Bricht die Koalition?
Gegen das 40-Milliarden-Loch: Wie die Ampel beim Haushalt 2025 tricksen könnte
Die Ampel-Koalition droht im Streit um den Haushalt 2025 und die Schuldenbremse zu zerbrechen. Doch es gibt auch andere Möglichkeiten, das Haushaltsloch zu stopfen.
Berlin – Die Ampel-Koalition hat sich bisher noch auf keinen Entwurf für den Haushalt 2025 einigen können. Bei der Finanzplanung für das kommende Jahr offenbaren sich die Meinungsverschiedenheiten zwischen der Sparpolitik von Christian Lindners FDP, die auf der Schuldenbremse beharrt, und den investitionsfreudigen Grünen und Sozialdemokraten. Trotzdem soll das Kabinett am 3. Juli den Haushalt beschließen. Scheitern die Haushaltsgespräche, droht auch der Koalitionsbruch.
Die Ausgangslage ist schwierig: Bundesfinanzminister Christian Lindner plant offenbar mit 447 Milliarden Euro. Das ist die Summe der Budgets, die er den Ministerien vorgegeben hat. Seine Kollegen haben jedoch 28 Milliarden Euro mehr gefordert. Hinzu kommen laut Zeit weitere Ausgaben für den Umgang mit den Folgen der Ahrtal-Flut in Höhe von 13 Milliarden Euro. Die Einnahmen liegen dagegen bei knapp 424 Milliarden Euro.
Ampel-Koalition muss 40-Milliarden-Lücke im Haushalt 2025 schließen
Die Ampel muss eine Haushaltslücke von bis zu 40 Milliarden Euro stopfen, berichtete die Zeit. Anderen Schätzungen zufolge fehlen dagegen noch 25 Milliarden Euro. Grüne und SPD wollen die Schuldenbremse reformieren, um die Lücke dadurch zu finanzieren, Christian Lindner lehnt das jedoch ab – genau wie höhere Steuern. Einsparungen sind damit nötig.
So viel Potenzial gibt es dabei jedoch nicht. Laut Bundesrechnungshof beträgt der flexible Anteil des Haushalts, der nicht fest durch Ausgaben für Personal, Tilgung der Zinsen und Sozialgesetze gebunden ist, zehn Prozent, also etwa 45 Milliarden Euro. Die Ampel-Regierung hat jedoch weitere Optionen, wie sie die Lücke mit Haushalt schließen kann.
Ampel-Koalition hat bei der Schuldenbremse Spielraum, das Haushaltsloch zu schließen
Diese bieten sich auch im Rahmen der Schuldenbremse. Lindner könnte dabei etwa einen Nachtragshaushalt einsetzen. Dabei ist die Berechnung der erlaubten Verschuldung anders als bei der regulären Haushaltsaufstellung. Dadurch ergibt sich laut Handelsblatt ein zusätzlicher Spielraum von elf Milliarden Euro. Diese Summe würde zwar auch noch für 2024 benötigt, da Ausgaben unerwartet gestiegen seien, ein Teil des Geldes könnte jedoch auch 2025 eingesetzt werden.
Eine weitere Option zum Sparen ist die Erklärung einer haushaltspolitischen Notlage für den Umgang mit den Folgen des Ukraine-Kriegs. In diesem Fall würden die Ausgaben bei der Schuldenbremse nicht berücksichtigt. Dabei könnte eine Summe von 15 bis 30 Milliarden Euro zusammenkommen, erklärte die Zeit. Es ist jedoch fraglich, ob dieser Schritt verfassungskonform ist. Die Opposition könnte – wie im vergangenen Jahr – vor das Bundesverfassungsgericht ziehen.
Eine weitere Möglichkeit, die Schuldenbremse zu umgehen, ist laut Zeit die Gründung einer Investitionsgesellschaft, beispielsweise zur Finanzierung der Infrastruktur. Da bei der Schuldenbremse lediglich die Kreditaufnahme des Staates reguliert werde, aber nicht die von staatsnahen Gesellschaften, blieben auch diese Kredite unberücksichtigt. Das Bundesverkehrsministerium habe das Modell bereits durchgerechnet. Der Thinktank „Dezernat Zukunft“ schätzt den mobilisierbaren Betrag dadurch auf knapp 20 Milliarden Euro.
Schwache Wirtschaftsleistung erlaubt der Ampel die Aufnahme größerer Kredite
Eine Rolle beim Thema Schuldenbremse spielt jedoch auch die schwache Konjunktur. Die sogenannte Konjunkturkomponente bestimmt, wie viel Geld sich der Bund leihen darf. Wenn die Wirtschaft nicht ausgelastet ist, sind höhere Kredite möglich. Da sich die Wirtschaft schlechter entwickelt hat, als bei der Etataufstellung prognostiziert, dürfte die legale Neuverschuldung um 20 Milliarden Euro höher sein, schätzte das „Dezernat Zukunft“ laut Zeit.
Dieser Effekt könnte jedoch von den konjunkturbedingten niedrigeren Steuereinnahmen abgeschwächt werden. Laut der letzten Steuerschätzung im Mai nimmt der Bund 2025 etwa elf Milliarden Euro weniger ein, als es im vergangenen Jahr angenommen wurde.
Aussichten im Haushalt könnten sich für Ampel durch niedrigere Refinanzierungskosten von Krediten bessern
Außerhalb der Schuldenbremse gibt es auch Möglichkeiten, den Haushaltsspielraum zu erweitern, auch bei der Tilgung der Kredite. Das Finanzministerium kalkuliere die Zinsen häufig vorsichtig, erklärte das Handelsblatt. 2023 seien diese 37,6 Milliarden Euro niedriger gewesen als ursprünglich geplant. 2025 rechnet das Ministerium mit 36,9 Milliarden Euro. Da die EZB die Zinsen leicht gesenkt hat, könnte die Ampel aufgrund von niedrigeren Refinanzierungskosten rund zwei Milliarden Euro sparen.
Rund zehn Milliarden Euro für die Schließung des Haushaltslochs könnte das Finanzministerium nach Einschätzung des „Dezernat Zukunft“ rausholen, wenn es die Verbuchung der Abschläge für Schulden bei der Rückzahlung von Staatsanleihen ändert. Inzwischen müsse der Bund diese unter dem eigentlichen Nennwert herausgeben, diesen aber in voller Höhe zurückzahlen, berichtete die Zeit. Bei 100 Euro würde er also 95 erhalten, aber den vollen Betrag zurückzahlen.
Bisher wird der gesamte Betrag im Jahr der Ausgabe der Anleihe abgerechnet. International ist es dagegen üblich, die Summe über die gesamte Laufzeit aufzuteilen. Dadurch gebe es besagtes Einsparpotenzial. Das hat auch das Finanzministerium erkannt, rechnet laut Zeit jedoch lediglich von einem geringeren Einsparpotenzial von drei bis vier Milliarden Euro.
Corona-Wiederaufbaufonds bietet Millarden Euro zum Stopfen der Haushaltslücke der Ampel-Koalition
Auch die EU ist eine Option. Zum einen könnten von Deutschland an die Staatengemeinschaft gezahlte Gelder zurückgehen, berichtete das Handelsblatt. Zudem hat Deutschland lediglich sechs der 28 Milliarden Euro aus dem Corona-Wiederaufbaufonds abgerufen. Bis Ende 2026 muss das erfolgen. Für 2024 rechnet das Finanzministerium laut der Zeitung mit Einnahmen von 14,2 Milliarden Euro. Es sei jedoch unklar, ob das Geld abgerufen wird.
Christian Lindner und die FDP setzen im Haushaltsstreit dagegen auf Kürzungen. Die Bundesregierung will dabei auch Ausgaben beim Bürgergeld und den Jocenter in Höhe von 2,6 Milliarden Euro kürzen. Das geht aus einem Schreiben der Landesarbeitsgemeinschaft Arbeit (LAG) vor, das IPPEN.MEDIA vorliegt.
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