Pläne der Labour-Partei
Großbritannien nach der Wahl: Die wirtschaftlichen Herausforderungen sind groß
Nach 14 Jahren konservativer Regierung übernehmen die Sozialdemokraten in Großbritannien. Die Bewältigung des Chaos wird jedoch durch einen gigantischen Schuldenberg erschwert.
London – Das Wahlergebnis war eindeutig. Nach 14 Jahren konservativer Führung wurde am Donnerstag die sozialdemokratische Labour-Partei mit überwältigender Mehrheit gewählt. Prognosen der BBC gehen davon aus, dass sie 410 der 650 Sitze im Parlament gewonnen hat. Mit diesem Sieg erhält die Labour-Partei die „Chance, das endlose Chaos der Konservativen zu stoppen, das die Finanzen jeder Familie in Großbritannien direkt geschädigt hat“, so Keir Starmer, der nachfolgende Premierminister nach Rishi Sunak. Das Chaos zu beseitigen wird jedoch keine leichte Aufgabe sein – die neue Regierung sieht sich einem Schuldenberg und langjährigen wirtschaftlichen Herausforderungen gegenüber.
Die britische Wirtschaft auf Verbesserungskurs - das ist der Stand
Die Wirtschaft von Großbritannien zeigt bereits vor der Wahl erste Anzeichen einer Veränderung. Nach dreijähriger Stagnation wuchs das Bruttoinlandsprodukt (BIP) in der ersten Jahreshälfte um 0,7 Prozent im Vergleich zum letzten Quartal. Im Vergleich zum Vorjahr stieg das BIP um 0,3 Prozent, berichtete das englische Statistikamt ONS im Juni. Zum Vergleich: In den USA wuchs das BIP im letzten Quartal um 1,4 Prozent, während Deutschland im gleichen Zeitraum nur ein Wachstum von 0,2 Prozent und Europa insgesamt 0,3 Prozent verzeichneten.
Zudem ist die jährliche Inflationsrate im Vereinigten Königreich deutlich gesunken. ONS meldete zuletzt, dass die Inflationsrate der Konsumpreise im Mai etwa 2,8 Prozent betrug. Auf dem Höhepunkt befand sich die Rate im Oktober 2022 mit einem Wert von 9,6 Prozent.
Und auch London bleibt weiterhin einer der wichtigsten Finanzhubs weltweit. Auf Platz zwei liegt die Stadt hinter New York laut dem Index der Z/Yen Gruppe. Die Londoner Börse profitierte dabei vor allem von den Wahlergebnissen. Mit dem Gewinn der Labour-Party verzeichnete der englische Unternehmensindex FTSE100 einen Zuwachs von 0,9 Prozent am Freitag.
Wirtschaftlich immer noch einige Baustellen
Die vergangenen Herausforderungen des Vereinigten Königreichs haben dennoch ihre Spuren in der Wirtschaft hinterlassen. Offizielle Schätzungen der Financial Times zufolge wird der Brexit seine langfristige Performance um vier Prozent in Zukunft schmälern. Die Kosten von über 100 Milliarden Dollar pro Jahr, laut verschiedener Quellen, sind jedoch nur schwer zu bewältigen - vor allem bei einem so großen Schuldenberg.
Die Schuldenquote der britischen Regierung beläuft sich Ende letzten Jahres auf etwa 2,7 Billionen Pfund (3,19 Billionen Euro). Das entspricht ganze 101 Prozent des BIP, berichtet ONS. Im Vergleich zum Jahr 2022 sind die Schulden damit um 0,9 Prozent gestiegen. Zum Vergleich: Die Staatsschulden von Deutschland beliefen sich auf etwa 2,5 Billionen Euro im letzten Jahr.
Der Rückgang der Kaufkraft in Großbritannien, zusammen mit den hohen Zinssätzen der Zentralbank von England, lässt jedoch wenig Spielraum, um aus der Krise herauszukommen. Auch die Wohnpreise sind laut der Financial Times stark gestiegen. Mieten sind in den letzten zwei Jahren um 13 Prozent gestiegen, und das Verhältnis zwischen Einkommen und Kosten ist so hoch wie in fast keinem anderen Land. Die Mietpreisrate ist dreimal so hoch wie in Frankreich und Deutschland.
Das sind die Pläne der neuen Regierung in Bezug zum Wirtschaftsaufbau
Keir Starmer hat bereits vor dem Wahlergebnis in seinem Manifest beschrieben, wie er das sogenannte „Chaos“ der konservativen Regierung meistern will. Dabei setzt er auf fünf zentrale Missionen. Als Erstes plant die sozialdemokratische Labour-Partei die Stabilisierung der Wirtschaft. Dies soll durch Sparmaßnahmen und einen nationalen Wohlstandsfonds gelingen, der Innovation fördern soll. Dieser Fonds wird während der Parlamentszeit mit 7,3 Milliarden Euro ausgestattet. Außerdem plant die Regierung den Bau von 1,5 Millionen neuen Häusern, um die Wohnkrise einzudämmen. Auch der Ausbau des Schienennetzes und die Stärkung der Wirtschaft in Europa durch neue Handelsverträge stehen auf der Agenda.
Neben den wirtschaftlichen Maßnahmen soll das Gesundheits- und Bildungssystem reformiert werden. Zudem will die neue Regierung mit „Great British Energy“ ein öffentliches Unternehmen schaffen, das nachhaltige Energie im Land produziert.
Die Vorhaben der Labour-Partei sind ambitioniert - aber ohne verfügbare Geldmittel nur schwer umzusetzen. Ob der Anspruch nach Einsparungen und Verbesserungen damit Hand in Hand gehen können, bleibt daher abzuwarten. Auf neue Schulden zu verzichten, wird der neuen Regierung wahrscheinlich zunächst nicht gelingen.
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