Familienpolitik
Kindergrundsicherung: Experten kritisieren „fundamentale Probleme“ – und schlagen Neuanfang vor
Das umstrittene Gesetz zur Kindergrundsicherung soll 2024 kommen. Einem Beirat des Finanzministeriums zufolge gebe es aber so fundamentale Probleme, dass eine Neugestaltung vonnöten wäre.
Berlin – Der Streit um die Kindergrundsicherung, die ab 2025 das Kindergeld ablösen soll, geht weiter. Während auf der einen Seite der Zeitplan als zu ambitioniert kritisiert wird, moniert nun ein wissenschaftliches Gutachten aus dem Finanzministerium „fundamentale Probleme“ mit dem Gesetzesentwurf. Darüber berichtete zuerst die FAZ.
Das Gutachten wurde vom wissenschaftlichen Beirat des Finanzministeriums erstellt. Dieses besteht aus 31 Wissenschaftlern und Wissenschaftlerinnen, die die Aufgabe haben, den Bundesminister der Finanzen – aktuell also Christian Lindner (FDP) – zu beraten.
Bürgergeld und Kindergrundsicherung: Experten fordern Vereinheitlichung der Grundsicherung
Kern der Kritik aus dem Beirat besteht darin, dass die drei großen sozialpolitischen Reformen Wohngeld, Bürgergeld und Kindergrundsicherung nicht aufeinander abgestimmt sind. Der Beirat fordert daher eine „Vereinheitlichung des Grundsicherungssystems“ zitiert die FAZ das Gutachten. Das aktuelle System behandele Haushalte mit ähnlichen Voraussetzungen, aber mit unterschiedlichem Wohnort ungleich, kritisieren die Forschenden. Eine Familie in Leipzig würde demnach mehr Geld aus den drei Systemen erhalten, als eine vergleichbare Familie mit gleichem Einkommen in München.
Das Bürgergeld wurde 2023 eingeführt und hat das bisherige Hatz-IV-System abgelöst. Anspruch auf Bürgergeld haben nicht nur Arbeitslose, sondern auch Geringverdiener und Erwerbsgeminderte. Das Wohngeld richtet sich ebenfalls an Geringverdiener und wurde mit der Energiekrise angepasst, sodass mehr Menschen als zuvor auf diese Unterstützung zurückgreifen können. Mit dem Wohngeld gibt es einen Zuschuss zu den Wohnkosten, insbesondere für die Heizkosten mit einem Heizkostenzuschuss. Beantragt wird Wohngeld bei der jeweiligen Kommune. Wer Bürgergeld erhält, hat keinen Anspruch auf Wohngeld.
Daneben soll nun noch die Kindergrundsicherung eingeführt werden. Diese soll das bisherige Kindergeld ersetzen – aber auch viele weitere Leistungen zusammenfassen, wie etwa den Kinderzuschlag für Geringverdiener. Kinderzuschläge erhalten bisher nur Familien, die keinen Anspruch auf Bürgergeld haben. Wer Wohngeld bezieht, kann aber auch einen Kinderzuschlag bekommen. Die neue Kindergrundsicherung soll all das eigentlich vereinfachen: So soll der Staat künftig automatisch ermitteln, ob eine Familie Anspruch auf Zusatzleistungen wie den Kinderzuschlag hat. Bisher mussten das die Familien eigenständig ermitteln.
Klare Zuständigkeiten für Kinder, Erwachsene und Unterkunft
Es existieren also im Grunde zwei Systeme nebeneinander: einmal das Wohngeld und der Kinderzuschlag, daneben das Bürgergeld. Genau das kritisieren die Experten im wissenschaftlichen Beirat jetzt: Es sei zu kompliziert, ungerecht und intransparent. Intransparent, weil in den verschiedenen Systemen unterschiedliche Hinzuverdienstgrenzen enthalten sind – und Arbeitsanreize damit untergraben würden.
Neben einer grundsätzlichen Vereinheitlichung der Systeme sehen die Gutachter der FAZ zufolge generell Änderungsbedarf am Gesetz zur Kindergrundsicherung. So fordern sie: „Die Kindergrundsicherung sollte ausschließlich den alltäglichen Bedarf Minderjähriger abdecken und daher, anders als von der Bundesregierung geplant, keine speziellen Wohnkostenzuschüsse wie in der angedachten Kinderwohnkostenpauschale enthalten“. Das Bürgergeld solle nur noch für Erwachsene gelten, und keine Wohnkosten abdecken. Stattdessen sollen die generell aus dem Wohngeld kommen, unabhängig davon, ob sie Bürgergeld beziehen oder nicht.
Nach den Vorschlägen des Beirats würde es damit also klare Zuständigkeiten für die drei Systeme geben: Bürgergeld nur für erwerbslose und bedürftige Erwachsene; Kindergrundsicherung für Kinder und Jugendliche; Wohngeld für die Unterkunftskosten.
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