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BIP im Osten niedrig

Wahl-Beben in Sachsen und Thüringen: Liegt es an der Wirtschaft?

Mario Voigt (CDU, M), Vorsitzender der CDU in Thüringen und Spitzenkandidat, steht in einem Fernsehstudio bei der Runde der Spitzenkandidaten neben Björn Höcke (AfD), Partei- und Fraktionsvorsitzender der AfD in Thüringen und Spitzenkandidat, und Katja Wolf, Spitzenkandidatin des Bündnis Sahra Wagenknecht (BSW) in Thüringen.
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Bei den Wahlen in Sachsen und Thüringen war die Wirtschaft mitunter entscheidend für die Stimmvergabe.In welchen Bereichen ist das wirtschaftliche Potenzial groß – und wo hakt es?

Bei den Wahlen in Sachsen und Thüringen war die Wirtschaft mitunter entscheidend für die Stimmvergabe. In welchen Bereichen ist das wirtschaftliche Potenzial groß – und wo hakt es?

Thüringen/Sachsen – Die Landtagswahlen in Thüringen und Sachsen glichen einem politischen Erdbeben. In Thüringen ist die AfD erstmals stärkste Kraft geworden, in Sachsen lag die AfD nur knapp hinter dem Wahlsieger CDU. Bei beiden Landtagswahlen war unter anderem das Thema wirtschaftliche Entwicklung entscheidend.

Laut Infratest dimap spielte die wirtschaftliche Entwicklung für 16 Prozent der Wählerinnen und Wähler die größte Rolle bei der Wahl in Sachsen. Bei der Landtagswahl in Thüringen war die wirtschaftliche Entwicklung für 13 Prozent bestimmend für die Wahlentscheidung. Was sind die Knackpunkte der ostdeutschen Wirtschaft?

Wirtschaft spielte bei Wahlen in Thüringen und Sachsen große Rolle – wo stehen beide Bundesländer?

Zunächst einmal ist klarzustellen, dass Thüringen und Sachsen entgegen des oft vermittelten Bildes vom einheitlichen „Osten“ unterschiedliche wirtschaftliche Stärken entwickelt haben. Das Bruttoinlandsprodukt von Sachsen ist laut Auswertungen vom Manager Magazin in den vergangenen Jahren fast durchgängig angestiegen, zumindest nominell. Seit dem Jahr 2000 hat die Wirtschaft in Sachsen um über 30 Prozent zugelegt, heißt es auf standort-sachsen.de – mit einem BIP-Wert von 156 Milliarden Euro im Jahr 2023 führt Sachsen den Osten an. Das Thüringer Bruttoinlandsprodukt lag zuletzt bei 75,9 Milliarden Euro.

Beim Bruttoinlandsprodukt pro Kopf schneiden alle ostdeutschen Bundesländer jedoch schlecht ab. Thüringen bildet laut dem Manager Magazin mit 35.715 Euro je Einwohner sogar das Schlusslicht, in Sachsen liegt der Wert bei 38.143 Euro. Der gesamte Osten liegt deutlich unter dem Bundesdurchschnitt beim BIP pro Kopf, denn der liegt bei 48.750. Die Gründe für das niedrige Bruttoinlandsprodukt je Einwohner und für die geringe Wirtschaftskraft sind offenbar vielseitig.

Wirtschaft Grund für Wahlausgang in Sachsen und Thüringen? Geringes BIP pro Kopf

Trotz wirtschaftlicher Erfolge gilt die Regionalentwicklung in Ostdeutschland als strukturschwach. Während die Attraktivität der Städte im Osten als Wirtschaftsstandort steigt, gibt es in ländlichen Regionen kaum Industrie, schreibt der Tagesspiegel.

Der Thüringer Wirtschaftsminister räumte zudem „spezifische Herausforderungen“ ein. Thüringen werde beim Wirtschaftswachstum durch seine kleinteilige Wirtschaftsstruktur, aber auch durch die demografische Entwicklung gebremst. Bei der Wettbewerbsfähigkeit dagegen habe sich Thüringens Wirtschaft überdurchschnittlich entwickelt, so der Minister gegenüber der Thüringer Allgemeine.

Auch der Vergleich zu anderen Bundesländern zeigt, dass die Wirtschaft in Ostdeutschland zwar aufholt, aber noch hinterherhinkt. So lag das BIP pro Kopf laut dem Manager Magazin in Hamburg im Jahr 2023 bei 79.176 und in Bayern bei 57.343 Euro.

Sachsen und Thüringen haben unterschiedliche wirtschaftliche Potenziale

Zudem haben Sachsen und Thüringen jeweils unterschiedliche wirtschaftliche Schwerpunkte. So haben sich laut dem Tagesspiegel mehr als 100 Unternehmen und Einrichtungen im Bereich der optischen Technologien in der Region Jena angesiedelt. Hochleistungsdiodenlaser, Laser Scanning Mikroskope oder asphärische Linsen für spezielle optische Filter sind Beispiele für anspruchsvolle Technologien.

In Sachsen gehört die Autoindustrie zum wichtigsten Wirtschaftszweig. Das „Autoland Sachsen“ gehört mit sechs Fahrzeug-, Motoren- und Batteriewerken von Volkswagen, BMW, Mercedes-Benz und Porsche zu den Top 5 der deutschen Automobil-Standorte. Aufgrund der Verkehrswende und der schleppenden Nachfrage bei E-Autos befindet sich diese Schlüsselbranche aber aktuell in der Krise.

Demografische Entwicklung in Ostdeutschland ein Problem – Thüringen härter betroffen als Sachsen

Ein großes Problem, was sich Thüringen und Sachsen teilen, ist die demografische Entwicklung. „Der demografische Wandel schreitet in den ostdeutschen Flächenländern schneller und deutlich stärker voran als im Westen Deutschlands“, sagte Andrea Nahles, Vorstandsvorsitzende der Bundesagentur für Arbeit, jüngst. Wesentlicher Grund sei die große Abwanderungswelle junger Menschen nach der Wiedervereinigung. Somit sei die verbliebene Bevölkerung in Ostdeutschland überdurchschnittlich alt. 

Die Bevölkerungen von Thüringen und Sachsen schrumpfen beide, doch Thüringen ist stärker betroffen. Seit 1990 hat Thüringen laut demografie-portal.de fast 500.000 Einwohner verloren. Der Rückgang um 19 Prozent ist die bundesweit zweitstärkste Schrumpfung nach Sachsen-Anhalt. In Sachsen lässt sich seit Jahrzehnten ein umfangreicher Bevölkerungsrückgang verzeichnen. Die bisher höchste Einwohnerzahl hatte Sachsen im Jahr 1950 mit etwa 5.680.000 Menschen. Seither ist die Bevölkerungsentwicklung ständig rückläufig. 

Probleme der Wirtschaft in Sachsen und Thüringen: Fachkräftemangel und geringes Unternehmertum

Das Institut für Wirtschaftsforschung Halle berichtet laut der Tagesschau von geringem Unternehmertum. Die „Volkswirtschaftliche Gesamtrechnung der Länder“ zeigt, dass auch der wirtschaftliche Erfolg der Unternehmen unterschiedlich ist. Demnach erwirtschaften Erwerbstätige in Sachsen pro Stunde Werte von 55 Euro, in Thüringen 54 Euro, während es in Rheinland-Pfalz 64 Euro sind.

In Ostdeutschland wird zudem der Fachkräftemangel immer schlimmer. Viele Branchen in Deutschland leiden bereits jetzt unter dem Mangel an Fachkräften – doch in Zukunft wird das für Betriebe in Sachsen, Sachsen-Anhalt und Thüringen besonders dramatisch, wie aus Berechnungen des Bundesarbeitsministeriums hervorgeht. In den fünf Arbeitsmarktregionen Chemnitz, Dresden, Erfurt, Halle/Leipzig und Magdeburg werden bis 2040 insgesamt 670.000 Erwerbstätige wegfallen, berichtet der MDR. 

Wirtschaft in Sachsen und Thüringen – Aufschwung in Ostdeutschland nach den Wahlen?

Wie sieht es künftig aus für die Wirtschaft in Sachsen und Thüringen? In ihrer jüngsten Konjunkturanalyse für Ostdeutschland und Sachsen geht das Leibniz-Institut für Wirtschaftsforschung an der Universität München von einem stärkeren Wirtschaftswachstum als in Gesamtdeutschland im Jahr 2024 aus. Die Leistung der ostdeutschen Wirtschaft dürfe im Jahre 2024 um 1,1 Prozent steigen, deutlich mehr als in Deutschland insgesamt (0,4 Prozent), lautet die Prognose.

In Sachsen dürfe das Wachstum mit 0,4 Prozent so stark ausfallen wie in Gesamtdeutschland, aber geringer sein als der Durchschnitt der ostdeutschen Länder, heißt es in dem Ifo Bericht vom 3. Juli 2024. „Vor allem bei den konsumnahen Dienstleistern sehen wir in Ostdeutschland ein starkes Wachstum; zugleich ist die Industrie hier weniger stark von Produktionseinschränkungen betroffen“, sagt Joachim Ragnitz von der Dresdner Niederlassung des ifo Instituts. 

Einfluss der Wahlen auf Wirtschaft in Sachsen und Thüringen

Experten raten zugleich von zu voreiligen Schlüssen ab. Oliver Holtemöller, Professor für Volkswirtschaftslehre an der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg, sagt gegenüber dem Tagesspiegel: „Die Faktoren, die dazu führen, dass es aktuell in Ostdeutschland konjunkturell etwas besser läuft, lassen sich nicht eins zu eins in die Zukunft fortschreiben, da es zum Teil Einmaleffekte sind“.

Was für einen Einfluss die Wahlergebnisse auf die Wirtschaft haben werden, wird sich zeigen. Doch viele Wirtschaftsvertreter äußerten bereits ihre Bedenken. Einige Unternehmen rechneten sogar schon vor den Wahlen damit, dass sie im Falle eines AfD-Sieges ihren Standort verlassen müssen. (bohy)

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