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IT-Branche

Unternehmer über Standort Deutschland: „Wir müssen wieder in die Hände spucken“

Unternehmer Patrick Theobald hat das IT-Start-up Peakboard gegründet, welches derzeit vor Expansionen in die USA und China steht.
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Unternehmer Patrick Theobald hat das IT-Start-up Peakboard gegründet, welches derzeit vor Expansionen in die USA und China steht.

Die Wirtschaft in Deutschland schwächelt. Unternehmer und Gründer Patrick Theobald bekennt sich zum Standort Deutschland – und fordert, dass wieder ein Ruck durch unser Land geht.

Stuttgart – Die deutsche Wirtschaft steckt in der Flaute – Finanzminister Christian Lindner (FDP) und Wirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) bezeichneten den Standort zuletzt als nicht mehr wettbewerbsfähig. Dazu sorgten Meldungen von deutsche Traditionsfirmen wie Miele oder Kärcher für Aufsehen, die ihre Produktion nach Polen bzw. Lettland verlegen wollen. Das trifft auch Arbeitsplätze in Deutschland. Wie geht es jetzt weiter? Eine Zukunftsbranche in Deutschland ist der IT-Bereich, der unter notorischem Fachkräftemangel leidet, aber wächst. Kann Deutschland in diesem Feld Punkte sammeln?

Unternehmer Theobald: „Es gibt bei uns immer noch unheimlich viel Drive und Erfindergeist“

Ippen.Media hat darüber mit Unternehmer und Gründer Patrick Theobald gesprochen. Er verkaufte im vergangenen Jahr für einen zweistelligen Millionenbetrag seine Firma Theobald Software GmbH, mit Niederlassungen in Europa, den USA und Asien. Nun führt Theobald sein nächstes IT-Start-up Peakboard, welches derzeit vor Expansionen in die USA und China steht. Theobald lebt sowohl in Taiwan als auch in Stuttgart.

Herr Theobald, warum sind Sie nach Taiwan gezogen, während Sie gleichzeitig eine Firma in Deutschland haben?

Theobald: Ich wollte schon immer nach Asien auswandern. Das Problem ist aber, dass man eine Firma in ständiger körperlicher Abwesenheit nicht führen kann. Man muss physisch anwesend sein für seine Angestellten und Kunden. Deshalb pendele ich zwischen beiden Ländern. Das befriedigt einerseits meinen Auswanderungswunsch, andererseits habe ich eine physische Präsenz im Büro.

Warum gehen Sie dann nicht gleich ganz nach Taiwan?

Wir haben Historie in Deutschland. In meiner Firma arbeiten 90 Prozent Deutsche. Außerdem muss man bei einem Standortwechsel bedenken: Andere Länder haben andere Herausforderungen, denen man sich als Unternehmen stellen muss. In Asien gibt es beispielsweise eine wahnsinnig strenge Hierarchie, die meiner Meinung nach viel blockiert. Auch was die Politik angeht: Das ist zwar in Taiwan okay, aber in viele anderen asiatischen Ländern kann man als Unternehmen gewisse Dinge mit Blick auf die politischen Bedingungen nicht durchsetzen. Deutschland hat da mehr Vorteile.

Deutschland hat aber auch Standortprobleme – das wird unserem Land jedenfalls von Politikern, Unternehmern und Ökonomen attestiert.

Ich stehe Deutschland als Standort grundsätzlich positiv gegenüber. Es gibt bei uns immer noch unheimlich viel Drive und Erfindergeist. Das ist nicht gegangen und da müssen wir wieder hinkommen und pragmatisch in die Hände spucken. Statt den vielen Diskussionen brachen wir einen Impuls. Dieser kommt im Moment aber leider nicht von der Politik. Doch ich gebe die Hoffnung nicht auf – trotz Rechtsruck versuche ich, optimistisch in die Zukunft zu blicken.

Mit der IT-Branche geht meist ein Schlagwort einher: Fachkräftemangel. Wie sehen Sie das?

Wir haben kein Fachkräfteproblem. Unser Schlüssel für gute Arbeitskräfte ist die duale Ausbildung zum Fachinformatiker – das ist ein ungewöhnliches Angebot für ein Start-up, aber es zahlt sich aus.

Und die Arbeitskräfte bleiben dann auch?

Ja, die bleiben auch, weil wir Benefits haben, die sie an uns binden. Das ist nicht zwingend das Gehalt, da können wir als Start-up nicht immer mithalten, aber wir bieten coole Projekte und beispielsweise work from anywhere. Wenn Daimler die Leute wieder ins Büro zwingt, dann ist unser Angebot ein Argument für Leute, die sich freier bewegen wollen.

Stichwort Fachkräftemangel und Zuwanderung – die Ampelkoalition will es nun ermöglichen, leichter ausländische Fachkräfte nach Deutschland zu holen. Kann das auch IT-Unternehmen helfen? Viele Migranten brechen schnell wieder ihren Deutschland-Aufenthalt ab, zeigen Studien – kennen Sie das Phänomen auch?

Davon hab ich auch gehört. Gründe sind antiausländische Ressentiments in Deutschland. Wenn Sie die Sprache nicht können, werden Sie es in Deutschland schwer haben. Es dauert Jahre, um sich in eine neue Kultur zu integrieren und gelingt in Deutschland vor allem im ländlichen Raum oft nie. Und wenn sie keine Wurzeln schlagen können, gehen die Leute wieder.

Ich muss hinzufügen: Schon allein ausländische Fachkräfte zu holen ist ein totaler Albtraum wegen der bürokratischen, aber auch politischen Situation: Dann lesen die Menschen in Indien, Armenien und anderen Ländern vom Rechtsruck und das macht Deutschland als potenzielle neue Heimat natürlich sofort unattraktiv. Dann geht die Person, die man gerne eingestellt hätte, lieber in die USA oder in ein anderes Land, das offener gegenüber ausländischen Fachkräften ist. Aber das ist nur ein Sargnagel.

Es gibt also noch einen Sargnagel?

Ja, das ist die Bürokratie: Arbeitskräfte aus der Ukraine, Russland oder Südamerika legal nach Deutschland zu bekommen, ist ein Kraftakt, das ist in anderen Ländern einfacher.

Spüren Sie die überbordende Bürokratie auch an anderer Stelle?

Ja, mir wäre wichtig, dass man an einigen Stellen beim Arbeitsrecht und steuerlichen Themen nacharbeitet und vereinfacht – wie etwa bei Auslandsniederlassungen. Unsere Gesetze sind zudem sehr arbeitnehmerfreundlich – das ist eine Errungenschaft, aber manchmal ein Hindernis mit exorbitanten Kosten für kleine Firmen. Zum Beispiel bei Kündigungen: Man muss hin und wieder Mitarbeiter gehen lassen, aber das ist wie russisches Roulette, weil man beim Arbeitsvertrag keinen Gestaltungsrahmen hat. Auch die Mitarbeiterbeteiligung ist schwierig: In anderen Ländern ist es Usus, im Start-up Beteiligungen für Mitarbeiter anzubieten, in Deutschland ist das kaum umsetzbar.

Digitalisierung – für die IT-Branche ist sie selbstverständlich, aber Deutschland hinkt da hinterher. Was könnte helfen?

Ich fürchte, das ist leider ein mentales Problem. Wir stecken tief in unserer Welt, in der wir nicht verstehen, dass beispielsweise das Spaltmaß des Autos nicht mehr Maß der Dinge ist – es geht jetzt um Software und um Vereinfachung. Wir gehen noch zu oft mit alten Rezepten an Problemlösungen heran. Ich finde, die Mittelständler kriegen die Digitalisierung noch gut hin, aber wenn ich mir die größeren Automobilbauer angucke, ist das anders: Bei so gewichtigen Entscheidungen wie Softwareentwicklung fährt der Riesentanker Volkswagen einfach in die falsche Richtung. Und man steht machtlos daneben, weil das so in den Köpfen der Leute verankert ist.

Was muss sich bei den Unternehmen ändern?

Es ist wichtig, dass ein Ruck durch Deutschland geht. Und wenn die Politik keine Impulse gibt, dann müssen sie eben von uns kommen – den Unternehmern, den Arbeitnehmern, der Gesellschaft. Jeder einzelne ist gefragt.  

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