanverfahren - ergebnisoffen. Letztlich hat der Gemeinderat also alle Zügel bis zum Abschluss des Verfahrens in der Hand.
Sollte der Bürgerantrag zulässig sein, muss er innerhalb von drei Monaten im Gemeinderat behandelt werden. Wird die Bauleitplanung in dieser Zeit weitergeführt?
Nach unserer Vorprüfung ist der Bürgerantrag formell zulässig. Dies muss aber der Gemeinderat offiziell noch beschließen. Wir müssen uns noch Gedanken machen, ob es sinnvoll ist, vor Beschlussfassung über den nun vorliegenden Bürgerantrag das Verfahren zu starten. Das fühlt sich irgendwie nicht richtig an. Andererseits würden wir sehr gerne nun endlich die fundiert ausgearbeiteten Planentwürfe und die Gutachten veröffentlichen. Ich bin mir sicher, das würde zur Versachlichung der Debatte beitragen, denn bislang wird eben auch viel spekuliert.
Rechnen Sie damit, dass die Behandlung im Gemeinderat zu einem neuen Ergebnis führen wird?
Ob die Behandlung des Bürgerantrages im Gemeinderat zu einem neuen Ergebnis führen wird, bleibt abzuwarten. Ich möchte den Gemeinderatskollegen nicht vorgreifen. Die Gemeinderäte arbeiten sich immer sehr gut in die Themen ein und treffen Entscheidungen nach ihrem besten Wissen und Gewissen.
Mit welchen Konsequenzen wäre zu rechnen, falls es im „worst case“ zu einem Stopp des Projektes käme?
Das kann ich seriös tatsächlich nicht sagen, mit einem Stopp des Projektes befasse ich mich noch nicht. Natürlich sind schon erhebliche Planungskosten aufgelaufen, die vor allem den Investor treffen würden. Dennoch muss der Gemeinderat bei neuer Sachlage ergebnisoffen diskutieren und entscheiden können. Dessen ist sich auch der Investor bewusst, der aber auch zurecht einen fairen Umgang erwarten kann. Die Gemeinde Ainring möchte auf keinen Fall, dass die Reiter Alm verfällt oder durch verschiedene Wohnzwecke genutzt wird. Die Befürchtung müsste man bei einem Stopp aber tatsächlich haben.
Plant die Gemeinde zusätzliche Informationsveranstaltungen oder Interaktionen, um das Thema für die Bürger transparenter zu gestalten?
Aktuell erstellt der künftige Betreiber eine umfassende Informationsplattform in Form einer Homepage. Hier sind dann detaillierte Infos zur Baumaßnahme ab Mitte Februar auf der Website der Reha-Klinik Reiter Alm zu finden. Anhand einer bereits vorliegenden Visualisierung lässt sich die Einfügung der neu geplanten Reha-Klinik für Psychosomatik und Psychotherapie auf dem Gelände der Reiter Alm studieren. Hilfreich wäre wie gesagt, wenn die Gemeinde die Gelegenheit bekäme, die Planentwürfe in der ersten Öffentlichkeitsbeteiligung zu präsentieren. Dabei hätte jedermann Gelegenheit, die Unterlagen durchzuarbeiten, seine Bedenken und Anregungen zu formulieren und natürlich das Gespräch mit mir oder den Mitarbeitern im Bauamt zu suchen. Unsere Türen stehen immer offen.
Die neue Reha-Klinik Reiter Alm im Schnitt
Was wünschen Sie sich von den Bürgern im Umgang mit dem Thema?
Die Bürger machen das schon richtig und wollen sich anhand der noch folgenden Unterlagen erst noch eine Meinung bilden, davon bin ich überzeugt. Ich respektiere auch jeden Bürger, der eine andere Meinung hat als der Gemeinderat mehrheitlich beschlossen hat. Wenn Sie die Art und Weise, wie einzelne in den letzten Wochen und Monaten agiert haben, meinen, dann wünschte ich mir in der Tat eine Auseinandersetzung mit den tatsächlichen Fakten auf Augenhöhe und einen offenen, ehrlichen und gerechten Dialog, zu dem ich nach wie vor sehr gerne einlade. Bitte sprechen Sie mit uns, nicht nur über uns!

mf

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