„Vertrauen in Politik fehlt“
Millionen Wohngebäude müssen saniert werden – aber die Deutschen wollen nicht
Trotz der vielen Diskussionen um das Thema Gebäudesanierung und Energieeffizienz: Einer aktuellen Umfrage zufolge denken die meisten nicht über eine Sanierung nach.
Berlin – Wie können wir in Deutschland, Europa und der Welt die Treibhausgase minimieren? Besonders im Gebäudebereich wird aktuell viel über diese Frage diskutiert. Aufgehängt am Gebäudeenergiegesetz und an den EU-Vorhaben für eine Sanierungsoffensive könnte das Thema für viele Eigentümerinnen und Eigentümer bald eine große Rolle spielen. Doch wie eine aktuelle Umfrage von YouGov zeigt: Die meisten Immobilienbesitzenden scheint das wenig zu beeindrucken.
Politischer Streit sorgt für Zögerlichkeit bei Sanierungen
Demnach planen die meisten in nächster Zeit keine Sanierungsmaßnahmen wie den Einbau klimaschonender Heizungen. 52 Prozent wollen vorerst keine Investitionen tätigen, wie das Portal ImmoScout24 zu der von ihm in Auftrag gegebenen Umfrage mitteilte. Unter den Sanierungswilligen wollen demnach nur sieben Prozent eine moderne Heizungsanlage anschaffen, 14 Prozent eine Photovoltaik-Anlage. Dachdämmung, Außenwanddämmung und Fenster mit Doppelverglasung wollen jeweils nur fünf Prozent der Eigentümer und Eigentümerinnen umsetzen.
„Die langen Debatten und politischen Streitigkeiten um die Umsetzung des ‚Heizungs-Gesetzes‘ dürften bei vielen Eigentümern und Eigentümerinnen für große Vorbehalte gegen den Austausch von Heizungen gesorgt haben“, sagte ImmoScout24-Geschäftsführerin Gesa Crockford. „Auch der Umstand, dass die Ausgestaltung der Förderung lange unklar blieb, hat wohl für einen gewissen Überdruss gesorgt, sich weiter mit dem Thema auseinanderzusetzen.“ Ob die Bereitschaft zur energetischen Sanierung in Zukunft wachse, dürfte aber auch von anderen Faktoren wie der konjunkturellen Lage und Entwicklung der Inflation abhängen.
Ähnlich sieht das auch Thomas Reimann, Präsident des hessischen Baugewerbes: „Auch bei möglichen und oft notwendigen Sanierungen im Gebäudebestand besteht große Zurückhaltung, weil das Vertrauen in eine verlässliche Politik fehlt. Oft hilfreiche Förderprogramme sind entfallen oder in der Umsetzung kompliziert.“ Auch weil die Kosten nicht immer im Vorfeld klar seien, blieben die Bestrebungen in diesem Bereich zögerlich, sagt er gegenüber IPPEN.MEDIA.
Sanierungen notwendig für die Klimabilanz
Dabei könnte eine große Sanierungswelle gerade jetzt der strauchelnden Baubranche guttun. „Alles, was zu verlässlichen Entscheidungen im Gebäudebereich führt, würde für eine Belebung sorgen. So auch bei dringend erforderlichen Sanierungen im Bestand von Immobilien“, so Reimann weiter.
Einen kleinen Schritt ist dahingehend die Bundesregierung nun nach dem Baugipfel zum Wochenbeginn gegangen. So soll ein neues Förderprogramm „Jung kauft Alt“ an den Start gebracht werden. Ziel des Programms ist es, dass junge Paare oder Familien einen Altbau kaufen, den sie sanieren und damit erhalten möchten. Die Art der Sanierungsmaßnahmen, will die Bundesregierung in ihrem Förderprogramm genau festlegen als Konditionen, um einen Kredit zu erhalten. Genaueres ist noch nicht dazu bekannt.
Doch um die Klimaziele im Gebäudebereich zu erreichen, braucht es eine Kraftanstrengung. Es gibt unterschiedliche Berechnungen, wie viele Gebäude in Deutschland in den nächsten 15 Jahren saniert werden müssen – sie bewegen sich aber alle im Bereich zwischen 15 und 18 Millionen Wohngebäuden.
Bereitschaft zur Sanierung sinkt mit dem Alter
Die YouGov-Umfrage macht da wenig hoffnungsvoll. Mit zunehmendem Alter sinkt die Bereitschaft demnach, eine energetische Sanierungsmaßnahme anzugehen. Unter jungen Immobilienbesitzenden zwischen 18 und 34 Jahren schließt nur ein Viertel eine solche Investition in nächster Zeit aus. In der Altersspanne zwischen 35 und 45 Jahren steigt die Zahl der Eigentümer und Eigentümerinnen mit ablehnender Haltung auf 47 Prozent. Unter denen ab 55 Jahren schließen 63 Prozent eine energetische Sanierung aus.
Leben Kinder bis 18 Jahre im Haushalt, ist die Aufgeschlossenheit höher ausgeprägt: 65 Prozent dieser Gruppe planen eine energetische Sanierungsmaßnahme. Bei Eigentümern oder Eigentümerinnen ohne Kinder sind es nur 37 Prozent. Unterschiede gibt es auch bei den Geschlechtern: Männer wollen häufiger Sanierungen angehen (50 Prozent) als Frauen mit Eigentum (38 Prozent).
Mit Material von Reuters