Auto-Krise greift um sich
„Perfekter Sturm“ trifft Stahlbranche – Großunternehmen erwägt Kürzungen in der Produktion
Es sind nicht nur die deutschen Stahlhersteller, die derzeit Probleme haben. In der Schweiz ist die Situation ähnlich: Swiss Steel steckt in der Klemme, teilweise aufgrund der Krise der deutschen Autozulieferer.
Emmenbrück/Zürich – Während sich der deutsche Staat mit Subventionen in Höhe von rund sieben Milliarden Euro an der grünen Transformation der Stahlindustrie beteiligt, liegt die Nachfrage nach deutschem Stahl aktuell auf einem niedrigen Niveau. Auch im kommenden Jahr dürfte sich das Branchenexperten zufolge kaum ändern: Die Wirtschaftsvereinigung Stahl prognostiziert für 2025 gar einen Nachfragerückgang um rund sieben Prozent. Doch auch im nahen Ausland haben Stahlkonzerne aktuell zu kämpfen.
Zuletzt waren um den größten Schweizer Stahlkonzern Swiss Steel Negativschlagzeilen publik geworden, denen zufolge sich der Stahlproduzent derzeit in der Krise befindet. Im Zuge dessen fiel auch die Swiss-Steel-Aktie an der Schweizer Börse erneut – seit Jahresbeginn ist sie gar um 83 Prozent auf aktuell 3,10 Franken gesunken. Neben gestiegenen Energiekosten plagt den Konzern aber auch eine Absatzflaute im wichtigsten Einzelmarkt Deutschland.
Swiss-Steel-Geschäftsführer Koch dementiert Gerüchte um eine bevorstehende Insolvenz
Ende April hatte es bei Swiss Steel eine Kapitalerhöhung von rund 300 Millionen Franken gegeben. Das Geld hierfür war einzig von Hauptaktionär Martin Haefner aufgewandt worden, ansonsten wollte sich niemand an der Finanzierung beteiligen. Swiss Steels Börsenwert lag danach bei rund 550 Millionen Franken. Rund sechs Monate später sind es noch 117 Millionen, wie das Schweizer Nachrichtenportal Nau.ch nun berichtete.
Swiss-Steel-Vorstand Frank Koch dementierte die angebliche Insolvenz-Gefahr des Schweizer Stahlkonzerns nun gegenüber der Frankfurter Allgemeinen Zeitung (FAZ). „Es ist fahrlässig bis gefährlich, solche Gerüchte durch die Medien zu treiben. Das verunsichert unsere Mitarbeiter, Kunden und Lieferanten. Wir sind jetzt seit einer Woche dran, alle wieder zu beruhigen und zu erklären, dass das, was geschrieben wurde, so nicht stimmt“, sagte Koch der FAZ.
Ein großes Problem für den größten Schweizer Stahlhersteller seien jedoch die hohen Energiekosten und allen voran die Stromkosten. Für industrielle Großverbraucher liegen sie in der Schweiz gegenwärtig noch 15 Prozent höher als in Deutschland, wie die FAZ ausgehend vom Thinktank Avenir Suisse berichtet. Als weitere große Hürde kommen die Schwierigkeiten der deutschen Autoliefererindustrie für Swiss Steel hinzu, denn aus Geschäften mit ihr bezieht der Konzern rund die Hälfte seines Umsatzes.
Swiss-Steel-CEO Koch: „Müssen unsere Fixkosten senken“
Spekulationen löste beim Schweizer Stahlkonzern zuletzt auch das Gerücht aus, der Konzern könne im Zug weiter wachsender Verluste 2025 außerstande sein, Kreditbedingungen zu erfüllen. Zwar betonte Koch, sich wegen der Börsennotierung Swiss Steels nicht zu aktuellen Zahlen äußern zu können, erklärte jedoch: „Wir arbeiten sehr eng und konstruktiv mit unseren Banken zusammen.“ Die weitere Entwicklung hänge von vielen, auch externen, Faktoren ab. „Keiner weiß, was in zwölf Monaten ist. Aber das gilt für die gesamte Branche.“
Weil Koch nicht davon ausgeht, dass der Schweizer Staat dem Stahlkonzern mit Subventionen unter die Arme greift, scheint eine andere Maßnahme nun wahrscheinlicher: die Kostenschraube anzuziehen. „Wir sind in einer Strukturkrise, aus der uns die Politik in Europa kurzfristig nicht heraushelfen wird. Deshalb müssen wir reagieren und zusätzlich zu den bereits ergriffenen Maßnahmen unsere Fixkosten senken. Wir schließen keine Werke, aber wir werden einen Teil unserer Produktionskapazitäten abbauen“, betonte der Swiss-Steel-Konzernchef gegenüber der FAZ weiter. Zum konkreten Umfang der Kürzungen wollte er sich jedoch nicht äußern.
„Sind in einem perfekten Sturm“ – Situation deutscher Autozulieferer bereitet Swiss Steel Sorge
Die Probleme der deutschen Autoindustrie und insbesondere der Zulieferer als bedeutendem Kundensegment Swiss Steels veranlassen Koch, zu resümieren: „Wir sind in einem perfekten Sturm.“ Dass daneben beinahe täglich neue Negativschlagzeilen von den Zulieferern bekannt werden, bringt den Sturm sicher auch nicht dazu, sich wieder zu legen. So plant etwa Bosch, bis zu 3200 Arbeitsplätze in der Autozulieferung abzubauen, wie VDI-Nachrichten nun berichtete. Auch Continental plane demnach, bis Ende nächsten Jahres insgesamt 7150 Arbeitsplätze in Verwaltung sowie Forschung und Entwicklung streichen.
Allesamt auch für Swiss Steel alles andere als gute Nachrichten. Darüber hinaus mindern auch die gegenwärtige Schwäche der Flugzeugindustrie und die Probleme der Gas- und Ölförderbranche die Aussichten auf eine Verbesserung der Ausgangslage für den Schweizer Stahlproduzenten. Dabei war der Umsatz von Swiss Steel schon im ersten Halbjahr des anhaltenden Jahres um rund ein Viertel auf 1,4 Milliarden Franken eingebrochen, wie die FAZ berichtet.
Vom am Dienstag (29. Oktober) stattfindenden Industriegipfel mit Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) erhofft sich der Swiss-Steel-Konzernchef unter anderem direktere Ansagen, um sattelfester planen zu können. „Ich wünsche mir Planungssicherheit, wettbewerbsfähige Strompreise und verlässliche Netzkosten wenigstens auf dem Niveau, das wir noch im vergangenen Jahr hatten“, führt Koch aus. Außerdem fordert Koch, die Autoindustrie mit Prämien für Elektrofahrzeuge zu unterstützen. Für den Wechsel von fossilen zu grünen Energieträgern in der Stahlproduktion brauche es verlässliche Vorgaben. „Ich baue nicht auf Strom um, wenn ich nicht weiß, in welche Richtung sich der Strompreis entwickelt“, fügte Koch seinen Ausführungen an.
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