Lebenslänglich-Urteil nicht akzeptiert
Hellseher, Irschenberg, Urteil und keine Leiche: Wie geht's weiter im Mordfall Alexandra R.?
Ein mysteriöser Mordfall aus Nürnberg hielt in diesem Jahr auch die Menschen in der Region in Atem. Nicht zuletzt geriet ein Waldstück bei Irschenberg in den Fokus der Ermittlungen. Doch auch wenn die Angeklagten bereits verurteilt wurden, bleiben einige Fragen offen. Warum das Drama weitergeht.
Irschenberg/Nürnberg – Der Mordfall um die verschwundene Alexandra R. aus dem Raum Nürnberg sorgte bundesweit und insbesondere auch in der Region für Schlagzeilen. Was auch daran lag, dass zum Zeitpunkt der Urteilssprechung im Juli dieses Jahres noch immer jede Spur der Leiche fehlte. Und weil in den Ermittlungen ein Waldstück bei Irschenberg (Landkreis Miesbach) eine nicht unwesentliche Rolle spielte. Doch auch ohne Leiche wurden Dejan B. (51) sowie dessen Geschäftspartner Ugur T. (49) vom Landgericht Nürnberg-Fürth zu lebenslangen Haftstrafen verurteilt.
Ihnen wird vorgeworfen, die damals 39-Jährige, die im achten Monat schwanger war, im Dezember 2022 getötet zu haben. Kurz nachdem die Nürnbergerin ihr Kind in die Kita gebracht hatte, wurde sie als vermisst gemeldet. Die Staatsanwaltschaft war davon überzeugt, dass die beiden Männer die Frau am 9. Dezember 2022 zunächst in ihre Gewalt brachten und anschließend mit ihr in eine Lagerhalle bei Hilpoltstein fuhren. Danach sollen die beiden Männer die 39-Jährige entweder dort in der Halle oder in einem Waldstück in Oberhasling bei Irschenberg (Landkreis Miesbach) getötet haben. Als Motiv ging die Anklagevertretung unter anderem von Habgier aus. So wollte das Duo nach Einschätzung der Staatsanwaltschaft ans Vermögen der leitenden Bankangestellten kommen.
Warum sich ein Hellseher zu Wort meldete
Zwar ist die Leiche von Alexandra R. bis heute nicht aufgefunden worden. Dennoch sah es das Gericht letztlich als erwiesen an, dass Alexandra R. ihrem Ex-Freund und dessen Geschäftspartner zum Opfer gefallen war. Im Urteil, in dem auch die besondere Schwere der Schuld festgestellt wurde, geht das Gericht davon aus, dass die Nürnbergerin in einer Lagerhalle in Sindersdorf im Landkreis Roth umgebracht wurde – und eben nicht in Oberhasling bei Irschenberg, wo zwischenzeitlich Spürhunde, Monate nach dem Verschwinden der Schwangeren, Spuren der Vermissten sowie deren vermeintlichen Mörder entdeckt hatten.
Und auch wenn dort letztlich ebenso kein Leichnam gefunden wurde, kreisten um den Mordfall weiter reichlich Spekulationen. So meldete sich etwa wenige Tage, nachdem das Urteil bundesweit durch die Presse gegangen war, ein selbsternannter Hellseher aus Siegburg in Nordrhein-Westfalen zu Wort, der angeblich Informationen zum möglichen Leichenfundort habe. Michael Schneider, der in der Region bereits im Fall Hanna aus Aschau im Chiemgau in Erscheinung getreten war, behauptete, er kenne die genauen Koordinaten, die er unter anderem auch dem OVB mitteilte. Und diese Koordinaten lägen genau in besagtem Gebiet, in einem Waldstück bei Irschenberg. Ob die Polizei mit ihren Spürhunden genau dort damals auch gesucht hatte, oder ob die Stelle nur in der Nähe des abgesuchten Gebietes liegt, war nicht klar.
„Es fehlt das letzte entscheidende Puzzlestück“
Auf OVB-Anfrage äußerte sich damals das zuständige Polizeipräsidium Mittelfranken recht verhalten zu Schneider, der den Behörden bekannt sei. „Aus polizeilicher Sicht sind die Ermittlungen zu diesem Fall faktisch abgeschlossen“, erklärte ein Polizeisprecher. Man habe alle polizeilichen Schritte abgearbeitet und letztlich auch die Ermittlungsakte der Staatsanwaltschaft übergeben. „Natürlich“, stellte aber auch der Polizeisprecher fest, „fehlt in diesem Fall das letzte entscheidende Puzzlestück, die Leiche“. Und so blieb in dem aufsehenerregenden Fall die entscheidende Frage ungeklärt.
Doch ohnehin konnte die Justiz das Verfahren noch nicht endgültig abschließen – auch bis heute nicht. Nach dem Urteil hatten beide Angeklagten, deren Verteidiger ursprünglich Freispruch forderten, gegen das Urteil Revision eingelegt, wie eine Justizsprecherin auf OVB-Nachfrage damals mitteilte. Doch was ist daraus geworden und gibt es nun, gut ein halbes Jahr später, schon neue Erkenntnisse und einen groben Zeitplan, wie es weitergehen könnte?
Revision: Wie es jetzt weitergeht
„Nähere Angaben zum Revisionsverfahren, zur Dauer, sind uns als Pressestelle des Ausgangsgerichts nicht möglich“, erklärte nun zunächst eine Sprecherin des Oberlandesgerichts Nürnberg auf erneute OVB-Anfrage. Doch sie führt aus, dass derzeit noch „verfahrensrechtliche Fristen“ laufen. Hier gebe es allgemein eine „Revisionsbegründungsfrist“ für den Rechtsmittelführer jeweils ab Zustellung der schriftlichen Urteilsgründe und danach eine „Stellungnahmefrist“ für die Staatsanwaltschaft („Gegenerklärung“) zur Revisionsbegründungsschrift, bevor die Akten überhaupt an das Revisionsgericht gesandt werden können, so die Justizsprecherin.
Was nach juristischem Fachjargon klingt, heißt im Klartext: Bereits aufgrund dieses verfahrensrechtlichen Ablaufs samt diverser Fristen, dauere es noch eine Weile, bis sich das Revisionsgericht mit der Sache befassen kann. Das Revisionsgericht ist in diesem Fall der Bundesgerichtshof, der erst „nach Eingang der Akten“ zuständig sei. Bedeutet im Umkehrschluss, dass sich das Verfahren um den Mordfall Alexandra R. auch Jahre nach der Tat noch einige Zeit hinziehen dürfte.