Experten schlagen Alarm
Wirtschaftsstandort Deutschland leidet - Investitionen könnten „über Jahre stagnieren“
Der Wirtschaftsstandort Deutschland hat zuletzt merklich eingebüßt. Corona, hohe Energiepreise und die massiven Investitionen der USA lassen Experten Alarm schlagen.
Frankfurt/München - Der Wirtschaftsstandort Deutschland scheint an Attraktivität merklich verloren zu haben. Deutsche Firmen investierten im vergangenen Jahr Milliardenbeträge in die Volkswirtschaften anderer Länder. Im Gegensatz dazu sei aus dem Ausland wesentlich weniger in der Bundesrepublik investiert worden. Nach Berechnungen des Instituts der deutschen Wirtschaft (IW) gingen 2022 rund 125 Milliarden Euro mehr Direktinvestitionen deutscher Firmen ins Ausland, als umgekehrt. Dies sei der höchste Abfluss, der hierzulande jemals verzeichnet worden sei.
Deutsche Wirtschaft könnte wegen Krisen „über Jahre stagnieren“
Nicht nur das IW betrachtet die Entwicklung für den Standort Deutschland mit Sorge. Clemens Fuest, Chef des Münchner Ifo-Institus, äußert gegenüber dem Spiegel folgende These: „Deutschland tue sich schwerer als andere Länder, nach der Corona- und Energiepreiskrise aus dem Tief herauszukommen. Ihm zufolge könne der Investitionsstandort Deutschland im schlimmsten Falle „über Jahre stagnieren“.
Die Spitzenorganisation des deutschen Maschinen- und Anlagenbaus (VDMA) schlägt ebenfalls Alarm: Drei von vier Maschinenbauern erklärten demnach bei einer Umfrage, dass die Attraktivität der deutschen Wirtschaft in den vergangenen Jahren gesunken sei. Nur 20 Prozent der 667 Umfrageteilnehmer des VDMA bewerten die aktuellen Rahmenbedingungen in Deutschland als gut oder sehr gut. Ein deutlich besseres Zeugnis stellen sie beispielsweise den USA aus - 74 Prozent bezeichneten die Bedingungen als gut oder sehr gut.
Derweil ist die Zahl der ultrareichen Menschen weltweit zurückgegangen.
Wirtschaftsstandort Deutschland: USA gießen mit Subventionsprogramm Öl ins Feuer
Ein Hauptgrund für den deutschen Niedergang sei das massive Investitionsprogramm der Vereinigten Staaten, das auch deutsche Unternehmen mit Subventionen locke: „Die amerikanische Regierung hat mit dem Inflation Reduction Act (IRA) ein Programm auf den Weg gebracht, von dem die Industrie in den nächsten Jahren stark profitieren wird“, erläutert VDMA-Präsident Karl Haeusgen.
Das Programm sieht milliardenschwere Investitionen im Bereich Klimaschutz vor, knüpft Subventionen und Steuergutschriften aber daran, dass heimische wie ausländische Unternehmen US-Produkte verwenden oder selbst in den USA produzieren. „In Deutschland vermisse ich diese Aufbruchsstimmung“, führt Haeusgen aus. Ihm zufolge werde zu viel auf neue Regulierungen gesetzt, statt auf die Innovationskraft des Markts und der mittelständischen Unternehmen.
Der Befragung zufolge ist und bleibt Europa allerdings der wichtigste Markt für den Maschinen- und Anlagenbau. Mehr Investitionen als bisher könnten allerdings nach Übersee gehen. Etwa jedes fünfte Unternehmen setzt demnach auf Produktionsneugründungen oder -erweiterungen in die Vereinigten Staaten, jedes sechste in Indien. Eine entscheidende Rolle bei der Wahl des Wirtschaftsstandortes würden Marktgröße, Marktwachstum, Nähe zum Kunden sowie Kostenvorteile spielen.
Standort Deutschland: Massiver Schwund bei Investitionen aus dem Ausland
Nach Berechnungen des IW investierten ausländische Firmen aus den OECD-Staaten und weiteren Ländern wie China und Brasilien im vergangenen Jahr rund 10,5 Milliarden Euro (2021: etwa 44,1 Mrd. Euro) unter anderem in Übernahmen oder Neugründungen in Deutschland. Dem standen 135,5 Milliarden Euro Direktinvestitionen (2021: rund 157 Mrd. Euro) deutscher Firmen im Ausland gegenüber.
„Die Investitionsbedingungen in Deutschland haben sich aufgrund der hohen Energiepreise und dem zunehmenden Fachkräftemangel zuletzt noch einmal verschlechtert“, sagte IW-Ökonom Christian Rusche. Viele Probleme seien hausgemacht, darunter hohe Unternehmenssteuern, ausufernde Bürokratie und eine marode Infrastruktur. „Damit Deutschland künftig wieder zur ersten Adresse für ausländische Investitionen wird, muss die Bundesregierung dringend gegensteuern.“
Ein US-Magazin urteilt hart über Deutschlands wirtschaftlichen Abstieg - „immer ein externer Suggar-Daddy“. (PF mit Material der dpa)
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