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Mehr Sorgen, weniger Kühe

Almbauern und Sennerinnen unter Druck: Der leise Kampf um die Wertschätzung ihrer Arbeit

Die diesjährige Almbauern- und Sennerinnenversammlung war gut besucht.
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Die diesjährige Almbauern- und Sennerinnenversammlung war gut besucht.

Die Berglandwirtschaft im Berchtesgadener Land kämpft mit Bürokratie und fehlender Politikunterstützung. Bezirksalmbauer Kaspar Stanggassinger warnt bei der diesjährigen Almbauern- und Sennerinnenversammlung vor dem drohenden Aussterben vieler Höfe.

Berchtesgadener Land – Die Berglandwirtschaft steht in Bedrängnis. Die schwierige Lage unterstrich Bezirksalmbauer Kaspar Stanggassinger bei der diesjährigen Almbauern- und Sennerinnenversammlung im Gasthaus Brennerbräu. Zwar gebe es noch junge Landwirte, die weitermachen wollen, doch werde seitens der Politik die Lage nicht gerade vereinfacht. Lob gab es für die Demonstrationen der vergangenen Wochen. 

Wässrige Augen hat Kaspar Stanggassinger als er vor voll besetztem Saal vom Status quo der Berglandwirtschaft spricht. „Früher war jeder Hof wertvoll für die Lebensmittelerzeugung“. Heutzutage ist der Fortbestand des Bauern-Daseins ein Kampf mit überbordender Bürokratie. Die Anzahl der Höfe sinkt, viele Landwirte und Almbauern werden in den kommenden Jahren aufhören. Nachfolger finden sich selten. „Der Arbeitseinsatz wird immer höher, die Einnahmen sinken.“ Die Regelungswut der Behörden steigt. Obwohl alle Versammelten einig sind, dass sich das ändern müsse. 

Almbauern enttäuscht von der Politik

Viele hätten bereits „ihre Tore für immer geschlossen“, sagt Kaspar Stanggassinger. Er ist langjähriger Bezirksalmbauer, das Sprachrohr für die, die im Sommer ihre Almen bewirtschaften. Seine Aussagen werden gehört, sie haben Gewicht. Stangassinger ist lange dabei. Was von politischer Seite zum Erhalt der Bauernschaft beigetragen wird, darüber herrscht derzeit allgemein Enttäuschung und Ernüchterung. Die Bauernproteste sind eine Form des Ausdrucks. 

Kaspar Stanggassinger untermauert die derzeit wenig aussichtsreiche Zukunft für Alm- und Bergbauernbetriebe mit Nachdruck. Dass die Milchkühe in seinem Zuständigkeitsgebiet immer weniger würden, sei für ein „Berggebiet traurig“. Zumal die Bezirksalmbauernschaft rund um Berchtesgaden wesentlich mit dem Tourismus in Verbindung steht. Ohne kultivierte Almflächen könnten zukünftig die Gäste am Berg ausbleiben. Aussagen wie diese verhallen meistens im Nichts. Auch Landtagsabgeordneter Michael Koller (Freie Wähler) ist da: Er zeigt Unterstützung. „Wir haben das Ohr an der Basis“, sagt er. Und Sätze wie diese: „Wir haben euch im Blick.“ Im Blick haben, das reicht schon lange nicht mehr. Almbauern „sind vom Aussterben bedroht“, so würde man es über verschwindende Arten im Tierreich sagen.

Schon jetzt verändert sich an manchen Orten das Landschaftsbild deutlich, weil Almflächen nicht mehr bestoßen werden. Die pflanzliche Vielfalt sei auf das Vieh zurückzuführen: „Man braucht keine Schulung, um zu wissen, was nach fünf Sommern auf den Flächen ohne Bewirtschaftung wachsen wird.“  Betriebe, die ihr Vieh im Sommer auf Weiden halten, seien prägend für die Grünland dominierte Landschaft. Stanggassinger sagt, er wolle nicht dran denken, „wie es in zehn Jahren aussehen wird“.

„Der Wolf hat eine Berechtigung, aber nicht bei uns.“

„Kühe und Bauern müssen aktuell für alles herhalten“, sagt er. Er beklagt die überbordende Bürokratie, „für einfach alles müssen wir Formulare ausfüllen, das ist bei der hohen Arbeitsbelastung nicht zumutbar“. Auch in Sachen Wolf sei es die Landwirtschaft, die sich mit dessen Umgang befassen und sich anpassen solle: „Allerdings funktioniert Almwirtschaft mit dem Wolf nicht, auch nicht bei uns im Nationalpark“, so der Landwirt. Bischofswiesens Bürgermeister Thomas Weber unterstützt diese Ansicht: „Der Wolf hat eine Berechtigung, aber nicht bei uns. Das Tier ist nicht mehr gefährdet“, sagt er. 

Almfachberater Alfons Osenstätter vom Amt für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten in Traunstein (AELF) sagt, dass sowohl das Berchtesgadener Land als auch Traunstein aus der Förderkulisse des Herdenschutzes rausgefallen seien. Zu lange gab es keinen bekannt gewordenen Wolfübergriff mehr. Länger als sechs Monate liegt die letzte Sichtung zurück. „Wir haben das Massl, dass Österreich als Puffer neben uns liegt.“

Der Druck komme aber aus Richtung Norddeutschland. Sepp Glatz, Vorsitzender des Almwirtschaftlichen Vereins Oberbayern (AVO), fordert eine Herabstufung des Schutzstatus des Wolfes. In Deutschland seien im vergangenen Jahr 4000 Risse an Nutztieren gezählt worden: „Der Schaden ist groß.“ Beim AVO setzt man auf Gespräche - sowohl in Sachen Wolf als auch hinsichtlich der Forderungen der Bauern im Zuge der Demonstrationen. „Reden kann man mit jedem“, so Glatz, der selbst bei den Gesprächen im Umwelt- und Landwirtschaftsministerium mit dabei war. Ob es was bringt, werde sich zeigen. Das Thema des Abschusses müsse endlich rechtssicher werden.

Anforderungen bedeuten für viele Betriebe das Aus

Ein ebenfalls bedeutendes Anliegen: der anstehende und beschlossene Wegfall der Anbindehaltung, so Glatz. Die Kombihaltung verbleibe dann als einzige Alternative: „Damit müssen wir uns wohl abfinden.“ Für Hans Gruber, Kreisobmann des Bayerischen Bauernverbands im Berchtesgadener Land, bleibt die Kombihaltung großes Thema. „Das sollte uns unter den Nägeln brennen.“ Die geplanten Auflagen für die Kombihaltung sind nahezu vergleichbar mit Ökostandards, für viele Betriebe nicht zu erfüllen. Nach aktuellen Planungen wäre eine Hofübergabe zudem nicht mehr möglich. Gruber will sich gegen den geplanten Tierwohl-Cent wehren. „Den zahlen die Bauern am Ende komplett selber. Der darf nicht kommen“, sagte Gruber.  

Entwicklungen in der Landwirtschaft und im Förderprogramm

Almfachberater Alfons Osenstätter verkündete zunächst den Wechsel an der Spitze des Amtes für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten: So wird Ministerialrat Michael Kaiser die Nachfolge von Alfons Leitenbacher im AELF Traunstein antreten, der Ende Mai in den Ruhestand gehen wird.

Zufrieden zeigte sich Almfachberater Osenstätter mit der Landwirtschaftsschule in Traunstein. Voll- und Teilzeitschule seien gut besucht. Die Warteliste sei mit 44 Schülern beträchtlich, was Osenstätter erfreut. Der AELF-Mitarbeiter weiß aber auch: „Es gibt immer mehr Schüler, die ohne landwirtschaftlichen Hintergrund kommen.“ Viele absolvierten eine landwirtschaftliche Ausbildung gar als Zweitlehre. Über 100 Bewerbungen liegen aktuell vor. „Wir können jedes Jahr aber nur 30 Leute nehmen“, sagte Osenstätter. Die Wartezeiten seien daher lang. Traunstein als Schulstandort für eine Landwirtschaftsausbildung sei dennoch gesichert.

Gute Nachrichten gibt es von den Förderobergrenzen beim Bergbauernprogramm. So seien diese um das Doppelte angehoben worden, nachdem die letzte Anpassung im Jahr 2000 stattgefunden hatte. So seien etwa bei Kaser-Neubauten nun bis zu 220.000 Euro förderfähig. „Endlich ist mal etwas passiert“, sagte Sepp Glatz vom AVO. Osenstätter berichtete, dass beim Stallbauförderprogramm ausreichend Bearbeitungszeit eingeplant werden müsse, „mindestens ein halbes Jahr“. Das bayerische Sonderprogramm für landwirtschaftliche Spezialmaschinen ist indes bis September ausgesetzt worden. Erst danach seien Förderungen wieder möglich.

kp

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