„Sonderkonjunktur“ in den Energiemärkten
Russland-Sanktionen: Folgen ihrer Aufhebung – USA als großer Verlierer?
Die USA überlegen, die Russland-Sanktionen zu beenden. Europa könnte sich anschließen. Dies könnte teilweise schwerwiegende Auswirkungen auf die Wirtschaft haben.
Moskau – In Russland wächst die Hoffnung auf eine sich zunehmend normalisierende Beziehung mit den US-Amerikanern. Erst kürzlich hatte das Weiße Haus angekündigt, zu prüfen, welche Sanktionen fallen könnten. Vonseiten des Kremls gab es schon Vorschläge dafür, dass sich US-Unternehmen wieder in Russland ansiedeln sollten. Kurz darauf aber vollzog US-Präsident Donald Trump eine Kehrtwende, gab stattdessen zu verstehen, dass er neue Sanktionen und Zölle gegen Russland in Erwägung zöge.
Schlagartige Erholung am Energiemarkt – falls Russland-Sanktionen entfallen
Kein Wunder also, dass Ökonomen rund um den Globus mit der Frage spielen, was wohl passieren würde, wenn die Sanktionen, die die westlichen Ukraine-Verbündeten gegen Russland eingesetzt hatten, fallen. Hierbei kommt es darauf an, von welchen Sanktionen tatsächlich die Rede ist. Aktuell stehen vorrangig die US-Sanktionen auf dem Spiel, weil sich Trump vorher extrem dem Kreml-Diktator Wladimir Putin angenähert hatte. Die Grundidee hinter den Sanktionen war stets, Russlands Wirtschaft zu schwächen.
Jedoch ist bereits absehbar, dass europäische Länder Trumps Verhalten als Anlass dafür nehmen könnten, um auch die europäischen Sanktionen infrage zu stellen und letztlich zu kippen. Ein Beispiel dafür ist Ungarn – das Land hatte schon häufiger Sanktionen oder Ukraine-Hilfen torpediert. Vor allem bei den Energieträgern Kohle, Öl und Gas könnte diese Lockerung einen enormen Effekt haben. Russland könnte seine Energieexporte nach Europa endlich wieder ohne Tricksereien wie den Gebrauch seiner Schattentanker verkaufen.
Laut dem Fachmagazin Finanzmarktwelt würde in diesem Fall eine fast schon schlagartige Entspannung auf den Öl- und Gasmärkten eintreten. Es sei von drastisch fallenden Preisen auszugehen, weil eine „Sonderkonjunktur“ das Gas in die europäischen Speicher spülen soll. Für die deutsche Industrie und Haushalte kann sich das als Erleichterung herausstellen, wenn wegen der erhöhten Verfügbarkeit die Energiepreise sinken.
Konsequenzen für LNG-Handel zwischen Russland und dem Westen – was richten Sanktionen aus?
Beim LNG wiederum gibt es mehrere Beschränkungen, die die EU eingeführt hatte. 2024 zum Beispiel sorgte das 14. Sanktionspaket dafür, dass verschiedene Investments und Exporte, die in Russland gebaut werden, verboten sind. Nach einer neunmonatigen Wartezeit sollten außerdem EU-Häfen für die Verladung und den Transport von russischem LNG versperrt sein.
Und erst im Februar hatten die Mitgliedsstaaten das 16. Sanktionspaket verabschiedet, das den Transport von Flüssigerdgas (Liquefied Natural Gas, LNG), das von europäischen Häfen weiter an Häfen außerhalb verschickt werden sollte, verbat. Durch diese Strafmaßnahmen hatten die europäischen Staaten Russlands Fähigkeit, aus dem Verkauf von LNG Profit zu schlagen, mindern wollen.
Laut dem Institut für Energiewirtschaft und Finanzmarktanalysen (IEEFA) ist Russland bereits einer der größten LNG-Lieferanten nach Europa – diese Position könnte Russland weiter ausbauen, in dem es einfach mehr LNG liefert. Der große Verlierer hierbei wären die USA, denn aufgrund logistischer und finanzieller Vorteile könnte Europa die Käufe drastisch reduzieren. Vorher waren die Vereinigten Staaten eingesprungen, als Europa nach LNG-Importen gesucht hatte, und hatte daraus Profit geschlagen.
Drastische Inflation – fallende Sanktionen hätten nur geringen Effekt
In Russland selbst haben die Sanktionen mit dazu beigetragen, dass die Inflation und die Leitzinsen auf Rekordhöhe gewachsen sind. Die russische Zentralbank hatte wiederholt Warnungen ausgesprochen. Mitte Februar hatte sie ihre Inflationsprognose von 4,5 bis fünf Prozent auf 7,0 bis 8,0 Prozent angehoben. Die Leitzinsen liegen mit 21 Prozent noch immer auf einem hohen Niveau.
Einerseits würde Russland von wirtschaftlichen Lockerungen profitieren. Andererseits aber hat der Krieg verschiedene Entwicklungen mit sich gebracht, die sich auch durch eine Sanktionslockerung kurz- bis mittelfristig nicht korrigieren lassen. Massenhaft Arbeitskräfte sind aus Russland geflüchtet oder in den Kriegsdienst gezogen worden, und solange der fortbesteht, hilft auch der Wegfall von Sanktionen in dieser Hinsicht nur bedingt.
„Der Preisdruck bleibt erheblich. Die zugrunde liegenden Inflationsindikatoren überstiegen Ende 2024 die Marke von zehn Prozent“, zitierte Finanzmarktwelt die Zentralbankchefin Elvira Nabjullina. Ökonomen hatten schon im Frühjahr 2024 davor gewarnt, dass Russlands Umstieg auf die Kriegswirtschaft zwar kurzfristig für ein höheres BIP sorgte (was der Kreml auch öfters ausgiebig berichtet hatte), gleichzeitig aber sei das Land abhängig vom Krieg.
Gravierende Konsequenzen für USA und Europa – wenn Russland-Sanktionen fallen
Abschließend könnte er Kreml nicht nur bei Energieexporten, sondern auch bei allen anderen Gütern auf seine – teils über Jahre aufgebaute – Umgehungsmechanismen für West-Sanktionen verzichten. Diamanten, Schusswaffen, Luxusgüter, Kohle: Die Liste der vorher sanktionierten Importgüter ist lang. Bei vielen dieser Güter hatte sich Russland auf Länder wie Indien und Kirgisistan verlassen, damit sie diese Waren aus Europa ab- und dann nach Russland verkaufen, oder eben andersherum.
Der Thinktank Atlantic Council warnte dagegen vor gravierenden politischen Konsequenzen. Die USA würden ihre Verhandlungsbasis aufgeben und die Achse autoritärer Staaten, die sich gegenseitig bei der Umgehung von Sanktionen unterstützt haben, ermutigen, ihre Strategien weiterzufahren. Anstatt die Sanktionen vorzeitig zu lüften, sollte der Westen sich darauf konzentrieren, Schlupflöcher zu schließen und die Durchsetzung der existierenden Sanktionen zu stärken.
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