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Frankfurter Rundschau exklusiv
Umfrage-Schlappe für Merz‘ Plan: Deutsche Unternehmen stehen hinter „Bürokratie-Monster“
Sorgfaltspflicht bei den Lieferketten fortführen oder nicht? Kanzler Merz spricht sich klar für Letzteres aus. Die Ansichten in der Wirtschaft sind gespalten.
Friedrich Merz‘ Bundesregierung will der deutschen Wirtschaft auf die Sprünge helfen. Ein erster der angedachten Schritte: Das deutsche Lieferkettengesetz soll wegfallen. Es verpflichtet Unternehmen zu laufendem Risikomanagement sowie zur Dokumentation der Lieferketten. Der Plan trifft teils auf Unmut und wird schon am Donnerstag den Bundestag beschäftigen. Doch womöglich ist die Wirtschaft gar nicht so erfreut, wie es sich Union und SPD erhoffen. Darauf deuten Ergebnisse einer aktuellen Umfrage hin. Der Frankfurter Rundschau liegt der komplette Datensatz exklusiv vor.
1350 Entscheiderinnen und Entscheider deutscher Unternehmen hat das Institut YouGov im April befragt. Die Erhebung legt nahe: Viele Unternehmen in Deutschland haben sich längst auf das „Bürokratie-Monster“, wie das Gesetz in Diskussionen der vergangenen Jahre gerne genannt wurde, eingestellt. Die Planänderung im Bundestag dürfte allerdings kaum überall Jubel auslösen. Merz hatte bei seinem Antrittsbesuch in Brüssel auch das Aus für das europäische Pendant, die Lieferkettenrichtlinie, gefordert. Die EU will diese aktuell überarbeiten; planmäßig würde sie ab 2028 schrittweise in Kraft treten.
„Sorgfaltspflichten reduzieren“ – Umfrage zeigt: Nur ein Bruchteil sieht Handlungsbedarf
Nach dem größten Handlungsbedarf zur Entlastung der deutschen Wirtschaft fragte YouGov im Auftrag des Jaro-Instituts für Nachhaltigkeit und Digitalisierung. Maximal drei Punkte konnten die Teilnehmenden auswählen – ganz oben landete die Senkung der Energiepreise, gefolgt von schnellerer Planung und Genehmigung. 35 beziehungsweise 27 Prozent der Befragten nannten diese Schmerzpunkte. „Sorgfaltspflichten reduzieren“, das Ziel der Abschaffung oder einer Verschiebung des Lieferkettengesetzes, fand nur bei acht Prozent der Befragten Erwähnung.
Die Umfrage
1350 Unternehmensentscheiderinnen und -entscheider hat das Institut YouGov nach eigenen Angaben befragt, quotiert nach Unternehmensgröße. Damit sei die Umfrage repräsentativ für kommerzielle Unternehmen in Deutschland. Die Angaben zur Haltung großer Unternehmen mit mehr als 1000 Beschäftigten beziehen sich auf die Antworten von 182 Befragten. Auftraggeber Jaro ist ein Verein mit Sitz in Berlin, der sich laut Selbstdarstellung für „verantwortungsvolle Lieferketten“ einsetzt.
51 Prozent der Entscheiderinnen und Entscheider beklagten sogar fehlende Planungssicherheit, weil die EU ihre Lieferkettenrichtlinie überarbeitet: Abbau der Bürokratie, gerade in Nachhaltigkeitsfragen und konkret weniger Berichtspflichten über Rahmenbedingungen in der Produktion. Der „Omnibus“-Plan der EU-Kommission stößt schon seit längerem auf ein gemischtes Echo. Der Schluss liegt nahe, dass die Planänderung in Deutschland ähnliche Gefühle hervorruft.
50 Prozent der Unternehmen sehen Wettbewerbsvorteile im Lieferkettengesetz
Eine mögliche Erklärung: Die Planungen laufen längst. 41 Prozent der Befragten gaben an, wegen des Lieferkettengesetzes oder der europäischen Lieferkettenrichtlinie bereits in Menschenrechts- oder Umweltschutz investiert zu haben. Unter 182 Umfrageteilnehmenden aus Unternehmen mit mehr als 1000 Mitarbeitenden waren es sogar 51 Prozent.
Neue Wirtschaftsministerin Katherina Reiche: Hinter den Kulissen war sie die ganze Zeit dabei
Ein Teilaspekt, der heraussticht: 48 Prozent der befragten Entscheiderinnen und Entscheider rechnen damit, dass die Lieferkettenregelungen gut für Zulieferer aus dem europäischen Wirtschaftsraum sein wird – weil deren Handeln leichter zu überprüfen ist. In unsicherer Weltlage sind sichere Lieferketten ein hohes und politisch gefordertes Gut. 50 Prozent der Befragten erwarteten sich durch das deutsche Lieferkettengesetz sogar Vorteile gegenüber der Konkurrenz aus der EU.
Grünen-Abgeordneter sieht Handlungsbedarf – allerdings nicht im Umfang einer Abschaffung
Michael Kellner, Bundestagsabgeordneter und Grünen-Fraktionssprecher für Wirtschaft und Energie, sieht das auf Anfrage unserer Redaktion ähnlich: „Die Menschen in Europa und Deutschland wollen sich zurecht darauf verlassen können, dass ihr T-Shirt nicht unter Kinder- oder Zwangsarbeit hergestellt wurde. Sorgfaltspflichten entlang globaler Lieferketten schützen die Rechte von Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern, verhindern Umweltzerstörung und Menschenrechtsverletzungen und stärken die Resilienz unserer Wirtschaft.“
Das heißt für ihn nicht, dass man nichts ändern sollte: „Es braucht keine Abschaffung, sondern eine gute und praxistaugliche Umsetzung.“ Als Beispiel, was getan werden könnte, nennt Kellner Ex-Wirtschaftsminister Robert Habeck: „Für kleine und mittelständische Unternehmen hat er kostenfreie Unterstützungsangebote geschaffen und sich in Brüssel für einen abgespeckten Standard eingesetzt.“
Gespaltete Meinung in der Wirtschaft: Handelskammer hält Merz‘ Plan für den richtigen Schritt
Der stellvertretende Geschäftsführer der Deutschen Industrie- und Handelskammer, Achim Drecks, begrüßt hingegen Merz‘ Initiative zur Abschaffung. Auflagen, Nachweise und Dokumentation: „Die Mehrheit der deutschen Unternehmen wünscht sich spürbare bürokratische Erleichterungen – auch und gerade bei den Berichts- und Sorgfaltspflichten.“ In der aktuellen DIHK-Konjunkturumfrage seien von Betrieben die wirtschaftspolitischen Rahmenbedingungen und damit vor allem die Bürokratie als ihr größtes Geschäftsrisiko genannt worden.
„Das deutsche Lieferkettengesetz führt zu hohem bürokratischem Aufwand und wachsenden Kosten in der Wirtschaft – weit über die direkt betroffenen Unternehmen hinaus. Es ist daher richtig, dass die Bundesregierung das deutsche Lieferkettengesetz abschaffen will. Gleichzeitig ist es dringend erforderlich, das europäische Lieferkettengesetz zumindest grundsätzlich zu überarbeiten und es einfacher, rechtssicherer und praxistauglicher zu machen. Das laufende Omnibus-Verfahren ist da ein wichtiger Schritt.“