Teure Versprechungen
Partei-Initiativen könnten den Haushalt mit bis zu 188 Milliarden Euro belasten
Alle politischen Gruppen locken mit Steuererleichterungen. Aber das bringt den Haushalt in Schwierigkeiten. Wer hinterlässt die größte finanzielle Lücke?
Mannheim – Vor der Bundestagswahl locken vor allem FDP, AfD und die Unionsparteien CDU und CSU mit Versprechungen von Steuersenkungen. Diese könnten Bürger und Unternehmen zwar einerseits entlasten. Gleichzeitig stellen sie den Bundeshaushalt vor enorme Herausforderungen – und könnten damit Investitionen des Bundes, etwa in Infrastruktur, hemmen. Besonders die Forderungen der FDP und AfD gehen dabei ins Geld.
Steuer-Versprechungen der Parteien reißen Lücke in Haushalt: FDP mit 116 Milliarden Euro ganz vorne
Die Vorschläge der FDP führen laut einer Berechnung des Leibniz-Zentrums für Europäische Wirtschaftsforschung (ZEW) zu Mindereinnahmen für Bund, Länder und Kommunen von 116 Milliarden Euro weniger pro Jahr. Dabei sind sowohl geforderten Entlastungen privater und unternehmerischer Einkommen sowie die Einsparungen im Bereich des Bürgergelds und des Wohngelds eingerechnet.
Durch weitere FDP-Pläne wie die Senkung der Körperschaft-, die Reduzierung der Strom- und die Abschaffung der Kfz-Steuer ergeben sich Mindereinnahmen von 188 Milliarden Euro, wie Stefan Bach vom Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung (DIW) berechnet hat. Die Entlastungen, die 4,3 Prozent des Bruttoinlandsprodukts (BIP) entsprechen, seien „fiskalisch utopisch angesichts der finanzpolitischen Herausforderungen“. Mit knapp 90 Milliarden Euro pro Jahr gehe fast die Hälfte an die reichsten zehn Prozent, 41 Milliarden Euro gehe an das reichste Prozent. Bei den Kosten der Entlastungen sind laut Süddeutscher Zeitung (SZ) jedoch Einsparungen durch eine Bürgergeld-Reform nicht berücksichtigt.
Die Entlastungen führen laut Bach zu Mehreinnahmen von rund 52 Milliarden Euro im Jahr. Damit bliebe jedoch noch eine Lücke von 135 Milliarden Euro. Damit müsste der Staat seine Ausgaben zurückfahren, was vor allem „die Armen, die arbeitende Mitte, aber auch Besserverdiener“ treffe, wie der DIW-Steuerexperte auf der Plattform X erklärt.
AfD-Forderungen „utopisch“: 97 Milliarden Euro Kosten – keine realistische Finanzierung
Die AfD-Forderungen nach einem vollständigen Ende des Solidaritätszuschlags, einer Senkung der Einkommensteuer über höhere Grundfreibeträge und eine niedrigere Unternehmensbesteuerung würde laut ZEW 97 Milliarden Euro Mindereinnahmen bedeuten. Weitere Vorhaben wie die Abschaffung der Erbschaft-, CO2- und Grunderwerbsteuer für selbst genutztes Eigentum würde Haushaltslöcher von 181 Milliarden Euro schaffen. Die Lücke bleibe damit riesig, selbst wenn durch Wachstum, geringere Zahlungen an die EU und ein Zahlungsstopp an Asylsuchende Einsparungen möglich wären. DIW-Ökonom Bach nannte die AfD-Forderungen deshalb „utopisch“.
| Partei | Mindereinnahmen laut ZEW |
|---|---|
| FDP | 116 Milliarden Euro |
| AfD | 96,7 Milliarden Euro |
| CDU/CSU | 46,5 Milliarden Euro |
Union-Plan führt zu 47 Milliarden-Loch im Haushalt
Bei CDU und CSU unter dem Kanzlerkandidaten Friedrich Merz fällt das Haushaltsloch laut ZEW-Analyse mit etwa 47 Milliarden Euro deutlich geringer aus. Vor allem fallen die Einnahmen durch die vollständige Abschaffung des Solidaritätszuschlags, den höheren Grundfreibetrag bei der Einkommensteuer, einer Verkleinerung des Mittelstandbauchs und einem später greifenden Spitzensteuersatz weg. Stefan Bach kommt bei seiner Berechnung auf etwa 99 Milliarden Euro. Er hat auch Steuersenkungen für große Unternehmen und die Senkung der Strom- und Mehrwertsteuer in Restaurants einberechnet.
Die Union will die Entlastungen jedoch durch ein Wirtschaftswachstum von jährlich zwei Prozent des BIP finanzieren. Auch Kürzungen beim Bürgergeld sollen dazu beitragen. Bei einer schrittweisen Einführung der Steuerentlastungen könnte das laut SZ ausreichen, allerdings wäre auch der Wachstumseffekt geringer. Zudem seien zu mehr Investitionen und einer Ausweitung der Produktion auch mehr Fachkräfte nötig. Und die Nachfrage müsse stimmen.
SPD, Grüne, Linke und BSW planen Entlastungen, nehmen jedoch mehr ein
Die Programme von SPD, Grünen, Bündnis Sahra Wagenknecht (BSW) und Linke sehen zwar auch Erleichterungen für viele Deutsche vor – besonders bei kleinen und mittleren Einkommen. Zur Refinanzierung wollen diese Parteien jedoch Gutverdiener zur Kasse bitten – und eine Vermögensteuer einführen. Weitere Mehreinnahmen erhoffen sich die Parteien etwa durch die Anhebung des Mindestlohns.
Die meisten Einnahmen würden die Pläne der Linken bringen. 46 Milliarden Euro mehr hätte der Staat pro Jahr dadurch zur Verfügung. Bei den Grünen sind es 4,3 Milliarden Euro, beim BSW 3,9 Milliarden und bei der SPD noch 1,2 Milliarden.
| Partei | Mehreinnahmen laut ZEW |
|---|---|
| Die Linke | 46 Milliarden Euro |
| Bündnis 90/Die Grünen | 4,3 Milliarden Euro |
| Bündnis Sahra Wagenknecht | 3,9 Milliarden Euro |
| SPD | 1,2 Milliarden Euro |
AfD und FDP bringen Gutverdienern Entlastungen, niedrige Einkommen haben weniger
Was die Entlastungen angeht, fällt auf, dass die Parteien mit einem großen Haushaltsloch besonders Menschen mit hohen Einkommen entlasten – während Menschen mit kleinen Einkommen sogar weniger haben. Laut einer Berechnung des ZEW hätte eine Alleinverdiener-Familie mit zwei Kindern und niedrigem Einkommen bei der AfD 440 Euro weniger im Jahr. Bei der FDP sind es 1520 Euro. Bei allen anderen Parteien hätten sie zwischen 300 Euro (CDU/CSU) und 6150 Euro (Linke) mehr im Jahr.
Bei den Rechtsaußen und den Liberalen profitieren dagegen besonders Gutverdiener von den Entlastungen. Die Beispiel-Familie würde bei einem Brutto-Jahreseinkommen von 180.000 Euro durch die AfD-Pläne 19.190 Euro, bei der FDP 11.990 Euro oder 5840 Euro durch die Union mehr in der Tasche haben. Einzig bei den Linken würde sich das Einkommen um 800 Euro reduzieren. Bei der AfD würde die Armutsrisikoquote um 2,2 Prozentpunkte steigen, bei der FDP 1,9. Bei der Linke würde diese um 2,8 Prozentpunkte sinken.
„SPD, Grüne, Linke und BSW wollen untere und mittlere Einkommen entlasten. Sie würden das über höhere Steuern für Spitzenverdienerinnen und -verdiener finanzieren. Bei Union, FDP und AfD steigen hingegen die Entlastungen mit dem Einkommen“, erklärte Co-Studienautor Holger Stichnoth, Leiter der Forschungsgruppe „Ungleichheit und Verteilungspolitik“ am ZEW in einer Mitteilung.
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