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Rechtsgutachten

„Treffsicherheit der Sozialausgaben stärken“: Warum der Bundeshaushalt wieder stark wackelt

Die Ampel hat lange um den Haushalt 2025 gerungen. Jetzt droht eine Neuauflage des Streits. Grund sind verfassungsrechtliche Bedenken.

Berlin – Nächtelang haben Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD), Wirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) und Finanzminister Christian Lindner (FDP) über den Haushalt 2025 gestritten. Die Ampel-Koalition drohte, an den Finanzen und an den Fragen rund um Sozialabgaben und Schuldenbremse zu scheitern. Am Ende stand die Einigung zu Haushalt und Wachstumspaket. Jetzt drohen der Regierung offenbar Nachverhandlungen zum mühsam erstrittenen Kompromiss.

Grund sind drei Methoden, wie die Scholz, Habeck und Lindner die Haushaltslücke von etwa 17 Milliarden Euro zumindest teilweise zu schließen und auf knapp neun Milliarden Euro zu drücken. Das Finanzministerium hatte diese auf ihre verfassungsrechtliche – Stichwort Schuldenbremse – und wirtschaftliche Tragbarkeit prüfen lassen.

Haushalt 2025 steht vor Neuverhandlungen: Soziales und Schuldenbremse erneut Streitpunkte?

Die Bewertungen hätten ergeben, dass „weitere Gespräche innerhalb der Bundesregierung sowie im Rahmen der parlamentarischen Beratungen notwendig seien“, heißt es dazu aus dem Finanzministerium. Das von FDP-Chef Lindner geführte Ministerium nannte zudem auch Vorschläge, wo gespart werden könnte. Neben Konsumausgaben ist der Bereich Soziales im Fokus: „Auch Maßnahmen zur Stärkung der Treffsicherheit der Sozialausgaben, über die bislang keine politische Einigung erzielt werden konnte, könnten den Handlungsbedarf reduzieren.“

Die Schuldenbremse soll jedoch nicht zur Debatte stehen. Aus Sicht des Finanzministeriums bestehe die Möglichkeit eines sogenannten Notlagenbeschlusses, der höhere Schulden ermöglicht, „verfassungsrechtlich und ökonomisch nicht“.

Rechtsgutachten erheben Zweifel an Ampel-Methoden gegen Lücke im Haushalt 2025

Notwendig dürften die erneuten Beratungen rund um den Haushalt 2025 werden, weil zwei Expertengutachten Zweifel an den bisherigen Ideen zur Reduzierung der Finanzierungslücke haben. Dabei ging es um Darlehen an die Bahn und die Autobahngesellschaft sowie bei der Förderbank KfW liegende 4,9 Milliarden Euro, die ursprünglich für die Gaspreisbremse vorgesehen waren. Schon während der Beratungen gab es Zweifel, weshalb die Ideen geprüft wurden.

Bei der Vorstellung des Haushaltsentwurfs für 2025 waren Lindner, Habeck und Scholz noch ausgelassen, doch jetzt drohen Neuverhandlungen.

Besonders an der Nutzung der Milliarden der KfW gab es Zweifel, weil diese an die im vergangenen Jahr vom Bundesverfassungsgericht gekippte Umwidmung von Corona-Krediten im Klima- und Transformationsfonds erinnerten. Der wissenschaftliche Beirat des Finanzministeriums sieht nun „erhebliche verfassungsrechtliche Risiken, da aus Notlagenkrediten stammende Mittel für den Bundeshaushalt genutzt werden“. Das widerspreche nicht nur der grundgesetzlich festgelegten Schuldenbremse, auch der Gesetzgeber hatte eine Nutzung für andere Zwecke ausgeschlossen.

Experten äußern Zweifel an verfassungsrechtlicher und ökonomischer Tragbarkeit der Ampel-Pläne

Auch das Gutachten des Bielefelder Juristen Johannes Hellermann sieht das als Risiko. Er empfiehlt, die Mittel nicht zur Schließung der Finanzierungslücke zu nutzen, sondern lediglich zur Tilgung von Schulden.

Weniger eindeutig fallen die rechtlichen Einschätzungen im Falle der Umwandlung der Zuschüsse in Darlehen aus. Hellermann sieht die Darlehensvergabe an die Bahn als zulässig an, der Beirat sieht Probleme, wenn der Bund die Darlehen selbst tilgen müsse, weil der Bahn die Mittel fehlen. Bei der Autobahn GmbH ist es laut Beirat nicht möglich, weil die Gesellschaft keine eigenen Einnahmen habe. Laut Hellermann seien hier politische Weichenstellungen erforderlich.

Dem Finanzministerium zufolge ist das vor Verabschiedung des Haushalts für 2025 nicht möglich. Bei der Bahn dagegen sieht das Finanzministerium mehr Handlungsspielraum. Es spricht sich für eine Eigenkapitalrückführung von bis zu 3,6 Milliarden Euro aus, womit sich rechnerisch die bisherige Planungslücke in diesem Umfang schließen ließe.

Wie die Ampel die Lücke im Haushalt 2025 jetzt schließen will

In den Plänen für den Haushalt 2025 gibt es eine große Finanzierungslücke. Die Ampel-Koalition hofft, neun Milliarden Euro dadurch ausgleichen zu können, dass Ministerien nie alle Gelder aus Etat abrufen. In den vergangenen Jahren blieben mehrfach Milliardenbeträge übrig. Ein Haushaltsloch von 17 Milliarden Euro zu schließen, ist auf diese Art jedoch unrealistisch. Gegenüber dem Handelsblatt hat Lindner bereits angekündigt, keinen Haushalt mit einer so großen Lücke beschließen zu lassen.

Die Ampel-Koalition hat jedoch noch Zeit. Bis Mitte August soll der Haushaltsentwurf zwar an den Bundestag überwiesen werden. Doch auch in den dortigen Verhandlungen sind noch Änderungen möglich. Laut Welt kann die Regierung zudem die Konjunktur- und Steuerschätzung im Herbst abwarten. Dann ist klarer, ob der finanzielle Spielraum doch größer ist. Zur Abstimmung soll der Haushalt ohnehin erst im November kommen.

Ökonom äußert Kritik an der Ampel: Beim Haushalt haben wir „immer mehr Verunsicherung“

Angesichts der schwachen Wirtschaftslage und dem 0,1-Prozent-Rückgang des Bruttoinlandsprodukts im zweiten Quartal steht die Ampel wirtschaftspolitisch ohnehin unter Druck. „Die Eurozone wächst, nur Deutschland kommt nicht in Gang“, sagte Thomas Obst vom Institut der deutschen Wirtschaft am Freitag, 2. August, im ARD-Morgenmagazin. „Wir stecken fest der Stagnation.“

Die Wirtschaftspolitik sollte für Stabilität sorgen und in der Transformation die „richtigen Signale“ setzen. Die Ampel habe mit dem Haushalt jedoch gezeigt: „Wir kommen da einfach nicht hin, wir haben immer mehr Verunsicherung“, sagte Obst.

Union attackiert Ampel wegen Haushalt: „Tatsächlich gar keine Haushaltseinigung“

Deutliche Worte fällt daher auch die Opposition. „Es gibt tatsächlich gar keine Haushaltseinigung“, sagte Mathias Middelberg, stellvertretender Fraktionsvorsitzender der Union im Bundestag, gegenüber dem Redaktionsnetzwerk Deutschland (RND). Finanzminister Lindner habe sich „wieder einmal von Kanzler Scholz hinter die Fichte führen lassen“. Die aktuellen „kanzler-Ideen zur Stopfung des Haushaltslochs“ seien „verfassungsrechtlich höchst problematisch“.

Mit Blick auf die Inhalte der möglichen Neuverhandlungen des Haushalts warnte Linken-Chefin Janine Wissler vor Kürzungen im Sozialen. „Statt auf weitere Sozialkürzungen zu drängen, sollte Lindner das Geld dort holen, wo es genug davon gibt“, sagte sie den Zeitungen der Funke-Mediengruppe. „Die Wiedereinführung der Vermögenssteuer brächte den Ländern zusätzliche Milliarden für Soziales und Investitionen in die Zukunft, eine angemessene Besteuerung von Übergewinnen und die Schließung von Steuerschlupflöchern würde dem Bund Milliardeneinnahmen bringen.“ (ms mit Agenturen)

Rubriklistenbild: © Michael Kappeler/dpa

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