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Lohnverhandlungen

Drohender Bahn-Streik: Weselsky-Forderung „fast unverschämt – und damit genau richtig“

Ab Donnerstag verhandeln Deutsche Bahn und GDL weiter. Für Verhandlungsexperte Adrian Brandis steht fest: „Weselsky spielt das Spiel gerade sehr gut.“

Adrian Brandis gehört ein Unternehmen, das Manager in Verhandlungen berät. „Verhandlungsexperte für schwierige Fälle“ steht auf der Homepage. Ist Claus Weselsky ein schwieriger Fall? Nicht unbedingt, sagt Brandis. „Weselsky ist ein alter Hase, der weiß, wie das Spiel funktioniert – und er macht das sehr gut. Er tritt enorm selbstbewusst auf, sowas hinterlässt Eindruck.“ Für Außenstehende mögen die Forderungen unverschämt wirken, für Brandis sind sie taktisch clever gesetzt.

Experten sprechen vom sogenannten Ankern. „Das ist ein psychologischer Effekt. Derjenige, der die Zahl zuerst nennt, hat einen Vorteil, weil er die Referenzgröße für weitere Verhandlungen setzt“, sagt Brandis. „Zwangsläufig verliert die Gegenseite ihr eigenes Ziel etwas aus den Augen, weil diese Zahlen Eindruck hinterlassen. Je größer das Einstiegsangebot, desto größer die Wirkung.“ Dennoch müsse man aufpassen und den Bogen nicht überspannen – das wirke sonst unverschämt.

GDL-Chef Weselsky fordert Lohnerhöhung, Inflationszahlung und weniger Wochenstunden

Wer hoch pokert, muss sich auf Gegenwehr einstellen. Das müsse man aushalten, sagt Brandis. „Viele meiner Mandanten haben Angst, sich zu streiten. Dabei liegt im Konflikt eigentlich gerade eine Chance, seine Situation zu verbessern. Ich sage immer: Man muss den Konflikt lieben. Das tut Weselsky“, so der Experte. „Er ist dafür bekannt, dass er zum Äußersten bereit ist und bereits in der Vergangenheit gut verhandelt hat.“

Adrian Brandis beschäftigt sich täglich mit der Frage: Wie kann man in einer Verhandlung das Optimum rausholen?

Weselskys Forderung: bei einer Tariflaufzeit von einem Jahr eine Lohnerhöhung von mindestens 555 Euro sowie eine Erhöhung der Zulagen für Schichtarbeit um 25 Prozent und eine steuerfreie Inflationszahlung von 3000 Euro. Dazu will die GDL von einer 39-Stunden-Woche runter auf eine 35-Stunden-Woche – bei vollem Lohnausgleich. „Wenn man die verkürzte Arbeitszeit in Lohn umrechnet, sprechen wir hier über eine Erhöhung von über 20 Prozent. In unserer Branche würde man sagen: Weselsky hat an der Grenze der Unverschämtheit geankert – und damit alles richtig gemacht“, sagt Brandis.

Verhandlungsexperte zu Weselskys Rolle im Bahnstreik: „Spielt das Spiel gerade sehr gut“

Das Kompromissangebot von Bahn-Vorstand Martin Seiler lautete: elf Prozent mehr Lohn sowie eine Inflationsprämie von bis zu 2.850 Euro bei einer Laufzeit von 32 Monaten. Das lehnte Weselsky ab. Ab Donnerstag soll weiterverhandelt werden. Es beginnt Phase zwei und damit eine Zeit, in der viele Manager, auch wenn sie lange Jahre Erfahrung haben, große Fehler machen, erklärt Brandis. „Es geht jetzt darum, Schritte aufeinander zuzugehen, Gemeinsamkeiten zu betonen und nicht die eigene Position um jeden Preis zu verteidigen und sich nur auf die Gegensätze zu konzentrieren.“ Erste Anzeichen für Tauwetter verlautbarte Weselsky via Leipziger Volkszeitung, als er am Dienstag Streiks zu Weihnachten ausschloss, nur um Mittwoch in der Rheinischen Post damit zitiert zu werden, dass dieser Arbeitskampf der härteste werde.

GDL-Chef Claus Weselsky an den Pranger zu stellen, mache die Verhandlungen nur komplizierter, sagt ein Experte.

Erst maximale Forderungen aufstellen, dann durch Streiks eine glaubwürdige Drohkulisse aufbauen – und jetzt einen Schritt auf die Gegenseite zugehen: „Weselsky spielt das Spiel gerade sehr gut“, sagt Brandis. „Die GDL zeigt sich verhandlungsbereit, jetzt ist die Bahn am Zug.“ Der Rat des Experten: „Es bringt der Bahn jetzt überhaupt nichts, Weselsky an den Pranger zu stellen. Auch er braucht eine Lösung, die er verkaufen kann. Deswegen sollte die Bahn auf ihn zugehen“, sagt Brandis. Das gehe zum Beispiel bei den Wochenstunden. „Die Bahn könnte sagen, 35 Stunden ist nicht darstellbar, aber wie wäre es denn mit 37 Stunden – möglicherweise auch erst in ein oder zwei Jahren?“, sagt Brandis.

Welchen Fehler die Deutsche Bahn gemacht hat

Und wenn Weselsky das nicht passt, wird einfach weiter gestreikt? Man könnte meinen, durch das Druckmittel Streik sitze er am längeren Hebel. „Das sehe ich nicht so“, sagt Brandis. „Streik-Androhungen sind wirkungsvoll, aber in der Realität auch sehr teuer. Als Bahn hätte man vorab versuchen müssen, Weselsky klarzumachen, dass Streiks auch Konsequenzen für ihn haben. Denn Streiks kosten Geld, mit dem man höhere Löhne finanzieren könnte. Obendrein trifft der Imageschaden beide Parteien. Doch offensichtlich haben die Verhandlungsführer der Deutschen Bahn Weselsky das nicht klarmachen können.“

Derweil startete der GDL-Chef eine Urabstimmung unter den Gewerkschaftsmitgliedern. Stimmen genügend Lokführer zu, hätte Weselsky künftig die Möglichkeit, zeitlich unbefristet zu streiken, also zum Beispiel mehrere Tage am Stück. Für Verhandlungsexperte Brandis ist das eher eine zusätzliche Drohkulisse – und damit wenig zielführend. Er vermutet andere Motive hinter dem Schachzug: „Es sind Menschen, die verhandeln. Die haben sehr einfache Bedürfnisse, zum Beispiel Anerkennung und Wertschätzung. Es ist wohl Weselskys letzte Tarifverhandlung, möglicherweise will er auch einfach nochmal zeigen, wie hart und gut er verhandelt. Ob das der Sache dient, wird sich zeigen.“

Rubriklistenbild: © Fabian Sommer/dpa

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