„Sie kaufen türkisches Birkenholz“
Trotz westlicher Sanktionen – Russland bringt wichtigen Rohstoff in europäische Länder
Der Westen versucht, Russland durch harte Sanktionen finanziell auszutrocknen. Doch Russland entdeckt Auswege. Einer davon beschert Putin neue Milliarden.
Berlin – Die Vereinigten Staaten ziehen die Schlinge enger. Kürzlich verabschiedete Sanktionen sollen die russischen Öl-Exporte schmälern. Es hatte nicht lang gedauert, da bekam Russland die Konsequenzen zu spüren: Chinesische Häfen machten für einige russische Schiffe dicht, kurz darauf ging Indien auf Abstand. Allerdings greifen die Sanktionen nicht auf allen Gebieten.
Birkenholz-Verkäufe füttern Russlands Wirtschaft – Milliardeneinnahmen trotz Sanktionen
Eine Ladung Birkensperrholz verlässt Russland und gelangt in die Türkei. Dort erhält sie in einer türkischen Fabrik türkische Freigaben und ein entsprechendes Label – woraufhin die Ladung als türkisches Birkensperrholz nach Europa gelangt. So simpel sieht der Vorgang aus, der dem russischen Präsidenten Wladimir Putin seit Beginn der westlichen Sanktionen gegen Russland geschätzt 1,5 Milliarden Euro eingebracht hat.
Das jedenfalls zeigt eine Undercover-Recherche der britischen Nichtregierungsorganisation Earthsight, über die die Süddeutsche Zeitung berichtet hatte. Die EU hatte russische Holzimporte bereits im Juli 2022 sanktioniert, ein Import nach Europa war fortan verboten. Allerdings hatte Russland schnell auf Drittländer wie die Türkei, China, Kasachstan und Georgien zurückgegriffen, über die es dennoch größere Mengen an Birkensperrholz über die europäischen Grenzen bringt. „Wir verkaufen in die Türkei, Sie kaufen türkisches Birkenholz“, hatte die Süddeutsche dazu einen russischen Händler zitiert, der im Gespräch mit einem falschen Käufer freimütig zugegeben haben soll, wie das Ganze sich abspielt.
Birkenholz aus Kasachstan – Russland-Exporte in Zahlen
Dabei ist auch so durch die Zahlen recht klar ersichtlich, wie Putin die Sanktionen umgeht. Die EU importiert offiziell seit dem Juli 2022 keine Holzprodukte mehr aus Russland, das zeigten Zahlen des europäischen Statistikamts EUROSTAT. Dafür aber nahmen bereits im August 2022 die Lieferungen von Birkensperrholz aus Kasachstan in europäische Länder massiv zu. Kurzzeitig hatte auch die Türkei fast doppelt so viel Birkenholz geliefert wie noch im Juni 2022, allerdings war dieser Wert wieder gesunken, während Kasachstans Birkenholzexporte die der Türkei weit in den Schatten stellten.
Das Observatory of Economic Complexity erlaubt einen Blick zurück. Den für 2020 gesammelten Handelsdaten zufolge war Kasachstan schon traditionell ein großer Abnehmer von russischen Holzprodukten, allerdings stieg das Importvolumen innerhalb weniger Jahre von 364 Millionen US-Dollar (2020) auf fast 500 Millionen US-Dollar (2022). Die vorher wichtigen Abnehmer Usbekistan, Kirgistan und Tadschikistan nahmen massiv weniger Holz aus Kasachstan ab, dafür lieferte Kasachstan wesentlich mehr Holz nach Europa. Der Export nach Polen stieg um mehr als 18.000 Prozent (17,7 Millionen US-Dollar), der nach Lettland um mehr als 141.000 Prozent (10,9 Millionen US-Dollar) und der nach Deutschland um mehr als 2.000 Prozent (4,3 Millionen US-Dollar).
In der Türkei sah es ähnlich aus: Die Exporte nach Ägypten, Chile und Aserbaidschan gingen von 2021 bis 2022 massiv zurück, während das Land plötzlich wesentlich mehr Holzprodukte nach Bulgarien, Italien und Rumänien lieferte.
Kasachstan bezeichnete sich selbst als waldarmes Land. Im Jahr 2020 betrug die Waldfläche in Kasachstan laut der kasachischen Regierung rund 4,9 Prozent der Gesamtfläche des Landes. Dabei sind Saxaul-Plantagen mit eingerechnet, die etwa die Hälfte der kasachischen Waldfläche ausmachen.
Putin umgeht West-Sanktionen – Zu einem Preis
Eine ähnliche Entwicklung war im Übrigen schon bei anderen Waren zu erkennen, etwa bei Diamanten, die Russland geschickt über Indien umleitet, oder Öl, das mittels der berüchtigten Schattenflotte seinen Weg nach Europa findet – sei es über Drittländer oder direkt. Andersherum funktioniert das Ganze übrigens auch: Wenn die Importe von bestimmten EU-Gütern nach Russland deutlich zurückgehen, dafür aber dubiose Händler aus der Türkei oder anderen Russland-Nachbarn massenhaft einkaufen, ist in etwa ersichtlich, welches das eigentliche Zielland sein dürfte. Diese Entwicklung war seit 2022 zum Beispiel bei verschiedenen Luxusgütern, wichtigen Maschinen oder in Europa hergestellten Schusswaffen zu erkennen.
Die Sanktionspolitik hat im Rahmen des Ukraine-Kriegs einen ganz eigenen Kleinkrieg ausgelöst. Die westlichen Ukraine-Verbündeten versuchen, Russlands Exporteinnahmen drastisch zu verringern, was wiederum die notwendigen finanziellen Mittel abgraben soll, die der Kreml braucht, um die Invasion zu bezahlen. Putin wiederum versucht stets, dem Westen einen Schritt voraus zu sein und die Sanktionen wiederum zu entgehen.
Anfangs sah es danach aus, als hätte er damit Erfolg: 2024 noch hatte Russland überaus starke Zahlen vermittelt, was das Wirtschaftswachstum anging. Allerdings hatte sich herausgestellt, dass diese Maßnahmen zur Verschleierung mehr Zeit oder Geld kosten, teilweise beides. Für den Aufbau der Schattenflotte soll Putin etwa zehn Milliarden US-Dollar hingelegt haben.
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