Chance für die Wirtschaft
Militärinvestitionen: Deutschlands Weg zu neuem Wohlstand
Militärausgaben gelten oft als Verschwendung. Doch sie könnten auch die Wirtschaft ankurbeln.
Berlin – Europa und damit auch Deutschland können sich nicht mehr auf den militärischen Schutz durch die USA verlassen. Das hat US-Präsident Donald Trump nach seiner Rückkehr ins Weiße Haus deutlich gemacht. Auch das bisherige Ziel, zwei Prozent des Bruttoinlandsprodukts (BIP) für Verteidigung auszugeben, auf das sich die Nato-Staaten geeinigt haben, wackelt. Jetzt ist von bis zu fünf Prozent die Rede.
Militärausgaben können Wirtschaftswachstum ankurbeln: Bei fünf Prozent des BIPs müsste Deutschland 215 Milliarden Euro für die Verteidigung ausgeben
Schon mit dieser alten Zielmarke tut sich Deutschland schwer. Im Jahr 2024 wurden laut Bundesregierung insgesamt rund 72 Milliarden Euro für Verteidigung ausgegeben. Davon stammen 51,95 Milliarden Euro aus dem regulären Verteidigungshaushalt und weitere rund 20 Milliarden Euro aus dem Sondervermögen für die Beschaffung von Wehrmaterial.
Nach Angaben des Statistischen Bundesamtes betrug das Bruttoinlandsprodukt im vergangenen Jahr rund 4,3 Billionen Euro. Zwei Prozent davon wären 86 Milliarden Euro. Würde man fünf Prozent des BIP für Verteidigung ausgeben, wären das schwindelerregende 215 Milliarden Euro.
Militärausgaben können Wirtschaftswachstum ankurbeln: Geld muss nur richtig ausgegeben werden
Doch es gibt auch Experten, die in höheren Verteidigungsausgaben eine große Chance für die darbende deutsche Wirtschaft sehen. Der Präsident des Kieler Instituts für Weltwirtschaft (IfW), Moritz Schularick, sieht nicht nur die Kosten, sondern auch einen Nutzen. „Wenn wir in Deutschland wirklich 80 Milliarden Euro pro Jahr für Verteidigung in die Hand nehmen, dann ist das ein konjunktureller Faktor“, sagte er Focus Online. „Wir haben da Wachstumsperspektiven, wenn wir dieses Geld richtig ausgeben.“
Voraussetzung sei allerdings, dass die zusätzlichen Verteidigungsausgaben nicht an anderer Stelle eingespart oder durch Steuererhöhungen finanziert würden. Außerdem müssten die Ausgaben für Panzer oder Flugzeuge im eigenen Land getätigt werden, was eine leistungsfähige Rüstungsindustrie voraussetze.
Die Wirtschaft könnte zudem von den genannten Spillover-Effekten profitieren. Hightech-Forschung für das Militär könnte auf andere Wirtschaftsbereiche übertragen werden. „Die Aufrüstung muss eine große Hightech-Investitionsoffensive werden, mit der wir auch unseren technologischen Rückstand schließen“, so Schularick. Als Beispiele nennt er Drohnen, autonomes Fahren oder auch Investitionen in ein europäisches Gegenstück zu Starlink.
Militärausgaben können Wirtschaftswachstum ankurbeln: BIP in Europa könnte um bis zu 1,5 Prozent steigen
Eine Mitte Februar veröffentlichte Studie des IfW zeigt, wie höhere Verteidigungsausgaben das Wirtschaftswachstum in Europa ankurbeln können. Demnach könnte das Bruttoinlandsprodukt um 0,9 bis 1,5 Prozent pro Jahr steigen, wenn die EU-Staaten ihre Militärausgaben von 2,0 auf 3,5 Prozent des BIP anheben und von überwiegend US- auf heimische Hightech-Waffen umsteigen.
„Wenn die europäischen Regierungen es richtig anstellen, können sie die Kosten der militärischen Aufrüstung in Grenzen halten“, sagte Studienautor Ethan Ilzetzki. „Das bedeutet, dass Europa über seine Militärausgaben im Lichte seiner Prioritäten für die regionale Sicherheit entscheiden kann, ohne sich von der Angst vor einer wirtschaftlichen Katastrophe ablenken zu lassen.“
Militärausgaben können Wirtschaftswachstum ankurbeln: Bisher erfolgen 80 Prozent der Beschaffungen von Unternehmen außerhalb der EU
Zusätzliche Ausgaben für das Militär gehen traditionell nicht ausschließlich zu Lasten des privaten Konsums. Allerdings könnte das Wirtschaftswachstum geringer oder sogar negativ ausfallen, wenn zusätzliche Verteidigungsausgaben von vornherein durch höhere Steuern finanziert werden. Die europäischen Regierungen sollten daher mehr Schulden aufnehmen, um vorübergehende Mehrausgaben oder den Übergang zu dauerhaft höheren Budgets zu finanzieren.
Vor allem aber sollten die Regierungen dafür sorgen, dass ein größerer Teil ihrer Militärausgaben in Europa bleibt. Derzeit stammten rund 80 Prozent ihrer Beschaffungen von Unternehmen außerhalb der EU. Aber nur durch lokale Produktion könne eine nennenswerte wirtschaftliche Aktivität entstehen.
Militärausgaben können Wirtschaftswachstum ankurbeln: EU würde einer Schuldenaufnahmen nicht im Wege stehen
Eine Erhöhung der europäischen Verteidigungsausgaben von knapp zwei auf 3,5 Prozent des BIP würde derzeit rund 300 Milliarden Euro pro Jahr kosten. „Die Studie legt aber nahe, dass diese Summe eine ähnlich hohe zusätzliche private Wirtschaftstätigkeit generieren könnte, wenn sie gezielt in den Ausbau der militärischen Fähigkeiten Europas investiert würde“, sagte Schularick der Nachrichtenagentur Reuters.
In Deutschland würde eine Verschuldung für Militärausgaben zu politischen Diskussionen führen. Auf EU-Ebene drohen dagegen keine Probleme. Die EU-Kommission rechnet mit einem Mehrbedarf von 500 Milliarden Euro in zehn Jahren. Um diesen zu finanzieren, will Kommissionschefin Ursula von der Leyen die europäischen Schuldenregeln lockern. Das soll den Mitgliedsländern mehr nationale Investitionen in die Verteidigung ermöglichen. Zudem soll es Kredite der Europäischen Investitionsbank (EIB) geben.
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