Rentner in Sorge
Höhere Rente in Deutschland: Experten empfehlen „echte Alternative“ gegen Altersarmut
Immer mehr Deutsche sorgen sich vor Armut im Alter. Forderungen nach freiwilligen Sonderzahlungen für höhere Renten werden daher lauter.
Berlin – Erst kürzlich kündigte Bundesarbeits- und Sozialminister Hubertus Heil (SPD) eine satte Rentenerhöhung von 4,57 Prozent an. Dennoch machen sich weiterhin Millionen Deutsche Sorgen um ihr Auskommen im Alter. Einer aktuellen NDR-Umfrage zufolge befürchten zwei Drittel der Befragten, im Alter arm zu sein. Die private Altersvorsorge gilt seit Jahren als Muss für alle, die ihre Rente aufstocken wollen und können. Nun gerät aber eine Alternative in den Fokus: Freiwillige Sonderzahlungen in die gesetzliche Rentenversicherung sind auf einem Rekordhoch.
Rente in Deutschland: Rekordsumme an Sonderzahlungen
2022 zahlten die Deutschen erstmals mehr als eine Milliarde Euro an freiwilligen Sonderbeiträgen in die gesetzliche Rentenkasse. Gedacht sind die Sonderzahlungen, die seit 2017 möglich sind, um bei einem früheren Renteneintritt anfallende Abschläge, also Abzüge der gesammelten Rentenpunkte und damit beim Geld, auszugleichen. Wer aber freiwillig mehr einzahlt und bis zum regulären Renteneintrittsalter weiterarbeitet, bekommt somit eine höhere gesetzliche Rente. Für viele scheint das ein zunehmend attraktives Vorsorgemodell zu werden, vermutet der Rentenexperte der Linken, Matthias M. Birkwald.
„Die Menschen vertrauen der Deutschen Rentenversicherung“, sagt Birkwald zu IPPEN.MEDIA. Der Bundestagsabgeordnete ist für die Abschaffung der Riester-Rente und gegen Aktienrenten wie das von der Bundesregierung angekündigte Generationenkapital. Er will stattdessen die gesetzliche Rente stärken. Dafür sollen die Möglichkeiten für freiwillige Zahlungen in die Rentenkasse ausgeweitet werden. „Die staatliche Riester-Förderung wollen wir abschaffen und stattdessen den Menschen ermöglichen, ihre Riester-Ersparnisse als freiwillige Sonderzahlungen in die gesetzliche Rente auf ihr persönliches Rentenkonto zu übertragen“, sagt Birkwald dazu.
Höhere Rente in Deutschland: Ausweitung für freiwillige Sonderzahlungen?
Den Vorschlag zur Ausweitung der gesetzlichen Sonderzahlungen, die 2017 noch bei etwa 200 Millionen lagen und sich damit innerhalb weniger Jahre verfünffacht haben, unterstützt nun auch der Sozialverband Deutschland (SoVD). „Aus Sicht des SoVD sollte grundsätzlich die Möglichkeit ausgebaut werden, freiwillige Beiträge in die gesetzliche Rentenversicherung einzuzahlen“, sagt die SoVD-Vorstandsvorsitzende Michaela Engelmeier zu IPPEN.MEDIA. Sie ergänzt: „Dies könnte eine echte Alternative zur dritten Säule, der privaten Altersvorsorge, für all diejenigen sein, die ihr Geld nicht dem Kapitalmarkt überlassen wollen.“
Zum vom Gesetzgeber erdachten Sinn der Sonderzahlungen hat die SoVD-Vositzende gemischte Gefühle. „Ob es sich im Einzelfall wirklich lohnt, Abschläge abzukaufen, um dann ohne Abschläge vorzeitig in Rente gehen zu können, ist schwer einzuschätzen.“ Klar ist für den Sozialverband aber, dass die größer werdenden Freiwilligenbeträge ein klares Signal senden: „Die steigende Zahl der Versicherten, die Abschläge abkaufen, zeigt, dass der Wunsch nach einem vorzeitigen Renteneintritt zunimmt. Dies bestärkt uns in unserer Forderung, keine weitere Anhebung der Regelaltersgrenze zuzulassen“, sagt Engelmeier.
Mehr Rente in Deutschland: Sinkendes Vertrauen von zukünftigen Rentnern in private Altersvorsorge
Sowohl aus der Linken als auch der Union hieß es zuletzt, dass die Deutschen der privaten Altersvorsorge zunehmend misstrauisch gegenüberstünden. Obwohl es in Deutschland mehr als 15 Millionen abgeschlossene Riester-Verträge gibt, sind die Zahlen tatsächlich seit Jahren rückläufig. Stabil dagegen ist die Zahl der Deutschen, die am Aktienmarkt investieren, auch um ihr Alter zu finanzieren. Seit vier Jahren in Folge sind mehr als zwölf Millionen Deutsche an der Börse aktiv, wie das Deutsche Aktieninstitut mitteilt. Auch Immobilien gelten nach wie vor als sichere Altersvorsorge.
Ob Geld nun in private Vorsorgemodelle oder Zusatzleistungen der gesetzlichen Rentenkasse fließt, klar ist: Dafür müssen die Menschen erstmal etwas beiseitelegen können. Das merkt auch SoVD-Chefin Engelmeier in der Debatte an: „Die Möglichkeit, Abschläge abzukaufen, ist nur etwas für diejenigen, die überhaupt zusätzliches Geld zur Verfügung haben. Deshalb brauchen wir dringend ein Rentenniveau von 53 Prozent, denn das eröffnet auch Menschen ohne größere Ersparnisse kleine finanzielle Spielräume, um ihre Rente auch mit Abschlägen ohne Angst vor Altersarmut genießen zu können.“
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