„Bedrohliche Symptome einer Deindustrialisierung“
Nächste Investition im Ausland: Unternehmer greift Ampel an – „Verteilt Geld mit der Gießkanne“
Immer mehr Wirtschaftsverbände warnen vor einer „Deindustrialisierung“, der Standort Deutschland verliert an Attraktivität. Ein Unternehmer kritisiert die Politik der Ampel-Koalition scharf.
Berlin – Bekannte Firmen wie Miele, Conti und Stihl ziehen sich vom Standort Deutschland zurück, bauen Stellen ab oder verlagern ihren Fokus ins Ausland. Martin Herrenknecht, dessen Unternehmen Herrenknecht AG Tunnelbaumaschinen produziert, sieht die Zukunft seiner Firma im Ausland, auch wenn er den deutschen Standort halten möchte.
Unternehmer: „Die Ampel zerstört den Mythos von Made in Germany“
Im Interview mit der Frankfurter Allgemeinen Zeitung äußerte der 81-Jährige Verständnis für Unternehmen, die Deutschland den Rücken kehren: „Wenn man auf die Politik der Ampelregierung schaut, die das Geld mit der Gießkanne verteilt, sind solche Schritte nachvollziehbar. Die Sozialpolitiker haben mit Entscheidungen wie dem Bürgergeld eine Welle angestoßen, die nun die Forderungen nach Lohnerhöhungen von 12,5 Prozent und nach der Viertagewoche zur Folge hat.“ Herrenknecht wurde demnach sogar von einem Kunden in Oman gefragt, „ob wir unter den Bedingungen in Deutschland überhaupt noch Maschinen bauen können“. „Die Ampel zerstört den Mythos von Made in Germany“, so Herreknecht der Zeitung.
Gerade hört Herrenknecht die Zukunftsmusik eher woanders – nämlich in Indien, wo er seine nächsten Investitionen tätigen wolle. „Gerade im Bereich von Infrastrukturprojekten wird dort in den kommenden Jahren eine ungeheure Dynamik einsetzen“, erklärt der Unternehmer. Seiner Meinung nach stimme das Verhältnis in der deutschen Wirtschaftspolitik nicht mehr. „Wir haben die Fähigkeit verloren, die Wirtschaft richtig einzuschätzen. Die Sozialkosten im Bundeshaushalt dürfen aus meiner Sicht einen Anteil von 30 Prozent nicht übersteigen, wir sind heute bei 50 Prozent.“ Herrenknecht warnt in der FAZ: „Die nächste Generation wird horrende Summen aufbringen müssen, um den Sozialhaushalt noch bedienen zu können.“
Der Unternehmer hat auch konkrete Vorschläge, was in der Politik getan werden könnte: „Wir müssen als Erstes unsere Infrastruktur auf Vordermann bringen. Dazu gehört auch eine verlässliche, bezahlbare Versorgung mit Energie – und die Voraussetzung ist, dass nun endlich die Stromtrassen von Norden nach Süden gebaut werden“, so Herrenknecht. Er ist auch mit Blick auf Wladimir Putins Gebaren und den Ukraine-Krieg für eine stärkere Verteidigung und dafür, „das Soziale im Bundeshaushalt auf ein Maß zurückführen, dass es im Verhältnis zur Leistungsfähigkeit unserer Volkswirtschaft steht“. So würden Mittel frei zur Unterstützung der Wirtschaft, hofft Herrenknecht. Sein Unternehmen hat rund 5000 Beschäftigte und erzielte 2022 laut FAZ einen Umsatz von 1,2 Milliarden Euro.
Standort Deutschland: Verband und Gewerkschaft warnen vor „Deindustrialisierung“
Mit seinen Sorgen um den Standort Deutschland steht der Unternehmer nicht alleine da: Der Arbeitgeberverband Gesamtmetall und die Gewerkschaft IG Metall haben ebenso am Freitag (12. April) die Bundesregierung dazu aufgerufen, den Wirtschaftsstandort Deutschland zu stärken. Dass sich viele in- und ausländische Unternehmen bei Standort- und Investitionsentscheidungen derzeit gegen Deutschland entschieden, seien „bedrohliche Symptome einer Deindustrialisierung“, hieß es am Freitag in einer gemeinsamen Mitteilung. „Die Bundesregierung muss allem voran für konkurrenzfähige Energiekosten sorgen sowie attraktivere Investitionsbedingungen schaffen.“
Darüber hinaus forderten der Arbeitgeberverband und die Gewerkschaft einen beschleunigten Infrastrukturausbau auch auf dem Land, schnellere Planungs- und Genehmigungsverfahren und eine langfristige Rohstoffstrategie. Angesichts des Fachkräftemangels müsse die Bildung mehr in den Fokus gerückt werden.
„Der Industriestandort Deutschland ist in Gefahr. In anderen Ländern wird auch aufgrund wettbewerbsfähigerer Rahmenbedingungen mehr investiert. Energisches Gegensteuern ist gefragt – sonst drohen eine verheerende Deindustrialisierung, eine weitere gesellschaftliche Spaltung und eine zunehmende Radikalisierung politischer Debatten und Proteste“, hieß es in der Mitteilung.
Mit Material der dpa
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