Was kommt da auf uns zu?
Es rumpelt unter den Alpen: Jetzt warnt ein Forscher vor schlimmer Erdbeben-Katastrophe
Seit Wochen erschüttert eine Erdbeben-Serie das Dreiländereck zwischen Bayern, Tirol und Salzburg. Auch entlang des Inns und bis hoch ins Allgäu gibt es Erdstöße. Bislang harmlos, doch ein Innsbrucker Forscher warnt: Möglich sind auch heftigere Beben in unserer Region.
München/Innsbruck – Der Boden scheint zu brodeln: Das österreichische Institut für Wetter und Erdbebenforschung GeoSphere Austria hat im Januar im österreichisch-bayerischen Grenzgebiet 500 Erdstöße registriert. Zum Vergleich: Im vorigen Jahr wurden insgesamt 1300 Beben in Österreich gezählt. Allein rund um St. Johann registrierten die Sensoren 350 Beben. Das Stärkste am 23. Januar mit der Magnitude 3,9 weckte frühmorgens um 4.50 Uhr viele Anwohner. Auch im Inntal bebte es zwischen Wörgl und Imst, selbst an der Zugspitze und in Oberstdorf im Allgäu wackelte der Boden.
Die Stärke der Erdstöße ist bislang nicht besorgniserregend, ihre Häufigkeit aber ungewöhnlich. „Alles ist im Normalbereich“, erklärt Christine Freudenthaler, Seismologin von GeoSphere Austria. „Das sind Versetzungen im Untergrund, Spannungen in der Erdkruste, die sich statt in einem größeren Beben in vielen kleinen Stößen lösen.“ Laut Joachim Wassermann, Leiter der Abteilung Seismologie des Bayerischen Geophysikalischen Observatoriums in Fürstenfeldbruck, müsse man nördlich des Inns maximal mit Erdbeben der Stärke 5,5 rechnen. Die nördlichen Alpen seien zu weit weg von der Zone in Norditalien, in der sich die adriatische Platte unter die europäische Kontinentalplatte schiebt und so die Alpen weiter faltet. Dort kommt es immer wieder zu schweren Erdbeben. 1976 forderte ein Erdbeben im Friaul 989 Menschenleben.
Erdbeben in Alpen: Bergsturz mit Gewalt von 220 Hiroshima-Bomben
Jasper Moernaut, Professor am Institut für Geologie der Uni Innsbruck, hält Beben dieser Stärke aber auch in den nördlichen Alpen für möglich. Das Institut hatte bei der Erforschung von Schlammschichten in mehreren Seen in Tirol herausgefunden, dass Erdbeben in prähistorischer Zeit riesige Bergstürze zwischen Zugspitze und Ötztal verursachten. Vor rund 4100 Jahren brachen oberhalb des Eibsees bei Garmisch-Partenkirchen 350 Millionen Tonnen Gestein aus der Zugspitze, stürzten 1400 Meter in die Tiefe und schoben sich über den See. Der Bergsturz hatte die Gewalt von 220 Hiroshima-Bomben, jegliches Leben wurde im Katastrophengebiet vernichtet.
Am Tschirgant in Tirol stürzten 1100 Jahre später bei einem weiteren Bergsturz 240 Millionen Kubikmeter Fels in die Tiefe, der Schutt staute den Inn auf, die gigantische Steinlawine rollte bis ins Ötztal. 18 Quadratkilometer Land wurden verschüttet. Insgesamt fanden die Geologen die Spuren von zehn prähistorischen Erdbeben zwischen Ötztal und Zugspitze mit Magnituden bis zu 6,5 – wie 1976 im Friaul. Auch am Achensee entdeckten die Forscher Spuren eines Bebens von vor etwa 8300 Jahren.
Ist die Zeit dieser großen Beben in den nördlichen Alpen vorbei? Moernaut glaubt das nicht. „Man muss auch in Zukunft damit rechnen.“ Ein neues Starkbeben könnte schwere Schäden verursachen. „Würde sich das Beben vom Achensee wiederholen, wäre München von einer Erdbebenintensität von sieben betroffen.“ Den Innsbrucker Forschern zufolge kommt es in den Alpen in Tirol, Bayern und Salzburger Land alle 1000 bis 2000 Jahre zu einem schweren Erdbeben mit einer Magnitude von über 6. Das letzte dieser Größenordnung ist jetzt 3000 Jahre her.
Folgen könnte aber schon ein leichteres Beben für die bayerische Bergwelt haben. Etwa für den Hochvogel (2592 Meter) im Allgäu. Denn dort klafft ohnehin schon ein riesiger Spalt am Gipfel. Und Johannes Leinauer vom Lehrstuhl für Hangbewegungen der TU München sagt, ein Erdbeben im Umkreis von 25 Kilometern mit einer Magnitude von fünf könne den Gipfel zum Einsturz bringen. Akuter Grund zur Sorge besteht allerdings nicht. Touristen-Hotspots wie Hochvogel, Zugspitze oder auch Partnach- und Höllentalklamm werden geologisch engmaschig überwacht.