Ifo-Institut
Ökonomen geben Standort Deutschland nur noch Note „befriedigend“ – und fordern höheres Rentenalter
Eine aktuelle Analyse der Wirtschaftslage offenbart Verbesserung für Deutschland. Experten bewerten die Standortbedingungen mit der mittelmäßigen Note „befriedigend“.
Frankfurt – Innerhalb der deutschen Regierungskoalition herrscht Uneinigkeit über die Existenz eines Standortproblems in Deutschland. Im Gegensatz dazu sind sich deutsche Ökonomen einig und vergeben Deutschland in puncto Standortqualität lediglich eine mittelmäßige Bewertung. Gemäß dem Ökonomenpanel des Münchener Ifo-Instituts erhält Deutschland im Durchschnitt die Schulnote 3,4 – gerade ausreichend. Eine Mehrheit von 55 Prozent befragten Ökonomen bewertet den Standort als „befriedigend“ oder „ausreichend“, während lediglich 20 Prozent ihn als „gut“ und nur zwei Prozent als „sehr gut“ einstufen. 23 Prozent der Befragten betrachten den Standort sogar als „mangelhaft“ oder „ungenügend“.
Volkswirte positionieren sich auf Seite der Unternehmen: Spätere Rente erforderlich
180 vom Münchner Ifo-Institut befragte Wirtschaftsprofessoren geben Deutschland als Standort im internationalen Vergleich eine schlechte Note. Das sei „für die Industrienation Deutschland besorgniserregend schlecht“, sagte Ifo-Experte Niklas Potrafke am Freitag (3. Mai). Besonders deutlich beklagten sie Bürokratie und Regulierungen.
„Damit es dem Wirtschaftsstandort Deutschland besser geht, werden Reformen benötigt“, betonte Potrafke. „Dazu zählen der Bürokratieabbau und mehr öffentliche Investitionen in die Infrastruktur und Digitalisierung. Dafür sollte aber auf keinen Fall die Schuldenbremse aufgeweicht werden, vielmehr bedarf es beispielsweise einer Anpassung des Renteneintrittsalters an die Lebenserwartung.“
Volkswirte positionieren sich in der Debatte eindeutig auf der Seite der Unternehmen, die von der Regierung dringende Korrekturen zur Verbesserung der Investitionsattraktivität fordern.
Wie die Frankfurter Allgemeine Zeitung berichtet, wird die Feststellung einer mittelmäßigen Standortqualität durch eine Untersuchung der Wirtschaftsprüfungsgesellschaft Ernst & Young gestützt. Diese ergab, dass im vergangenen Jahr nur noch 733 ausländische Unternehmen Investitionsprojekte in Deutschland realisierten, ein Rückgang um zwölf Prozent im Vergleich zum Vorjahr. Das ausländische Interesse an Investitionen hierzulande erreicht damit den niedrigsten Stand seit 2013.
Schwachstellen von Deutschland als Standort: Bürokratie und unzureichende Digitalisierung
Die Volkswirte beurteilen in der Umfrage des ifo Instituts die Schwachstellen und Stärken des deutschen Standorts. Offenbar sehen fast 90 Prozent Regulierung und Bürokratie als größte Hemmnisse, gefolgt von den Kosten und der Unsicherheit bezüglich Rohstoffen und Energie mit 74 Prozent. Fast 70 Prozent betrachten die unzureichende Digitalisierung des deutschen Verwaltungs- und Wirtschaftslebens als Hindernis, gefolgt von 60 Prozent, die die Lohnnebenkosten als problematisch einschätzen.
Interessanterweise bewerten die Ökonomen das Lohnniveau selbst größtenteils neutral. Klagen über hohe Steuern und eine schlechte Infrastruktur teilen knapp die Hälfte der Ökonomen als Standortschwäche. Rund 40 Prozent sehen den Mangel an Arbeitskräften und Fachkräften oder die Unsicherheiten in der Wirtschaftspolitik als negativ für den Standort an. Diese Sichtweise der Volkswirte unterscheidet sich leicht von den öffentlichen Diskussionen über den Fachkräftemangel und die unbeständige Wirtschaftspolitik.
Für die Stärke des Standorts sprechen wohl die politischen Institutionen und das Humankapital, wofür sich 50 Prozent der Volkswirte aussprechen. Auch geringe geopolitische Risiken und die nationale Sicherheit spricht für Deutschland.
Mit Material der dpa.
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