Bis zu 200 Milliarden Euro
Top-Ökonomen verurteilen Steuergeschenke ohne Gegenfinanzierung der Parteien
Die politischen Parteien versprechen vor der Bundestagswahl großzügige Steuergeschenke. Diese sind allerdings teuer und es mangelt an einer adäquaten Finanzierung - bemängeln Wirtschaftsexperten.
München – Vor der Bundestagswahl werben alle bereits im Bundestag vertretenen Parteien mit Steuerentlastungen. Dabei machen sie aber wenige Vorschläge zu deren Finanzierung. Das sorgt nun für heftige Kritik von Ökonomen des Münchner Ifo Instituts. „Unsere Analysen zeigen, dass viele Reformvorschläge große Finanzierungslücken aufweisen“, sagte Maximilian Blömer, Autor einer Studie zu den Effekten der Wahlprogramme. „Ein tragfähiges Konzept erfordert eine klare Gegenfinanzierung, um langfristig wirtschaftliche Stabilität zu gewährleisten.“
Wenn die Finanzierbarkeit der Wahlprogramme berücksichtigt werden, „relativieren sich die ganz großen Steuergeschenke schnell, bei denen oftmals nur in den oberen Einkommen etwas übrigbleibt“, erklärte Ökonomin Lily Fischer.
Ifo-Ökonomen urteilen über „Steuergeschenke“ zur Bundestagswahl: CDU mit 97 Milliarden Euro Defizit
Das Ifo Institut hat die zentralen Forderungen der Parteien zum Steuer- und Transfersystem und deren Auswirkungen auf Einkommen und Arbeitsanreize untersucht. Demnach würde das Reformprogramm von CDU und CSU mit Kanzlerkandidat Friedrich Merz den Bundeshaushalt jährlich 97 Milliarden Euro kosten. Die Union will etwa den Spitzensteuersatz erst ab 80.000 Euro erheben. Bei der FDP würde die Lücke knapp 142 Milliarden Euro betragen.
Die Vorschläge könnten zwar Arbeitsanreize stärken, räumen die Ifo-Ökonomen ein. Das reiche jedoch nicht aus, um das Defizit auszugleichen. Lediglich knapp zehn Prozent könnten durch die Versprechungen selbst finanziert werden.
| Partei | Wirkung auf den Haushalt pro Jahr |
|---|---|
| SPD | -8,4 Mrd. Euro |
| CDU/CSU | -96,7 Mrd. Euro |
| Grüne | -2,5 Mrd. Euro |
| FDP | -141,7 Mrd. Euro |
| AfD | -154,6 Mrd. Euro |
| Die Linke | +49,8 Mrd. Euro |
| BSW | -198,7 Mrd. Euro |
AfD und BSW reißen größte Löcher in den Haushalt – ohne ausreichende Finanzierung
AfD und BSW wollen laut den Ökonomen die „Steuergeschenke“ von Union und FDP „nochmals überbieten“. Das BSW würde bei einer vollständigen Umsetzung ein Haushaltsloch von 198,7 Milliarden Euro pro Jahr verursachen, das wären 2931 Euro für jeden Erwachsenen. Auch mit Anpassung durch die Effekte der Maßnahmen bliebe ein Defizit von 181 Milliarden Euro.
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Die Versprechungen der AfD würden ein jährliches Haushaltsloch von 154,6 Milliarden Euro reißen, was auf jeden Erwachsenen heruntergerechnet 2279 Euro sind. Mit Anpassungen bleibt noch ein Defizit von 143,6 Milliarden Euro. Die Eigenfinanzierungsquote liegt laut der Ifo-Studie bei 7,1 Prozent.
Forderungen von SPD und Grünen mit geringsten Auswirkungen auf den Bundeshaushalt
Die Forderungen von SPD und Grüne vor der Bundestagswahl seien dagegen „fiskalisch eher ausgeglichen“, heißt es in der Studie. Doch auch die SPD hat laut Ifo-Ökonomen ein Defizit von 8,4 Milliarden, das sich durch die Berücksichtigung der Effekte auf knapp sieben Milliarden reduziert. Bei einer Analyse des ZEW war die SPD mit 1,2 Milliarden Euro noch leicht positiv.
Bei den Grünen ist der Haushalt weitgehend ausgeglichen. Die Forderungen der Partei von Robert Habeck würden den Haushalt jährlich mit 2,5 Milliarden Euro belasten, bei der Berücksichtigung der sogenannten Zweitrundeneffekte wären es noch 1,3 Milliarden. Damit widersprechen die Berechnungen des Ifo Instituts denen des ZEW, denn Letzteres ist von Mehreinnahmen von 4,3 Milliarden Euro ausgegangen.
Linken-Forderungen würden für Mehreinnahmen sorgen – doch ein Makel bleibt
Die Linke ist dagegen die einzige im Bundestag vertretene Partei, deren Forderungen sogar Mehreinnahmen für den Haushalt bedeuten. Etwa 50 Milliarden Euro mehr stünden dem Bund zur Verfügung – jährlich. Doch die Ifo-Forscher sehen das Wahlprogramm dennoch kritisch. „Interessanterweise führen die starken Transfer- und Steuererhöhungen der Linken dazu, dass aus dem Plus von 50 Mrd. Euro ein leichtes Minus entsteht“, heißt es in der Studie.
Es sei unwahrscheinlich, dass „die kostenintensiven Maßnahmen als Gesamtpakete in den Koalitionsverhandlungen nach der Wahl durchgesetzt werden können“, schreiben die Ökonomen. Neben dem „stark belasteten“ Haushalt komme „erschwerend hinzu, dass sich die Parteiprogramme in ihren Forderungen teilweise widersprechen“. Sinnvoll sei dagegen, eine Reform über mehrere Jahre gestaffelt umzusetzen.
Rubriklistenbild: © Michael Kappeler/dpa
