Hochphase für Borkenkäfer
Wolfgang Madl vom Amt für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten Traunstein über die aktuelle Käferplage
Berchtesgadener Land – Der Borkenkäfer wird zur Plage, Waldbesitzer sind in Stellung. Wolfgang Madl vom Amt für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten Traunstein sagt im Gespräch, worauf jetzt zu achten ist.
Der Borkenkäfer treibt sein Unwesen. In fast ganz Bayern zeigt sich eine schnelle Ausbreitung. Wie sieht es im Berchtesgadener Land und in Traunstein aus?
Wolfgang Madl: Im aktuellen Jahr haben wir sehr starke Schwärmaktivitäten des Käfers im Frühjahr und Frühsommer beobachtet. Vermehrt sehen wir auch Käferbefall in den höheren Lagen, vor allem in den südseitig exponierten Berghängen. In unserem Dienstgebiet war es über viele Jahre hinweg relativ ruhig, was den Käferbefall im bayernweiten Vergleich betraf. Schwerpunktgebiete von erhöhtem Befall und größerer Käferschäden waren die Waldflächen im nördlichen Landkreis Traunstein, etwa im Bereich der Altmoräne sowie in den Forstrevieren Trostberg und Altenmarkt.
Im Januar 2019 hatte ein Schneebruchereignis mit Schwerpunkt im Landkreis Berchtesgadener Land große Mengen Schadholz in den Wäldern hinterlassen. Das nicht überall rechtzeitig aufgearbeitete Holz war ein günstiger Ausgangspunkt für die Vermehrung des Käfers. Zwei Jahre später war es ein Sommersturm, der im Juli 2021 in Obing/Altenmarkt rund 100.000 Festmeter Sturmschadholz produzierte. Infolgedessen kam es auch dort zu verstärktem Befall.
Hohe Temperaturen begünstigen die Vermehrung des Borkenkäfers. Inwiefern spielt der Klimawandel eine Rolle? Wie ist Ihre Prognose für die nächsten zehn Jahre?
Wolfgang Madl: Der Käfer schwärmt im Frühjahr ab einer Tagestemperatur von rund 18 Grad Celsius. Je früher es im Jahr warm wird, umso eher kann der Schwärmflug zur Partnersuche und Fortpflanzung beginnen. Bisher hat der Käfer pro Jahr ein bis zwei Generationen Nachwuchs bekommen. Mit zunehmender Länge der warmen Periode kann der Käfer bis zu drei Generationen ausbilden. Auf ein Käferpaar im Frühjahr kommen dann über 100.000 Nachkommen, inklusive Geschwisterbruten, bis zum Ende des Herbstes. Mit weiter steigender Durchschnittstemperatur bedingt durch den Klimawandel verschärft sich das Käferproblem definitiv.
Wie hat sich der Schwärmbeginn der Borkenkäfer im Frühjahr im Laufe der Jahre verändert?
Wolfgang Madl: Die erste Schwärmphase beginnt tendenziell immer früher im Jahr. Unser Monitoring beginnt derzeit Anfang April und dauert bis Mitte Oktober.
Das AELF nimmt an einem wissenschaftlichen Käfermonitoring teil. Nach gewissen Mustern wurden Fallenstandorte ausgewählt. Warum sind diese Standorte ideal?
Wolfgang Madl: Das Borkenkäfermonitoring wird von der Forstverwaltung bayernweit betrieben. Die wissenschaftliche Begleitung und Federführung liegt bei der Landesanstalt für Wald und Forstwirtschaft in Freising. Unterstützt wird das Monitoring durch die Forstbetriebe der Bayerischen Staatsforsten. Die Fallen werden möglichst repräsentativ verteilt über die Gesamtwaldfläche aufgestellt - in der Nähe von Fichtenaltbeständen. Bei uns am Amt haben wir an zwei Standorten je eine Falle für Buchdrucker und eine Falle für Kupferstecher. Ein Fallenpunkt ist im Flachland um Traunstein und einer in den Bergen in der Nähe von Bad Reichenhall.
Was können Sie dort bislang feststellen? Welche Schäden gibt es?
Wolfgang Madl: In diesem Jahr halten sich die Schäden noch in Grenzen. Wir gehen aber davon aus, dass der Frühjahrsbefall noch nicht überall entdeckt wurde, da befallene Bäume im Sommer oft noch lange eine grüne Krone tragen. Nach dem intensiven Schwärmen des Käfers in den vergangenen Wochen ist mit verstärktem Befall und einer Ausbreitung des Käfers in den kommenden Sommerwochen bis in den Herbst zu rechnen.
Sie sagen, dass aktuell auch Bergwaldregionen betroffen sind in Höhenlagen, in denen Sie zuvor noch nie Probleme hatten. Welche Gründe gibt es dafür?
Wolfgang Madl: Wir beobachten, dass der Befall in den letzten Jahren auch im Bergwald in Höhenlagen stattgefunden hat, in denen es bisher kaum Käferbefall gab. Insbesondere in den Lagen, in denen der Schneebruch 2019 Schadholz hinterlassen hat, das nicht rechtzeitig aufgearbeitet wurde, haben wir mit verstärktem Befall zu kämpfen. Sonneneinstrahlung und Wärme begünstigen die Entwicklung des Käfers vor allem an sonnenseitigen Berghängen. Dort, wo die Fichten aufgrund einer schwindenden Humusauflage und durch Vorschädigungen ohnehin zu kämpfen haben, hat der Käfer meist leichtes Spiel. Die durch den Klimawandel steigenden Temperaturen werden künftig gerade im Bergwald immer mehr Einfluss auf die Borkenkäferdynamik haben.
Kann man bei einer explosiven Vermehrung überhaupt gegensteuern? Oder bleiben am Ende nur noch Insektizide, um gegen die Ausbreitung des Käfers vorzugehen?
Wolfgang Madl: Dreh- und Angelpunkt für die Käferprävention ist die sogenannte ‘saubere Waldwirtschaft’. Das heißt, befallene Bäume müssen rasch aufgearbeitet werden und die Stämme sowie Resthölzer aus dem Wald transportiert werden. Bäume, die von Sturm oder Schneebruch geschädigt sind, müssen ebenfalls sehr rasch verarbeitet sein, bevor sich dort der Käfer einnisten und vermehren kann. Bei der Zwischenlagerung von Holz können vorbereitete Holzlagerplätze auch auf landwirtschaftlichen Flächen wertvolle Dienste leisten.
Das Holz muss mindestens 500 Meter vom nächsten Fichtenbestand entfernt gelagert werden, um Neubefall gesunder Bäume zu verhindern. Der Käfer kann unter der Baumrinde am stehenden Baum nicht mit Insektiziden bekämpft werden. Der Einsatz von chemischen Mitteln zur Behandlung von befallenem Holz ist stets das letzte Mittel der Wahl. Für diesen Zweck zugelassene Mittel dürfen nur von sachkundigen Personen unter Einhaltung der Vorschriften verwendet werden.
In den vergangenen Wochen kam es immer wieder zu Sturmwarnungen mit vielen Einzelwürfen von Bäumen. Wieso bereiten Ihnen diese aktuell so große Sorgen?
Wolfgang Madl: Einzelwürfe über eine größere Fläche verteilt, werden oft nicht rechtzeitig vom Waldbesitzer erkannt. Erfolgt keine rechtzeitige Aufarbeitung, nistet sich dort bevorzugt der Käfer zur Eiablage ein. Ein Befall der benachbarten, noch gesunden Bäume und ein weiteres Ausbreiten des Käfers wären dann die negativen Folgen.
Auch im Nationalpark Berchtesgaden wird gegen den Borkenkäfer gekämpft. Ist die Größe der Borkenkäfer-Bekämpfungszone groß genug, um die angrenzenden Privatwälder vor Käferbefall zu schützen? Was sind Ihre Erfahrungen?
Wolfgang Madl: Für den Vollzug der Waldgesetze und die Umsetzung der Borkenkäferprävention und -bekämpfung ist im Nationalpark Berchtesgaden eine eigene untere Forstbehörde zuständig. Diese hat Regelungen erlassen, das Übergreifen von Borkenkäfern auf angrenzende Privatwaldbestände zu verhindern. An den Nationalpark angrenzende Privatwaldbesitzer haben sich jedoch auch schon vereinzelt bei uns über mutmaßlich übergreifenden Käferbefall beklagt. Die verantwortlichen Kollegen im Nationalpark wurden von uns darüber informiert.
In welcher Pflicht stehen Waldbesitzer, wie etwa Landwirte, derzeit? Können Sie ein bisschen erläutern, worauf es nun für diese ankommt?
Wolfgang Madl: Die Waldbesitzer sind durch die bayernweit geltenden Vorschriften aufgerufen, in den kritischen Monaten von April bis Oktober regelmäßig alle zwei Wochen ihre Fichtenbestände auf frischen Befall durch Borkenkäfer zu kontrollieren und diese waldschutzwirksam zu bekämpfen. Einen Hinweis auf die Brisanz des Themas gibt die Borkenkäferkarte der Forstverwaltung. In unserem Dienstgebiet herrscht derzeit die zweithöchste Warnstufe Gelb. Die Waldbesitzer sind dringend aufgerufen, ihre Fichtenwälder in den kommenden Wochen gewissenhaft auf frischen Befall zu kontrollieren. Besonders anfällig sind Bereiche, die bereits im Vorjahr vom Käfern befallen wurden, dazu gehören besonnte Waldflächen und Waldränder sowie durch Kahlschlag geöffnete Bestände und Käfernester des Vorjahres sowie durch Schneebruch geschädigte Bestände.
An welchen Erkennungsmerkmalen lässt sich ein Befall feststellen?
Wolfgang Madl: Die Symptome sind gut zu erkennen: Bei bereits länger befallenen Bäumen färben sich die Kronen braun und die Rinde blättert ab. Frischer Befall ist am braunen Bohrmehl zu erkennen, das sich auf Rindenschuppen, am Stammfuß, in Spinnweben sowie auf der Bodenvegetation ansammelt. Weitere Anzeichen für frischen Befall sind Spechtabschläge an der Rinde oder auch Harztropfen an den Einbohrlöchern des Käfers. Von Käfern befallene Fichten können im Sommer und Herbst allerdings noch lange grün in der Krone bleiben. Der Befall wird dadurch oft erst spät oder zu spät erkannt.
Die regelmäßige Suche nach dem Bohrmehl bleibt die einzige sinnvolle Methode, einen Befall rechtzeitig zu erkennen und bekämpfen zu können. Die Revierförster des Amtes für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten Traunstein stehen bei Fragen zur Verfügung. Unterstützung leisten auch die Waldbesitzervereinigungen Laufen-Berchtesgaden und Traunstein.
kp