Militär und Hilfsgelder
Ukraine-Hilfe: Was Europa eine Aufrüstung als US-Ersatz kosten würde
Steigende Ukraine-Hilfen durch Europa könnten Wirtschaft und Forschung ankurbeln. Doch eine Aufrüstung anstelle der USA ist auch mit Risiken verbunden.
Washington/Kiew - Sollten die USA ihre finanzielle und militärische Hilfe für die Ukraine tatsächlich einstellen, stellt sich die Frage, ob Europa diese Lücke schließen kann.
Eine Analyse des Kiel Instituts für Weltwirtschaft (IfW) kommt zu dem Schluss: Während es finanziell mit einem vergleichsweise geringen Mehraufwand möglich wäre, die Ukraine-Hilfe der Vereinigten Staaten zu kompensieren, würde der militärische Ersatz eine ungleich größere Herausforderung darstellen.
Ukraine-Hilfe: Europa als Ersatz für die USA? Mehr Geld wäre nötig
Der Studie zufolge investieren europäische Regierungen aktuell rund 0,1 Prozent ihres Bruttoinlandsprodukts (BIP) in bilaterale Hilfen für die Ukraine. Um die USA zu ersetzen, müsste dieser Beitrag Schätzungen zufolge auf 0,21 Prozent steigen – ein Niveau, das etwa baltische und skandinavische Staaten bereits überschreiten.
In absoluten Zahlen bedeutet dies eine Erhöhung der jährlichen europäischen Ukraine-Hilfen von derzeit 44 auf 82 Milliarden Euro. Eine vom IfW veröffentlichte Übersicht der EU-Staaten zeigt: Deutschland und etliche weitere Länder wie Frankreich, Italien, Spanien oder Irland müssten ihre Beiträge für die Ukraine signifikant aufstocken, um einen Wegfall der US-Hilfen zu kompensieren.
„Wenn ganz Europa dem Beispiel Dänemark folgen würden und jährlich mehr als 0,5 Prozent des BIP mobilisiert, dann könnten wir die US-Hilfen sogar deutlich überkompensieren“ ist Christoph Trebesch, Forschungsdirektor IfW, überzeugt.
Aufrüstung des Militärs: Wo Europa liefern kann – und wo nicht
Während die finanzielle Unterstützung für die Ukraine den Angaben zufolge möglich erscheint, bleibt die militärische Dimension komplexer: Die USA liefern der Ukraine moderne Waffensysteme wie HIMARS-Raketenwerfer und Patriot-Luftabwehrsysteme.
Zwar könnten europäische Länder auf dem internationalen Markt Alternativen beschaffen – als Beispiel werden das südkoreanische K239 Chunmoo oder das israelische PULS-System genannt – doch eine eigenständige Produktion wäre langfristig sinnvoller. Daher gibt es die Forderung nach Investitionen in europäische Alternativen wie das Luftverteidigungssystem SAMP/T.
Besonders problematisch sei jedoch der Mangel an US-Militärgeheimdienstinformationen. Diese sind durch europäische Systeme derzeit nicht ersetzbar. Die Frage bleibt, ob Europa in diesem Bereich künftig stärker in eigene Kapazitäten investieren muss.
Rüstungsboom: Wirtschaftlicher Motor oder gefährliche Entwicklung?
Die steigenden Verteidigungsausgaben könnten sich für die europäische Wirtschaft als Impulsgeber erweisen. Besonders Deutschland, mit Unternehmen wie Rheinmetall, könnte wirtschaftlich profitieren. Der Rüstungskonzern plant, in den kommenden Jahren Tausende neue Arbeitsplätze zu schaffen. „Eine Epoche der Aufrüstung in Europa hat begonnen, die uns allen viel abverlangen wird“, wird Konzernchef Armin Papperger von Reuters zitiert.
Gleichzeitig könnte die (militärische) Abhängigkeit von den USA reduziert werden, die weltweit am meisten Geld für Rüstung und Militär aufwenden. Umgekehrt ist das Land der größte Gewinner des Ukraine-Kriegs, wenn es um den globalen Waffenhandel geht.
Auch Landesregierungen wie Bayern und Baden-Württemberg sehen nach Angaben der Deutschen Presse-Agentur (dpa) Chancen für Forschung und Industrie, von einer Aufrüstung Deutschlands zu profitieren. Gleichzeitig warnen Experten vor den langfristigen Risiken: Ein solcher Weg könnte eine dauerhafte Friedenslösung mit Russland erschweren. Sollte sich die Konfrontation weiter verhärten, droht ein lange andauernder Kalter Krieg – mit geopolitischen und wirtschaftlichen Konsequenzen.
Aufrüstung zugunsten der Ukraine: Soziale und ökologische Folgen
Zudem steht die aktuelle Entwicklung in Konflikt mit der sozial-ökologischen Transformation des Wirtschaftssektors: Schätzungen zufolge liegt der CO2-Fußabdruck des deutschen Militärsektors schon jetzt bei 4,5 Millionen Tonnen pro Jahr . Das entspricht dem jährlichen Schadstoffausstoß von einer Million Autos. Statt in nachhaltige Technologien und klimafreundliche Infrastruktur fließen nun Milliarden in Rüstung.
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Dazu kommen soziale Herausforderungen: Während Verteidigungsbudgets steigen, könnten Mittel für Bildung, Gesundheitsversorgung oder Klimaschutz in den Hintergrund rücken. Eine Balance zwischen Sicherheit und nachhaltiger Entwicklung wird für Europa zur zentralen Herausforderung der kommenden Jahre. (PF)
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