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Überleben ohne Strom

Katastrophenschutzplan „ist ein Witzplan“ – Wie Schönau am Königssee massiv für den Ernstfall probt

Stromaggregat Rathaus.jpg
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Eines der neu angeschafften Aggregate versorgt mehrere Gemeindeeinrichtungen mit Strom. Hausmeister Andreas Heilmann überprüft.

Wie Bundes- und Landespolizei untereinander kommunizieren sollen, das ist nicht ganz klar beim simulierten Blackout: Die Funkverbindungen funktionieren nicht. Das ist eines der bemerkenswerten Ergebnisse dieser Übung. Die Gemeinde Schönau am Königssee hat in den vergangenen Monaten aufgerüstet und wappnet sich als einer von wenigen Orten für den Katastrophenfall ohne Strom. Das Szenario birgt unvorhergesehene Schwierigkeiten.

Schönau am Königssee – Im Rathaus wuselt es vor Mitarbeitern. An diesem Tag ist Ausnahmetag: Blackout-Day. Ein Übungstag, den die Gemeinde in ihrer Geschichte in dieser Dimension so noch nie durchgeführt hat. Unter realen Bedingungen wird geprobt. Was wäre, wenn der Strom ausfällt und nichts mehr funktioniert? Nicht etwa ein oder zwei Stunden, sondern über Tage und Wochen. Was müsste man vorhalten, wo sind SOS-Notrufpunkte, wer kümmert sich um Bürgeranliegen? 

Hannes Rasp ist Schönau am Königssees Bürgermeister. Einer, der die Sache durchaus ernst nimmt. Vor einem halben Jahr hat die Gemeinde schon mal ein bisschen probiert, wie es wäre, wenn die Wasserversorgung vom Strom abgekoppelt wäre. Wie es wäre, wenn das Rathaus im Dunkeln stünde, wenn PCs und die eigene E-Tankstelle nicht mehr am Netz wäre. Schon damals wurde klar: Der Landkreis braucht ein Treibstoffdepot, eine Tankstelle, an der auch dann gezapft werden kann, wenn alles weg vom Netz ist.

Dieses Mal ist der Ernstfall konkreter. Mitbürger sind eingebunden in das Real-Szenario am Königssee. Denn klar ist: Wenn nichts mehr geht in einer Gemeinde, wäre das Rathaus ein erster vorgesehener Anlaufpunkt für Hilfesuchende, ein SOS-Notrufpunkt, wie es auf Landkreisebene heißt.  

„Der Katastrophenschutzplan des Landkreises ist aktuell ein Witzplan.“ 

Dutzende Bürger sind in das Szenario involviert, zudem Landes- und Bundespolizei, Feuerwehren, Bundeswehr-Vertreter und das Bayerische Rote Kreuz. „Alles soll so realistisch wie möglich umgesetzt sein“, sagt Ulrich Hölzl. Im Landratsamt war er lange im Katastrophenschutz eingebunden, nun leitet er das Ordnungsamt der Gemeinde und ist der Antreiber hinter jener Zivilschutzübung, die der Gemeindeverwaltung in der Umsetzung alles abverlangt. Unverhohlen sagt er: „Der Katastrophenschutzplan des Landkreises ist aktuell ein Witzplan.“ 

Für den Blackout-Tag haben sich die Gemeindemitarbeiter gewappnet. Der Bürgermeister hat im Vorfeld viel Geld in die Hand genommen und mehrere Aggregate gekauft, die nicht nur das Rathaus, sondern auch den Kindergarten, die Schule als mögliche Wärmehalle, die Wasserversorgung und alle weiteren systemrelevanten Einrichtungen mit Strom versorgen. Eine niedrige sechsstellige Summe haben alleine die acht Aggregate gekostet. Diese sind Dieselbetrieben und schaffen bis zu 60.000 Watt. Damit lässt sich kochen, heizen und der Strom hochfahren - locker. Lieber zu viel als zu wenig, sagt der Bürgermeister. Die Feuerwehr hat auch so ein Aggregat bekommen. Das Wasserwerk ebenso. „Wir sind als Gemeinde in dieser Hinsicht Vorreiter“, weiß Ulrich Hölzl. Seine Gemeinde hat Diesel-Reservoirs, deren Inhalt mehrere Tage zum Betrieb der Aggregate ausreichen würde. Welche andere Gemeinde hält sowas vor? 

Notarzt Martin Eder versorgt im Rathaus Hilfsbedürftige während des Blackout-Szenarios.

Im Bauch des Rathauses hat sich ein Führerstab zusammengefunden. Geprobt wird hier unter realen Bedingungen: Wenn der Strom flächendeckend ausfällt, geht kein Telefon mehr, kein Internet, der E-Mail-Verkehr liegt lahm. Die Discounter und Lebensmittelmärkte müssten ihren Verkauf einstellen, weil die Kassensysteme nicht mehr funktionierten. Nichts würde mehr gehen. Und die Menschen wären in Panik, so Ulrich Hölzls Einschätzung. Katastrophen sind seiner Ansicht nach von oben viel zu wenig durchdacht. Denn Bürger jeder Gemeinde brauchen dann einen zentralen SOS-Notrufpunkt, in diesem Fall: das Rathaus.  

Bürgerbetreuung erfordert mehr Personal

In Schönau am Königssee üben sie genau deshalb die Extremsituation, die keiner herbeiwünscht: Dutzende Bürger sind am Blackout-Tag beteiligt: Herzinfarkt in der Nähe des Rathauses, ein Mann benötigt Insulin, einer klagt über seinen Keller, der in der Nachbarschaft unter Wasser steht, bei einem läuft das Heizöl aus. Ein Pulk an Leuten stürmt die Gemeinde mit verschiedenen Anliegen. Die Mitarbeiter nehmen die Fälle auf, als ginge es wirklich um Leben und Tod - kein Telefon im Haus funktioniert. Schnell wird klar: Bürgerbetreuung erfordert weiteres Ergänzungspersonal. 

Im Rathaus steht Andreas Huber, im echten Leben Geschäftsleiter der Gemeinde. Er koordiniert seine Mitarbeiter in der Ausnahmesituation. Er schickt Gemeindemitarbeiter los, um Nachrichten zu übermitteln, um den Notarzt zu informieren, den er telefonisch nicht erreichen kann (kein Strom!), um eine Beschilderung für das Rathaus zu erstellen, damit die Leute wissen, wer wofür Ansprechpartner ist. Hektik kommt auf, weil die Wucht an Aufgaben so enorm ist. Was schnell auffällt: Das gemeindeeigene Elektroauto springt nicht an, wenn der Strom nicht fließt. Das Fahrzeug ist App-betrieben. Doch ohne Strom keine Internetverbindung. Bedauerndes Kopfschütteln unter den Beteiligten. 

Das Ausrufen eines K-Falls, eines Katastropheneinsatzes, könnte gar die Bundeswehr auf den Plan rufen und Amtshilfeanträge ermöglichen, wie Stabsfeldwebel und Reservist Eduard Ratliff aus dem Kreisverbindungskommando bestätigt. Die Bundeswehr ist an diesem Tag beratend tätig. Auch für die Beteiligten rund um Oberstleutnant Alexander Zeuner ist solch eine Übung etwas Besonderes. Keine andere Gemeinde im Landkreis hat den Ernstfall bislang so real geübt, sagt er    

Im Rathaus von Schönau am Königssee bastelt man seit Monaten an einer Struktur, wie man diesem Ernstfall begegnen würde. Wer wie in welcher Funktion arbeiten müsste, welche Schichten gefahren werden könnten, wie die Aufteilung der Räumlichkeiten und die Nutzung der Gemeindeliegenschaften dann aussehen. In der ganzen Konstellation gibt es so viele Unbekannte, dass eigentlich nicht klar ist, ob ein tatsächlicher Blackout mit gewünschtem Erfolg zu stemmen wäre

Telefonieren wird ohne Strom schwierig

Im Führerstab geht es gerade darum, wie im Fall der Fälle die Polizei in Berchtesgaden zu verständigen wäre. Die Gemeinde hat eigens spezielle Funkgeräte angeschafft, um hausintern auf Batteriebasis miteinander kommunizieren zu können. Zudem gibt es seit Kurzem ein Satellitentelefon. „Das Blöde: Der Angerufene braucht dasselbe Modell, ebenfalls ein Satellitentelefon“, weiß Hölzl. Bislang hat nur das Landratsamt ein vergleichbares Gerät. Einfach anrufen, das wird nichts. Ohne Strom ist eine Kommunikation über längere Strecken nur schwer möglich. Beim Landratsamt heißt es auf schriftliche Anfrage: Die Kommunikation des Landkreises zur Regierung von Oberbayern und zu dem Lagezentrum beim Bayerischen Staatsministerium des Innern sei „gesichert“, heißt es. Zwischen den Einsatzkräften vor Ort zeigt sich der Austausch allerdings schwierig. Und genau das ist das Hauptproblem an diesem Tag.   

Geschäftsleiter Andreas Huber berichtet stündlich an die Abteilungsleiter über neue Erkenntnisse und Aufgaben.

Draußen steht Polizeihauptkommissarin Daniela Schlaffer von der Polizeiinspektion Berchtesgaden. Sie vertritt die Landespolizei und ist im Gespräch mit den Polizeioberkommissaren Markus Meczko und Magdalena Klein von der Bundespolizei in Freilassing. Alle tippen auf ihren Funkgeräten und versuchen, diese zusammenzuschalten, um eine Kommunikation zu ermöglichen. „Wir kommunizieren aber über unterschiedliche Leitungen“, stellt das Trio schnell fest. Dass sich Landes- und Bundespolizei bei einem Blackout verständigen, scheint schwieriger als gedacht, ebenso die Verständigung unter den weiteren Hilfskräften. Hinzu kommt: Nur mit Signalverstärkern, sogenannten Repeatern, wäre überhaupt ein Austausch über weite Strecken bei Stromausfall möglich. Die Technik müsste zugekauft und an geeigneten Stellen im Ort installiert werden, inklusive Notstromaggregat. Denn die bergige Landschaft als natürliches Hindernis stört die Funksignale. 

Geschäftsleiter Andreas Huber sagt, dass es noch viel zu tun gibt. „Uns ist wichtig, die Infrastruktur aufrechtzuerhalten.“ In Zukunft sollen weitere Blackout-Extremszenarien in der Gemeinde trainiert werden. Auf Landkreisebene gibt es bislang Vergleichbares nicht.

kp

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