Eine Analyse
Vom Vorreiter zum Insolvenz-Kandidaten: Wie Elon Musk Tesla in die Krise steuerte
Tesla war einst auf dem Weg, die Autoindustrie zu revolutionieren und machte Elon Musk zum wohlhabendsten Menschen der Welt. Nun steht der ehemalige Vorreiter vor dem möglichen Bankrott. Wie konnte es dazu kommen? Eine Analyse.
Austin - Im Dezember 2024, zwischen der Wahl von Donald Trump zum US-Präsidenten am 5. November 2024 und seiner Vereidigung am 20. Januar 2025, war Tesla rund 1.500.000.000.000 US-Dollar Wert. 1,5 Billionen Dollar – anders ausgedrückt: 1.500 Milliarden oder mehr als doppelt so viel wie VW, BMW und Mercedes zusammen. Tesla-CEO Elon Musk hatte sich in den US-Wahlkampf und damit ins Weiße Haus eingekauft. Es wirkte wie der perfekte Plan – und entwickelte sich zum größten Schritt in Richtung Untergang.
Seit Donald Trump das Amt des US-Präsidenten zum zweiten Mal übernommen hat und Elon Musk als Leiter des Department of Government Efficiency (DOGE) zum Schattenpräsident aufstieg, hat sich der Marktwert von Tesla gegenüber dem Höchststand im Dezember 2024 beinahe halbiert (minus 46 Prozent). Doch die Probleme des Autobauers fingen schon viel früher an - das politische Engagement des Firmenchefs diente dabei lediglich als Brandbeschleuniger. Der dramatische Niedergang und die damit verbundene Hoffnungslosigkeit für Tesla lässt sich in fünf Punkten erklären.
1. Teslas Fahrzeuge: Zu wenige und zu alte Modelle
Wenn man sich die großen Autobauer – egal ob amerikanisch, europäisch oder asiatisch – anschaut, dann blickt man stets auf ein prall gefülltes Fahrzeug-Portfolio, das jeden erdenklichen Einsatzzweck und Geldbeutel abdeckt. So bietet Ford in den USA beispielsweise derzeit 21 verschiedene Fahrzeugmodelle vom SUV über Muscle Car bis hin zum Pickup an. Mercedes Benz in Deutschland kommt auf 35 Modelle, die das gesamte Spektrum vom Kompaktwagen, über Limousine und Geländefahrzeug bis hin zum Roadster abdecken.
Ganz anders sieht es bei Tesla aus. Der amerikanische Elektroauto-Vorreiter kommt weiterhin nur auf fünf Modelle in den USA und auf vier im Rest der Welt: Model S, Model 3, Model Y und Model X bedienen allesamt ein recht ähnliches Fahrzeugsegment, lediglich der berüchtigte Cybertruck wildert im in den USA so beliebten Teilbereich der Pick-ups. Und selbst die vorhandenen Modelle erhalten deutlich zu langsam Updates - es gibt beispielsweise für Besitzer eines älteren Modell S keinen Grund, auf ein neues Modell umzusteigen – die letzte Revision stammt von 2021.
Die kleine Fahrzeugpalette im Zusammenspiel mit seltenen Updates entwickelt sich für Tesla immer mehr zum Problem: Der Autobauer hat sich stets im gehobenen Preissegment positioniert, was zu Beginn der Elektroauto-Entwicklung auch rein von den Produktionskosten her gar nicht anders möglich war. Doch mittlerweile hat sich der Markt weiterentwickelt und zahlreiche Mitbewerber aus Europa und Asien fluten das untere Preissegment, das traditionell vor allem im Bereich des Zweitwagens eine entscheidende Rolle spielt. Hier hat Tesla überhaupt keinen Fuß in der Türe. Und der Cybertruck ist so gebaut, dass er in Europa (und den meisten anderen Ländern) niemals eine Straßenzulassung bekommen kann. Somit bleibt dieses Marktsegment Tesla auch außerhalb der USA verschlossen. Tesla fehlt schlicht das Portfolio, um dauerhaft ein Big Player in der Automobilbranche zu bleiben.
2. Technische Kurzsichtigkeit: Kameras statt Lidar
Ebenfalls aus der Anfangsphase der Elektroautos stammt eine technische Grundsatzentscheidung, die Tesla nun massiv auf die Füße fällt. Als Tesla mehr oder weniger der einzige Autobauer weltweit war, der in relevantem Maße auf Strom statt Benzin als Antriebskraft für Fahrzeuge setzte, galt es, sich vor allem technisch von der alteingesessenen Konkurrenz abzuheben. Ein Tesla war deshalb schon immer ein fahrendes High-Tech-Device, perfekt symbolisiert durch den gigantischen, Tablet-artigen Bildschirm in der Mitte des Armaturenbretts. In Sachen Software war Tesla der Konkurrenz jahrelang meilenweit voraus und ist es teilweise auch heute noch.
Doch im Rahmen dieser Entwicklung traf Elon Musk eine Entscheidung, die nun dafür sorgen könnte, dass Tesla den gesamten rausgefahrenen Vorsprung wieder verlieren könnte. Denn um den Spagat zwischen der revolutionären Technik des (beinahe) selbstfahrenden Autos und der dafür benötigten, aber viel zu teuren Technologie hinzubekommen, setzte Musk bei Tesla auf Kameras als alleiniges Mittel der Umgebungserkennung.
Getreu dem von Musk immer wieder propagierten Motto, dass Menschen auch nur mit den Augen und nicht mit Ultraschall oder ähnlichem ihre Umgebung wahrnehmen, war und ist er davon überzeugt, dass die rein visuelle Erfassung der Umgebung durch Kameras völlig ausreicht, um seine Fahrzeuge sicher durch den Verkehr zu leiten. Dies gelingt ohne Zweifel auch sehr gut, ist aber keineswegs perfekt, wie zuletzt unter anderem ein spektakulärer Test sehr eindrucksvoll bewies.
Teslas Mitbewerber setzten inzwischen fast ausnahmslos auf Lidar-Technologie, eine Art Umgebungs-Abtaster mit Laser. Dabei muss ein Hindernis überhaupt nicht sichtbar sein – sobald der Laser auf ein Objekt trifft, nimmt er es wahr. Optische Täuschungen, Lichtreflexionen oder blendende, tiefstehende Sonne – all das kann einem Lidar nichts anhaben. Eine Kamera hingegen ist gegenüber solchen Einflüssen und Situationen anfällig und somit deutlich unsicherer.
Hätte Musk von Anfang an Lidar in seinen Autos verbaut, wären die ohnehin schon hochpreisigen Teslas ursprünglich wohl nochmal zwischen drei und fünftausend Dollar teurer gewesen. Der Verzicht auf Lidar zugunsten der im Vergleich dazu vernachlässigbar günstigen Kameras ist also nachvollziehbar. Doch inzwischen sind die Lidar-Preise so stark gefallen, dass sie auch in Teslas verbaut werden könnten, ohne den Preis signifikant zu verändern. Dass Musk es dennoch nicht tut, liegt einerseits daran, dass die Software dafür komplett überarbeitet werden müsste und zum anderen daran, dass der Tesla-Chef schlicht nicht eingestehen will, dass sich die technische Realität in den letzten zehn Jahren verändert hat.
3. Teslas größtes Problem: CEO Elon Musk
Und genau jener CEO ist es auch, der den wichtigsten Grund für den aktuellen Niedergang von Tesla darstellt. Elon Musk war schon immer ein Hansdampf-in-allen-Gassen, der stets mehrere Firmen gleichzeitig leitete. Aktuell ist er unter anderem Chef von Tesla, SpaceX, X, Neuralink, xAI und The Boring Company. Man sollte meinen, dass jeder dieser Jobs für sich schon eine Vollzeitbeschäftigung ist, doch Musk war all das bekanntlich noch nicht genug. Seit Ende Januar ist er als Leiter von DOGE, (Department of Government Efficiency, auf deutsch: Abteilung für Regierungseffizienz) auch noch eine zentrale Person der US-Politik.
In dieser Funktion hat Musk des Auftrag, Geldverschwendung innerhalb des Regierungsapparats aufzudecken und abzustellen. Das tut er – wie von ihm selbst sinnbildlich dargestellt – mit der Präzision eines Kettensägen-Mörders und sägt scheinbar wahllos Förderprogramme, Bundesbehörden und das soziale Sicherungssystem der USA zusammen.
Musks Handlungen als DOGE-Chef betreffen Millionen Amerikaner, die ihre Jobs verlieren, plötzlich um ihre Rente fürchten oder keine Sozialhilfe mehr bekommen. Musk hat es so geschafft, außerhalb seiner eigentlichen Kerngeschäfte einen großen Teil der Nation gegen sich aufzubringen. Außerdem unterstützt er rechte und nationalistische Parteien in ganz Europa, wodurch sein politisches Wirken auch über die USA hinaus strahlt.
All dies hat dafür gesorgt, dass Musk derzeit als eine der unbeliebtesten Personen des Planeten gilt. Mit Musk (und dadurch indirekt auch mit Trump) assoziiert zu werden, ist für so viele Menschen unvorstellbar geworden, dass sich die Abneigung direkt auf die Absatzzahlen von Tesla überträgt. Insbesondere die einstige Tesla-Hauptzielgruppe der besser verdienenden, um die Umwelt besorgten Personen, die in der Mitte und links der Mitte des politischen Spektrums verortet werden können, fühlt sich durch Musks Handlungen ab- und vor den Kopf gestoßen. Der Tesla-CEO hat somit seine loyalste und wichtigste Käufergruppe (vermutlich) dauerhaft vergrault.
Tesla vor dem Niedergang: Wie Elon Musk den Ruf seines Goldesels zerstörte




Die Proteste gegen Musk sind zudem längst nicht mehr rein verbaler Natur. Vor allem in den USA, aber auch in Europa, wurden zuletzt zahlreiche Teslas angezündet. Diese Schäden haben in den USA mittlerweile Auswirkungen auf die Versicherungsprämien - diese steigen teils dramatisch, weil die Versicherer fürchten, immer mehr ausgebrannte Teslas ersetzen zu müssen. Egal ob aus Frust über Musk oder aus Sorge um das Auto – in der Folge landen aktuell immer mehr Teslas auf dem Gebrauchtwagenmarkt, was dazu führt, dass die Gebrauchtwagenpreise dramatisch fallen. In den USA ist der Wertverlust von Teslas derzeit dreimal höher als bei vergleichbaren Fahrzeugen anderer Hersteller. Eine Entwicklung, die das Investment in ein Neufahrzeug nochmal unattraktiver macht.
4. Die Tesla-Wildcard: Zoll-Präsident Donald Trump
Mit der Wiederwahl Donald Trumps und Elons Musks de facto Einzug ins Weiße Haus hatten sich Anleger einen gewaltigen Schub für Tesla erhofft. Dementsprechend schnellte die Aktie zunächst auch in schwindelerregende Höhe. Doch seitdem müssen die Tesla-Aktionäre genau wie deren CEO feststellen, dass unter Trump nur eines sicher ist: die Unsicherheit.
Als sich abzeichnete, dass Tesla unter Musks politischem Engagement leidet, sprang Trump seinem größten Spender zunächst zur Seite und veranstaltete eine ebenso skandalöse wie beeindruckende Tesla-Verkaufsshow vor dem Weißen Haus. Er pries die Elektroautos in den höchsten Tönen und kaufte auch gleich medienwirksam eines (oder behauptete dies zumindest). Eine solche Werbeaktion eines amtierenden Präsidenten für ein einzelnes Unternehmen ist wohl kaum mit dem amerikanischen Recht vereinbar, doch das scheint dieser Tage ja ohnehin niemanden mehr aufzuhalten oder zu interessieren.
Doch kurz nachdem Elon Musks Jubel über die Unterstützung seines Präsidenten verhallt war, zeigte sich, dass sich die Nähe zum Staatsoberhaupt auch zum Bumerang entwickeln kann: Im immer weiter eskalierenden Handelskrieg mit Kanada reagierte der nördliche Nachbar der USA, indem er Tesla kurzerhand aus seiner Elektroauto-Förderung strich. Torontos Bürgermeisterin Chow meinte dazu lakonisch: „Wenn du dir einen Tesla kaufen willst, dann mach das ruhig – aber zähle dabei nicht auf Steuerzahlergeld, das diesen Kauf unterstützt.“
Auch andere Zölle Trumps treffen Tesla, wenn auch nicht so hart, wie die meisten anderen Autobauer. Der heftige Zoll in Höhe von 25 Prozent auf Auto-Importe macht vielen Tesla-Mitbewerbern große Probleme, da diese zum Beispiel in Mexiko und anderen südamerikanischen Staaten ihre Fahrzeuge fertigen lassen. Tesla hingegen baut alle in den USA verkauften Fahrzeuge in Kalifornien und Texas. Und dennoch entgeht auch Tesla dem Zoll-Hammer-Rundumschlag Trumps nicht ganz, da auch auf zahlreiche Materialien und Komponenten, die Tesla importiert, hohe Strafabgaben fällig werden. „Dieser Kosteneffekt ist nicht trivial“, schrieb Musk auf dementsprechend X. Und derzeit ist noch überhaupt nicht absehbar, wie sich Trumps Zollpolitik in den nächsten Monaten weiterentwickeln wird.
5. Von wegen Make Tesla Great Again: MAGA als neue Zielgruppe wird ein Flop
In einem derart gespaltenen Land wie den USA gibt es eine sehr verlässliche Dualität: Wenn die Demokraten etwas befürworten, dann lehnen es die Republikaner ab – und natürlich auch umgekehrt. Es ist daher nicht sonderlich überraschend, dass sich das Who-is-who der republikanischen Sprachrohre in Folge all des Hasses, der Elon Musk derzeit entgegen schlägt, hinter dem Tesla-Chef und dessen Autos versammelt hat.
Plötzlich sind die Leute, die den Klimawandel leugnen und bewusst Rußpartikelfilter aus ihren Trucks ausgebaut haben, damit diese schöner qualmen, die größten Tesla-Fans. Der Präsident veranstaltet eine Verkaufs-Show, hochrangige Politiker und Influencer kaufen sich Elektrofahrzeuge und militante Bürgerwehren stellen sich schwer bewaffnet auf, um Tesla-Händler vor gewalttätigen Protesten zu schützen.
Doch dieser kurze Höhenflug dürfte schnell enden - und zwar mit einer Bruchlandung. Denn Tesla fehlt es in den “roten”, also primär republikanischen, Bundesstaaten schlicht an der benötigten Infrastruktur. Das eigene Supercharger-Netz und die Ladestationen anderer Anbieter sind entlang der Küsten und in demokratisch geprägten Landstrichen hervorragend ausgebaut. Denn dort ist seit mehr als zehn Jahren die klimabewusste Tesla-Stammkundschaft zu Hause. Im mittleren Westen hingegen können schon mal über 100 Meilen zwischen zwei Ladepunkten liegen.
Und noch schlimmer: In manchen roten Staaten gibt es nur einen einzigen offiziellen Händler. Die Suche nach einer zertifizierten Werkstatt kann dann mehrere hundert Meilen weit sein. Und diese Missstände lassen sich nicht über Nacht beheben. So wird man unweigerlich neue Kunden, die ein Problem haben, verärgern. Die wiederum werden das kundtun und so wird die Tesla-MAGA-Blase ebenso schnell wieder zerplatzen, wie sie entstanden ist. Denn mit den gediegenen Limousinen kann diese Ford-F150-Zielgruppe ja eigentlich ohnehin nichts anfangen.
Fazit: Tesla rast auf eine Wand zu – und niemand bremst
Es ist in Summe ein bisschen wie in dem schon erwähnten Experiment: Tesla rast auf eine Wand zu und der Autopilot scheint sie nicht zu erkennen. Die Kameras sind verwirrt und der Mann am Steuer greift nicht ein.
Warum sich Elon Musk nicht mit dem Titel als reichster Mensch der Welt zufrieden gegeben hat, sondern zusätzlich noch in der großen Politik mitmischen wollte, kann wohl nur er selbst erklären. Fakt ist aber, dass durch seine Aktivitäten im Weißen Haus die ohnehin schon vorhandenen Probleme von Tesla auf eine fatale Art und Weise zusätzlich befeuert wurden. Tesla war schon immer geradezu utopisch überbewertet, eine kaum einlösbare Wette auf die Zukunft. Nun gerät dieses Konstrukt so sehr ins Wanken, dass selbst eine Pleite des Unternehmens keineswegs mehr unrealistisch wirkt.
Auch wenn Elon Musk Tesla nicht selbst gegründet hat, ist der Erfolg des Unternehmens untrennbar mit seiner Person verbunden. Doch jetzt schickt er sich an, wie die deutsche Redensart sagt, mit dem Arsch einzureißen, was er zuvor mit den Händen aufgebaut hat. Und möglicherweise geht dabei am Ende nicht nur Tesla pleite, sondern auch er selbst.
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