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Wurde 39-Jährige am Irschenberg getötet?

Mordprozess um vermisste Alexandra R.: Was Top-Kriminalist Axel Petermann von der Hundespur hält

Ist es denkbar, dass Spürhunde in einem Waldstück bei Irschenberg nach rund sieben Monaten noch Spuren der seit Ende 2022 vermissten Alexandra R. gewittert haben? Dazu hat das OVB bei dem bekannten Kriminalisten Axel Petermann nachgefragt.
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Ist es denkbar, dass Spürhunde in einem Waldstück bei Irschenberg nach rund sieben Monaten noch Spuren der seit Ende 2022 vermissten Alexandra R. gewittert haben? Dazu hat das OVB bei dem bekannten Kriminalisten Axel Petermann nachgefragt.

Das Schicksal der seit 2022 vermissten Alexandra R. (39) aus Nürnberg beschäftigt die Region, nachdem es die Staatsanwaltschaft für möglich hält, dass die Hochschwangere bei Irschenberg getötet worden ist. Was der bekannte Kriminologe Axel Petermann (71) über den spektakulären Kriminalfall denkt.

Irschenberg/Nürnberg/Oyten – Eine Frau, im achten Monat schwanger, bringt ihr erstes Kind in die Kita und verschwindet dann spurlos: Der Fall der seit Ende 2022 vermissten Alexandra R. (39) aus Nürnberg hat bundesweit für Aufsehen gesorgt. Insbesondere im Irschenberger Weiler Oberhasling. Denn laut Theorie der Staatsanwaltschaft Nürnberg-Fürth könnte die 39-Jährige dort in einem Waldstück getötet worden sein, wofür derzeit zwei Männern in Nürnberg der Prozess gemacht wird. Der bekannte Kriminologe Axel Petermann (71), langjähriger Leiter der Bremer Mordkommission, hat gegenüber dem OVB eine Einschätzung zu dem spektakulären Kriminalfall abgegeben.

Was ist mit Alexandra R. aus Nürnberg-Katzwang passiert? Diese Fragen stellen sich seit Ende 2022 nicht nur Freunde und Angehörige der damals 39-Jährigen. Am Freitag, 9. Dezember 2022, hatte Alexandra R., im achten Monat schwanger, frühmorgens ihr Kind in die Kita gebracht. Dann verliert sich ihre Spur. Nachdem sie als vermisst gemeldet worden war, rückten für die Polizei schnell R.s Ex-Freund Dejan B. (50) sowie dessen Geschäftspartner Ugur T. (48) in den Fokus der Ermittlungen.

Die Staatsanwaltschaft ist davon überzeugt, dass die beiden Männer die Frau am 9. Dezember 2022 zunächst in ihre Gewalt brachten und anschließend mit ihr in eine Lagerhalle bei Hilpoltstein fuhren. Danach sollen die beiden Männer, denen seit Anfang April vor dem Landgericht Nürnberg der Prozess gemacht wird, die 39-Jährige entweder dort in der Halle oder in einem Waldstück in Oberhasling bei Irschenberg (Landkreis Miesbach) getötet haben. Eine Leiche gibt es allerdings bis heute nicht. Als Motiv geht die Anklagevertretung unter anderem von Habgier aus. So wollte das Duo nach Einschätzung der Staatsanwaltschaft ans Vermögen der leitenden Bankangestellten kommen. In einer früheren Pressemitteilung der Anklagevertreter ist von 784.660,82 Euro die Rede.

Hundeführer contra Biologe

Um die Irschenberg-Theorie zu untermauern, durchsuchten Einsatzkräfte der Polizei rund sieben Monate nach dem Verschwinden der Fränkin Bereiche des Weilers Oberhasling mit Spürhunden, die auch anschlugen. „Obwohl es lange her war und es beim Einsatz kräftig regnete, haben die Hunde die Spuren eindeutig erkannt und sind ihnen zielstrebig gefolgt“, hatte ein Hundeführer Mitte Juni 2024 vor dem Landgericht ausgesagt. In Zweifel gezogen wurde diese Aussage aber nur wenige Tage später von einem Zeugen der Verteidigung. So gab Biologe Leopold Slotta-Bachmayr, der selbst Studien über die mögliche Leistung von Spürhunden durchgeführt hatte, in Bezug auf die nach mehreren Monaten erschnüffelten Spuren zu Protokoll: „Die Erfolgschancen liegen nach einer Woche bei null.“

Axel Petermann (71) beschäftigt sich seit Jahrzehnten mit spektakulären Kriminalfällen, war unter anderem jahrelang Leiter der 1. Mordkommission der Kriminalpolizei Bremen.

Aussagen, die Kriminologe Axel Petermann für plausibel hält. „Hunde können bei der Spurensuche natürlich ein unterstützendes Hilfsmittel sein“, so Petermann im Gespräch mit dem OVB. „Verlassen sollte man sich auf sie aber nicht.“ Seine Einschätzung untermauert er mit dem Hinweis auf einen Kriminalfall, in dem er selbst ermittelt hatte. Im Sommer 2001 hatte die zehnjährige Adelina ihren Opa in dessen Wohnung im elften Stock eines Hochhauses in Bremen besucht. Auf dem Weg in ihr rund 200 Meter entferntes Zuhause verliert sich dann aber die Spur des Mädchens.

„Es gab relativ schnell die Annahme, dass Alina sich in irgendeiner Wohnung des Hochhauses aufgehalten hat, weshalb wir mit Spürhunden ins Hochhaus gegangen sind und sie in jede Wohnung geschickt haben“, erinnert sich der heute 71-Jährige. Das Problem: „Die Hunde haben mehrfach angeschlagen, es waren viel zu viele mögliche Tatorte.“ Letztlich seien dann aber an den vermeintlichen Tatorten auch keine Hinweise gefunden worden, dass sich Alina dort wirklich aufgehalten habe.

Pilzsammler findet Leiche eines 2001 verschwundenen Mädchens

Das tragische Ende des Vermisstenfalls: Rund drei Monate nach ihrem Verschwinden findet ein Pilzsammler in einem Waldstück im Bremer Umland die Leiche der Zehnjährigen. Die Untersuchung des Leichnams offenbart, dass Alina sexuell missbraucht und anschließend getötet worden war. Die schreckliche Gewalttat ist bis heute ungeklärt.

Für Petermann ein Fallbeispiel, das zeigt, dass Hundespuren mit Vorsicht zu genießen sind. „Ich würde so etwas nie als Beweis anführen“, sagt der 71-Jährige, auch wenn er selbst schon Fälle erlebt habe, wo Hunde hilfreich und treffsicher gewesen sind. „Die Hundeführer sind natürlich sicher, dass sie das Verhalten ihrer Tiere richtig interpretieren“, so der Kriminalexperte. „Tatsache ist aber auch: Es hat halt noch niemand mit einem Hund persönlich gesprochen.“

Zur Person: Leiter der Bremer Mordkommission und Tatort-Berater

Axel Petermann, der in der Nähe von Bremen lebt, war jahrelang Leiter der 1. Mordkomission der Kriminalpolizei Bremen und viele Jahre Berater bei TV-Krimiproduktionen wie beispielsweise bei der Krimireihe „Tatort“. Auch heute beschäftigt er sich noch, beispielsweise für zahlreiche Dokumentationen, mit spektakulären Kriminalfällen. Des Weiteren hat der 71-Jährige verschiedene Bücher geschrieben. Sein neues Werk „Die Psyche des Bösen“ wird im Februar 2025 erscheinen. Gemeinsam mit seiner Frau Anna engagiert sich Petermann zudem für den Verein Anuas, einer Hilfsorganisation für Angehörige von Mord-, Tötungs-Suizid- und Vermisstenfällen.

Und was hält Petermann von der Theorie, Alexander R. könnte noch am Leben sein? „Es verschwinden natürlich immer wieder Menschen, weil sie irgendwo ein neues Leben beginnen wollen“, sagt Petermann. Daher müsse man in derartigen Fällen auch die Charakterzüge der Vermissten genau beleuchten. „In diesem Fall muss man sich beispielsweise die Frage stellen, ob es bei dieser Frau charakterlich denkbar wäre, dass sie mit dem Wissen leben kann, dass ihr Kind, das sie noch in die Kita gebracht hat, ohne Mutter aufwachsen wird.“ Eine Vorstellung, mit der sich wohl nicht nur der ehemalige Chef der Bremer Mordkommission schwertut: „Die müsste da schon ganz schön mies sein.“

Die Aufgabe der Staatsanwaltschaft, den Angeklagten in diesem Fall den Mord an Alexandra R. nachzuweisen, sieht Petermann als Mammutaufgabe an. „Man hat keine Leiche, keinen Tatort. Damit auch keine Spuren und keine Hinweise auf einen möglichen Tathergang“, zählt der 71-Jährige die diversen Problemfelder auf. „Somit bleiben natürlich Zweifel, ob es wirklich ein Verbrechen gegeben hat oder ob es für den Vermisstenfall doch vielleicht eine andere Erklärung gibt.“

Nach Freispruch keine erneute Anklage wegen Mordes möglich

Was für Petermann nämlich besonders tragisch wäre: Wenn die Angeklagten aus Mangel an Beweisen freigesprochen würden, sich im Nachgang allerdings herausstelle, dass sie doch für das Verschwinden der 39-Jährigen verantwortlich sind. „Eine derartige Anklage ist ja immer mit den Risiko eines Freispruchs behaftet“, so Petermann. „Das bedeutet aber auch, dass ein möglicher Täter nach dem Freispruch – selbst im Falle eines Mordes – nicht mehr für diese Tat angeklagt werden kann.“

So wie im Fall Frederike von Möhlmann: Die damals 17-Jährige aus Celle in Niedersachsen war 1981 vergewaltigt und getötet worden. Ein Tatverdächtiger war schnell gefunden und angeklagt worden, der Prozess endete damals jedoch mit einem Freispruch. Aufgrund einer neuen DNA-Analyse hatte sich rund 30 Jahre nach der Tat der Verdacht gegen den bereits damals Angeklagten erhärtet. Eine erneute Anklage des Mannes war aufgrund der Rechtslage jedoch nicht möglich. Zwar war 2021 eine Reform der Strafprozessordnung in Kraft getreten, die diesen Sachverhalt geändert hätte. Diese Entscheidung wurde Ende 2023 vom Bundesverfassungsgericht aber als „verfassungswidrig“ bezeichnet und kassiert worden.

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