„Situation unter Kontrolle“
Rubel-Verfall: Russlands Wirtschaft vor Teufelskreis
US-Sanktionen verursachten einen Rubelabsturz. Dies kann eine Kettenreaktion auslösen. Welche Konsequenzen hätte das für die Wirtschaft Russlands?
Moskau – Die Auswirkungen westlicher Sanktionen treten immer deutlicher zutage. In der Luftfahrt muss der Branchentitan Aeroflot mittlerweile Flugzeuge kaufen, um sie für ihre Ersatzteile auszuschlachten, für 2025 warnten Ökonomen bereits vor einer Insolvenzwelle. Große chinesische Banken hatten Abstand von russischen Geschäftspartnern genommen; teils hatten sie gar Zahlungen verweigert. Zuletzt hatten die USA die wichtige Gazprombank aus Russland sanktioniert – unter anderem hatte dies einen neuerlichen Verfall beim russischen Rubel ausgelöst.
Das bedeutet der Rubel-Verfall für Russlands Wirtschaft – Ökonomen warnen vor Abwärtsspirale
Was aber bedeutet der Verfall des Rubels für Russland? Verschiedene Wirtschaftsexperten vertreten die Ansicht, dass diese Entwicklung Russland in eine Art Abwärtsspirale gestoßen habe. Grundlage des Ganzen ist der Umstand, dass ein Land für seine Importe mehr Geld zahlen muss, wenn die eigene Währung schwächelt. Ein teurerer Import heizt wiederum die Inflation an. Wenn die Inflation steigt (in Russland war sie zuletzt auf etwa neun Prozent gestiegen) schaltet sich die Zentralbank ein und hebt den Leitzins. Dieser wuchs erst auf 21 Prozent, die gefühlte Inflation lag bei 15,3 Prozent.
Das Problem an höheren Zinsen wiederum liegt darin, dass sie Kredite verteuern und darum eine dämpfende Wirkung auf Investitionen haben – die allerdings notwendig wären. „Man muss sich darauf gefasst machen, dass es neben den sinkenden Investitionen auch zu einer hohen Zahl von Firmenpleiten kommen wird“, zitierte die Welt dazu Vasily Astrov, einen Russland-Experten am Wiener Institut für Internationale Wirtschaftsvergleiche (WIIW).
Für Russland ist außerdem der massiv eingebrochene Ölpreis ein Problem. Öl und Gas sind zwei der wichtigsten Exportgüter des Landes. Laut dem Centre for Research on Energy and Clean Air sind Russlands Einnahmen aus dem Verkauf von fossilem Öl um vier Prozent zurückgegangen (Stand Oktober), die Einnahmen aus dem Verkauf von Pipeline-Rohöl gingen um fünf Prozent zurück (Stand Oktober). Aktuell erhält Russland rund 72 Dollar je Barrel, berichtete Welt unter Berufung auf Informationen des BOFIT-Instituts der finnischen Zentralbank.
Putin umgeht West-Sanktionen – Das kostet Russlands Wirtschaft extra
Ein weiteres Problemfeld für Russland ist die Umgehung der westlichen Sanktionen. Aus russischer Sicht ist es stets eine Erfolgsmeldung, wenn der Kreml etwa trotz West-Sanktionen bestimmte Güter nach Europa verkaufen kann, allerdings steht dahinter eine ganz eigene Industrie. Die Maßnahmen, die Russland sich hat einfallen lassen, kosten Geld – eine der bekanntesten ist wohl die berühmte Schattenflotte, für die Russland Schätzungen zufolge seit 2022 mindestens zehn Milliarden US-Dollar ausgegeben hatte. Darüber hatte unter anderem der britische Guardian berichtet.
Die Sanktionierung der Gazprombank erschwert diese Praktiken insofern, als für Tarngeschäfte ohne eine stabile Option auf Geldüberweisung ein hoher Aufwand notwendig wird. Banken, die nicht ans SWIFT-Bankensystem angeschlossen sind, können darüber keine ausländischen Währungen einkaufen oder im Ausland Assets handeln. Sie können zwar auch ohne SWIFT internationale Zahlungen leisten, aber das ist ein teurerer Prozess – laut dem Europäischen Rat ist dafür ein hohes Maß an gegenseitigem Vertrauen zwischen den Finanzinstituten notwendig. Die Zahlungen, die Russland leisten kann, seien damit wieder in der Ära angelangt, in denen jede Transaktion per Telefon und Fax bestätigt wurde.
Russlands Wirtschaft gehen die Reserven aus – „Kein Grund zur Panik“
Um seine Wirtschaft zu stützen, hatte der Kreml-Chef Wladimir Putin sich bereits an den eisernen Reserven des Landes bedient. Milliarden waren etwa in den Flugsektor geflossen, um ihn in Zeiten massiver Flugverbote in Europa zu stützen. „Die Fonds neigen sich dem Ende zu“, hatte die Tagesschau Rolf Langhammer vom Kieler Institut für Weltwirtschaft zitiert. Währenddessen treibt Russland seine Wirtschaft mit der Kriegsindustrie an, die allerdings aufgrund der Zerstörung in der Ukraine kaum nachhaltig bleibt.
Schon im Frühjahr 2024 hatten Ökonomen Anzeichen dafür gesehen, dass das größte Land der Erde sich in einer „Frühstufe“ des wirtschaftlichen Verfalls befinden sollte. In Russland aber besteht weniger Grund zur Sorge – jedenfalls, wenn es nach Wladimir Putin geht. „Insgesamt ist die Situation meiner Ansicht nach unter Kontrolle“, zitierte die Tagesschau. Es gebe „keinen Grund zur Panik“.
Aktuell steht der russische Rubel bei einem Gegenpreis von 0,0088 Euro. Nach einem auf die Sanktionierung folgenden Tief hatte er sich kurzzeitig erholt, sackt aber am 11. Dezember wieder ab.
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