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Interview mit Dr. Friedhelm Schneider

Feinstaub-Konferenz in Bad Reichenhall: „Nanopartikel muss man zählen, nicht wiegen”

Dr. Friedhelm Schneider auf der Konferenz zur Feinstaubmessung in Reichenhall
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Dr. Friedhelm Schneider, Produktmanager der Grimm Aerosol Technik Ainring in Bad Reichenhall.

Berchtesgadener Land/Reichenhall - Feinstaub in den Luftkurorten, Schmutzpartikel am Salzburger Flughafen: Das Ainringer Unternehmen Grimm Aerosol Technik entwickelt und baut Messgeräte, die weltweit zum Einsatz kommen. In Bad Reichenhall trafen sich nun Wissenschaftler, Entwickler und Messnetzwerk-Betreiber zum Austausch. Produktmanager Dr. Friedhelm Schneider und Senior Scientist Dr. Gerhard Steiner über Nano- und Staubpartikel und deren Vergleich zwischen Fliegen und Elefanten. 

In Reichenhall haben sich an zwei Tagen 50 internationale Teilnehmer von Firmen, Messnetzwerken und Forschungseinrichtungen zum Erfahrungsaustausch “Nano meets Enviro“ getroffen. Dabei ging es um Feinstaubmessung und Nanopartikel. Welche Erkenntnisse wurden dabei gewonnen? 

Dr. Friedhelm Schneider: Die Teilnehmer konnten sich aus erster Hand über neue Entwicklungen in der Partikelmesstechnik informieren. Für die Messnetzbetreiber ist es wichtig zu wissen, welche Geräte für den Einsatz in Messnetzen zur Überwachung der Feinstaubkonzentration zugelassen sind oder sich gerade in der Entwicklung befinden. Informationen aus nationalen und internationalen Normungsgremien sind wichtig. In solchen Gremien arbeiten die Hersteller und Wissenschaftler aktiv mit und für die Messnetze ist es wichtig zu wissen, wo die Reise hingeht, wenn es zum Beispiel um die Verschärfung von Grenzwerten geht oder um die Einführung neuer Verfahren. Auf der anderen Seite formulieren die Betreiber der Messnetze und wissenschaftliche Anwender offen ihre Anforderungen aus der Praxis und geben uns als Hersteller Feedback, was an einem Messgerät zu verbessern wäre. 

Ganz allgemein: Wie gut ist die Luftqualität im Berchtesgadener Land im Vergleich zu Städten wie München?

Schneider: Wir haben im Berchtesgadener Land eine recht gute Luftqualität. Allerdings muss man immer aufpassen, dass man Äpfel nicht mit Birnen vergleicht. Schaut man zum Beispiel auf der Internetseite des Umweltbundesamtes im Luftqualitätsindex nach, erkennt man, dass in München mehrere Messstationen für Stickstoffdioxid, Feinstaub und Ozon betrieben werden. Dabei decken die Messstationen unterschiedliche Lagen ab. Die Messstationen an der Landshuter Allee und dem Stachus decken den städtischen Verkehr, die Messstation an der Lothstraße den städtischen Hintergrund ab. Darüber hinaus gibt es noch zwei weitere Messstationen im Großraum München für den vorstädtischen Hintergrund. Im Vergleich dazu gibt es im Berchtesgadener Land nur eine Messstation in Bad-Reichenhall an der Kirchholzstraße und diese misst nur Stickstoffdioxid und Ozon, nicht aber Feinstaub. Die nächstgelegenen Messstationen für Feinstaub befinden sich in Oberaudorf und Trostberg. 

Woran liegt das?

Schneider: Das liegt unter anderem an den Vorgaben für ein Luftgütemessnetz: Dass eben dort gemessen werden muss, wo viele Leute betroffen sind, also in den großen Städten oder wo eine hohe Belastung zu erwarten ist. Das sind eben auch wieder die großen Städte, weil hier viele Leute zur selben Zeit mit dem Auto fahren oder große Industrieanlagen Schadstoffe in die Luft freisetzen. Wir im Berchtesgadener Land können, ähnlich wie beim Wetterbericht auch, auf Daten aus Österreich zurückgreifen. Diese zeigen, dass wir hier in der Regel eine gute Luftqualität haben. Im Winter sieht das allerdings etwas anders aus. Man sieht sehr schön, dass die vielen Holzheizungen hier in der Region deutlich zur Feinstaubbelastung beitragen. Das hören die Leute zwar nicht gerne, aber so ist es. Zudem wäre es recht einfach, mit entsprechender Technik, die gar nicht teuer ist, die Verbrennung so zu optimieren, dass beim Heizen mit Holz weniger Feinstaub und Stickoxide in die Luft geblasen werden.

Ihre Firma stellt Messgeräte her, die Luftschadstoffe in Echtzeit messen. Wo und wie kommen diese zum Einsatz? Was wird mit Ihrer Technik gemessen?

Schneider: Unsere Kunden sind vor allem Betreiber von Luftgütemessnetzen. Diese dürfen nur sogenannte eignungsgeprüfte Messgeräte verwenden. Das bedeutet, dass wir als Hersteller mit aufwendigen Prüfungen, etwa durch den TÜV, nachweisen müssen, dass unsere Messgeräte richtig messen und alle Anforderungen erfüllen. Solche Geräte werden weltweit angefragt. Wir sind aber auch ganz nah in Österreich sehr aktiv. Unsere Feinstaubmessgeräte verwenden zur Detektion der Staubteilchen Laserlicht. Das hat Vorteile, weil solch eine Messung schnell und sehr präzise ist. Dieses Verfahren hat auch den Vorteil, dass man mehrere Staubfraktionen gleichzeitig messen kann, also etwa den Gesamtstaub und den Anteil, der tief in die Lunge gelangt. Ein weiteres Anwendungsfeld sind Messungen von Staub am Arbeitsplatz: Mit diesen kann man im Betrieb dort messen, wo der Staub entsteht oder dort, wo Mitarbeiter arbeiten. Mit einer Software kann man direkt in Echtzeit zeigen, was gerade passiert. Das ist für Sicherheitsschulungen hilfreich, aber auch zur Verbesserung von Produktionsabläufen.
Neben den Staubmessgeräten haben wir auch Geräte, die sehr kleine Teilchen messen können. Solche Geräte kommen bei Messkampagnen zum Einsatz, im Regenwald des Amazonas, auf Forschungsschiffen, aber auch in der Industrie. Mittlerweile haben wir eine Datenbank mit über 700 wissenschaftlichen Veröffentlichungen, bei denen unsere Messgeräte verwendet wurden.  

Ultrafeine Partikel aus Verbrennungsmotoren schädigen die Lungen. Welche Herausforderungen bringen Nanopartikel ganz allgemein mit sich? 

Steiner: Nanopartikel sind kleiner als 100 Nanometer. Das ist unvorstellbar klein. Zum Vergleich: Wäre ein Nanopartikel so groß wie ein Fußball, dann hätte ein Nasenloch im gleichen Maßstab den Durchmesser von einem Kilometer. Die Herausforderung bei Nanopartikeln ist, dass sie so klein sind und praktisch nichts wiegen. Man kann sich das so vorstellen, wie ein Elefant als Staubpartikel und 1000 Fliegen als Nanopartikel, die auf dem Rücken des Elefanten sitzen. Ein Elefant wiegt etwa fünf Tonnen. Eine Fliege etwa zwanzig Milligramm. Selbst wenn man also 1000 Fliegen hätte, wiegen diese nur 20 Gramm. Für das Gesamtgewicht aus Elefant und Fliegen ist es daher egal, ob man die Fliegen mit wiegt oder nicht. Für die Luftgüteüberwachung bedeutet das: Man kann Nanopartikel nicht wiegen. Wenn man also wissen will, ob und wie viel Nanopartikel in der Luft sind, dann muss man diese zählen, was wir auch tun. Dies ist äußerst wichtig, denn so wie die Fliegen Krankheiten übertragen können, machen Nanopartikel die Menschen krank, wenn man zu viele davon einatmet. Für die Verbesserung von Motoren, Verbrennungsprozessen, Filteranlagen, aber auch für die Klimaforschung oder Luftqualität in Innenräumen ist es wichtig, die Anzahl und Größe der Nanopartikel genau zu kennen. Hierfür gibt es Normen und Richtlinien, damit alle möglichst richtig messen und die Messwerte auch vergleichbar sind.

Kürzlich wurde mehreren Gemeinden im Berchtesgadener Land erneut das Prädikat „Heilklimatischer Kurort“ verliehen. Vorangegangen waren Feinstaubmessungen, die der Deutsche Wetterdienst an viel befahrenen Straßen unternahm. Wie aussagekräftig sind solche Untersuchungen an festgelegten Standorten zur Erreichung solcher Auszeichnungen?

Schneider: Die Idee, dort zu messen, wo die Belastung hoch ist, eben an Straßen, ist sinnvoll. Zudem wird das Verfahren vom Deutschen Wetterdienst seit vielen Jahren eingesetzt und man kann die Ergebnisse mit früheren Messungen vergleichen. Aber wie erläutert, beschränkt sich das Verfahren darauf, den Staub auf Filtern zu sammeln und dann auszuwiegen, so wie die Elefanten in der Luft. Die gesundheitliche Wirkung des Feinstaubs hängt nicht von der Staubmasse ab. Viel wichtiger ist, wie groß die Teilchen sind. Wie viele sind es? Wo landen sie in der Lunge? Aus welchem Material setzen sie sich zusammen? Ich würde mir zum Beispiel wünschen, wenn die Richtlinie für die Bewertung der Luftqualität bei Heilklimatischen Kurorten an die neuen Erkenntnisse zu den ultrafeinen Partikeln angepasst werden würde. Man könnte zum Beispiel die Gesamtpartikelanzahl für die Bewertung der Luftqualität als zusätzlichen Parameter mit aufnehmen. Das wäre auch im Einklang mit aktuellen Aussagen der Weltgesundheitsorganisation WHO und der Europäischen Union. 

Seit Jahren steht der Flughafen in Salzburg im Fokus, Partikelemissionen von Flugzeugen könnten Auswirkungen auf die Bevölkerung im hiesigen Umfeld haben. Wie schädlich ist es, rund um einen Flughafen zu leben? Was sagen die Messungen in diesem Bereich? 

Schneider: Flugzeuge emittieren ultrafeine Partikel. Das können die Mitarbeiter vom Referat Immissionsschutz und dem Landeslabor des Landes Salzburg auch direkt am Flughafen Salzburg messen. Während des Lockdowns oder der Sperrung des Flughafens, um die Start- und Landebahn zu erneuern, lag die Konzentration ultrafeiner Partikel im Mittel nur etwa halb so hoch, sonst beträgt sie etwa 10000 Partikel pro Kubikzentimeter. Bei einzelnen Starts können es kurzzeitig für wenige Minuten auch mal bis zu 100000 sein. Der Flughafen ist also lokal eine Partikelquelle. Mit zunehmender Entfernung von der Quelle verdünnt sich der Effekt immer mehr. In der Umgebung des Flughafens Frankfurt konnten noch in 14 Kilometer Entfernung ultrafeine Partikel eindeutig dem Flughafen als Quelle zugeordnet werden. Aus USA sind Untersuchungen bekannt, die Effekte in 40 Kilometern Entfernung belegen. Dies liegt daran, dass ultrafeine Partikel nicht wie große Staubteilchen bei Regen aus der Luft ausgewaschen werden. Die Messungen vom Land Salzburg zeigen im langjährigen Vergleich, dass die Luftschadstoffe am Flughafen in Salzburg deutlich zurückgehen. Das ist erfreulich. Der Flughafen Salzburg ist zwar mit 1,7 Millionen Fluggästen in 2019 der zweitgrößte in Österreich. Wien hat zum Beispiel deutlich mehr. Der Beitrag vom Flughafen an der Luftqualität in und um Salzburg ist also nur relativ. Die Reduzierung des Fluglärms durch ein konsequentes Nachtflugverbot und der vermehrte Einsatz von Flugzeugen mit modernen, sparsamen und leisen Triebwerken sind Maßnahmen, die man zum Wohle aller konsequent umsetzen sollte.

kp

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