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„Begrenzte Wirkung“

„Kein Allheilmittel“: Studie offenbart Missverständnis der Bürgergeld-Politik

Mit Sanktionen sollen Menschen aus dem Bürgergeld möglichst schnell in Jobs gebracht werden. Eine Studie offenbart nun, dass das häufig nicht gelingt.

Nürnberg – Mit dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts 2019 und der Einführung des Bürgergelds 2023 sind Kürzungen immer seltener geworden. Zudem fallen sie geringer aus. Doch die steigende Zahl der Erwerbslosen sowie hohe Kosten und der Sparzwang im Bund führen dazu, dass das Bürgergeld in der Kritik steht. Es ähnele einem „bedingungslosen Grundeinkommen“, kritisiert etwa die Union immer wieder. Der Anreiz zur Arbeit sei seit dem Bürgergeld geringer.

Bürgergeld-Beziehende sollen durch harte Sanktionen möglichst schnell Arbeit annehmen

Bundesarbeitsminister Hubertus Heil (SPD) und die Ampel-Koalition haben als Reaktion Sanktionen verschärft – um eben jenen Arbeitsanreiz zu vergrößern. Damit ist seit März 2024 wieder eine volle Streichung des Bürgergelds möglich, zum Januar sollten härtere Sanktionen für kleinere Regelverstöße wie verpasste Termine im Jobcenter folgen. Eine neue Studie des Instituts für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB) wirft jedoch Zweifel auf, ob das – bei den Sanktionierten – tatsächlich die erhoffte Wirkung hat.

Die Fachleute der Forschungseinrichtung der Bundesagentur für Arbeit haben analysiert, wie sich der Leistungsbezug und die Aufnahme von Arbeit nach einer Kürzung des Regelsatzes entwickelt haben. Untersucht wurden Verstöße in der ersten Hälfte des Jahres 2018. Der Untersuchungszeitraum der Analyse liegt damit vor Einführung des Bürgergelds und vor dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts aus dem November 2019. Die Jobcenter verhängten damals deutlich mehr Sanktionen.

Bürgergeld-Sanktionen „kein Allheilmittel, um Beschäftigungsaufnahmen sicherzustellen“

Die IAB-Forschenden stellten fest: Zwölf Monate nach dem sanktionierten Ereignis sind noch 73 Prozent der Betroffenen erwerbslos. Lediglich 27 Prozent gehen damit einer Arbeit nach, wovon wiederum nur zwölf Prozent keine Leistungen – damals Hartz IV, heute Bürgergeld – mehr beziehen. Damit sind also auch Aufstockende enthalten, deren Gehalt nicht ausreicht, um davon zu leben. „Der kleinere Teil der Sanktionsereignisse geht mit einer späteren Beschäftigungsaufnahme einher“, erklärte IAB-Forscherin Julia Schmidtke. „Dies ist wenig überraschend, da die Mehrzahl der Sanktionsereignisse Meldeversäumnisse betrifft.“

Bürgergeld-Sanktionen sind laut IAB-Direktor Fitzenberger „kein Allheilmittel“ bei der Vermittlung von Erwerbslosen in Arbeit. (Symbolfoto)

„Eine verstärkte Sanktionierung ist kein Allheilmittel, um Beschäftigungsaufnahmen sicherzustellen“, folgert IAB-Direktor Bernd Fitzenberger aus der Analyse. „Gleichzeitig deuten die hohe Wiederholungsrate von Sanktionsereignissen und die begrenzte Wirkung auf die Beschäftigungsaufnahme darauf hin, dass Sanktionen nicht bei allen das Ziel einer langfristigen Mitwirkung der Betroffenen erreichen.“

Denn: Zwei Drittel der Betroffenen erhalten innerhalb eines Jahres nach dem ersten Verstoß eine weitere Sanktion. Bei 45 Prozent kommt es zu mehreren Sanktionen. Mit Blick auf die Gesamtheit der Leistungsberechtigten erhält nur ein kleiner Bruchteil überhaupt eine Kürzung. 2019 lag der Anteil im Schnitt bei 3,1 Prozent, 2022 bei 0,9 Prozent. Im Jahr der Bürgergeld-Einführung waren es 0,5 Prozent.

Bürgergeld-Kürzungen sorgen nicht für nachhaltige Rückkehr in Arbeit – richtiges Maß entscheidend

Frühere IAB-Ergebnisse hatten gezeigt, dass eine erste Kürzung zwar einen schnelleren Beginn der Arbeit bewirkt habe, der Effekt aber nicht nachhaltig sei. Nach etwa einem Jahr für Männer und zwei Jahren für Frauen sei kein positiver Beschäftigungseffekt mehr nachweisbar. „Arbeit, die unter Zwang angenommen wird, wird nicht gern gemacht und hat damit keine Zukunft“, hatte auch Sozialaktivistin Helena Steinhaus vom Verein Sanktionsfrei zu den von der Ampel geplanten Verschärfungen erklärt.

„Je stärker der Druck, desto wahrscheinlicher wird es aber auch, dass Arbeitssuchende Jobs antreten, die keine lange Perspektive bieten und bald wieder in Arbeitslosigkeit enden“, sagte auch IAB-Arbeitsmarktforscher Enzo Weber IPPEN.MEDIA. „Es kommt bei Sanktionen also nicht auf eine möglichst scharfe Ausgestaltung an, sondern auf das richtige Maß.“ Dennoch erhöhen Sanktionen laut dem Forscher die Jobaufnahmen.

Neben Sanktionen sind Qualifizierung und individuelle Unterstützung entscheidend

Neben der „Verbindlichkeit des Systems“, die durch Bürgergeld-Kürzungen durchgesetzt werden soll, komme es für eine erfolgreiche Vermittlung in Arbeit „auf Qualifizierung, individuelle Unterstützung und Betreuung sowie gute Anreize an“, erklärte Weber.

Rubriklistenbild: © Jens Kalaene/dpa

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