Rentenpaket II kommt
Kritik an Renten-Plänen: Kanzler schimpft über „Akademiker“, die Rentnern nichts gönnen
Im Sommerinterview hat Kanzler Scholz wiederholt: Das Rentenpaket II wird kommen. Die Reform wird jedoch von kaum einem Experten begrüßt.
Berlin – Trotz der Vorbehalte in der FDP-Bundestagsfraktion ist sich Kanzler Olaf Scholz sicher, dass die Ampel-Koalition das im Kabinett verabredete Rentenpaket II auch verabschieden wird. „Es wird beschlossen werden“, sagte der SPD-Politiker am Sonntag (8. September) im ZDF-Sommerinterview auf mehrfache Nachfragen. „Es steht im Koalitionsvertrag. Wir haben es auf den Weg gebracht als Regierung“, betonte Scholz.
Rentenpaket II soll bis November im Bundestag beschlossen werden
Der Kanzler hatte am Samstag in einem Interview mit dem Tagesspiegel gesagt, dass die Ampel-Koalition das Rentenpaket II noch vor der Verabschiedung des Bundeshaushalts 2025 im November im Bundestag beschließen müsse. Die Garantie stabiler Renten sei ein zentrales Versprechen der Ampel-Koalition gewesen. Der SPD-Fraktionsvorsitzende Rolf Mützenich hatte am Freitag FDP-Chef und Finanzminister Christian Lindner persönlich dazu aufgefordert, den Weg für das von ihm selbst im Kabinett mitbeschlossene Rentenpaket endlich freizumachen.
Mit dem in der Regierung bereits verabredeten Rentenpaket II soll zum einen gesetzlich garantiert werden, dass das Rentenniveau in den Jahren bis 2039 nicht unter 48 Prozent eines Durchschnittslohns fällt (sogenannte Haltelinie). Zudem soll mit dem Generationenkapital eine Aktienrente eingeführt werden.
Harsche Kritik am Rentenpaket von allen Seiten: Junge zahlen 3.000 Euro drauf
An dem Rentenpaket gibt es aber auch starke Kritik, insbesondere von Ökonomen und Ökonominnen. Denn um das Vorhaben zu realisieren, müssen Beiträge der arbeitenden Bevölkerung deutlich angehoben werden. So hat eine Studie der marktliberalen Stiftung Marktwirtschaft und des Forschungszentrums Generationenvertrag der Universität Freiburg in der vergangenen Woche ergeben, dass junge Menschen durch das Rentenpaket II bis zu 3.000 Euro mehr in die gesetzliche Rentenversicherung einzahlen, als sie selbst bekommen werden. Ohne das Generationenkapital könnte das Defizit sogar bei weit über 4.000 Euro liegen.
„Alle Verlierer sind entweder jung oder noch nicht da“, sagte Studienautor Professor Bernd Raffelhüschen der Bild. Wer derzeit unter 24 Jahre alt ist, trage die Kosten. Wer aktuell 20 Jahre alt ist, zahle 1.327 Euro drauf, mit zehn Jahren sind es 3.055 Euro. Neugeborene kommen demnach auf 3106 Euro.
Auch der führende Demografie-Experte Professor Axel Börsch-Supan hält die Renten-Pläne der Regierung für problematisch. „Eine Haltelinie einzuführen ist genauso dumm wie im Winter mit Badelatschen rumzulaufen“, sagte er bei einer Pressekonferenz zum demografischen Wandel im Haus der bayerischen Wirtschaft im August. Seit 2002 habe es keine Sozialpolitik gegeben, die das Land fit für den demografischen Wandel gemacht hätte. Stattdessen wurde die Rente mit 63 eingeführt, ebenso die doppelte Haltelinie. Damit habe man der älteren Bevölkerung Geschenke gemacht, zu Lasten der jüngeren Generation.
Rente mit 63 stößt auf Kritik – Scholz verteidigt seine Rentenpolitik
Das Ende der abschlagsfreien Rente nach 45 Jahren wird von vielen kritisiert, weil es dem System in Zeiten des Fachkräftemangels weitere wichtige Arbeitskräfte raubt. Durch die steigende Lebenserwartung müssen diese Renten auch lange ausgezahlt werden, was die Rentenkasse zusätzlich belastet. Studien haben ergeben, dass die meisten Menschen, die in Frührente gehen, gut situiert sind und dem Bildungsbürgertum angehören.
Im Interview mit dem Tagesspiegel dementierte Kanzler Scholz diese Auffassung. „Dagegen wenden sich lauter Akademiker, die frühestens mit 25, 26 Jahren anfangen zu arbeiten und Beiträge zu zahlen und selbst nie auf 45 Beitragsjahre kommen. Sie wollen aber jenen, die viel früher angefangen haben zu arbeiten und viel länger Beiträge zahlen, die Chance nehmen, nach einem langen Arbeitsleben zwei Jahre früher ohne Abschläge in Rente zu gehen. Für mich hat das einen fahlen Beigeschmack!“
Bert Rürup kritisiert Scholz: Kein Experte, der Scholz‘ Renten-Politik gut findet
Dass die Pläne seiner Regierung jungen Menschen zur Belastung falle, sei nach Scholz‘ Ansicht „die Auffassung einer ausschließlich Establishment-orientierten Expertenlandschaft, die ihre Schäfchen im Trockenen hat.“
Dagegen positioniert sich der Rentenexperte und ehemalige Vorsitzende der „Wirtschaftsweisen“, Bert Rürup. „Dass der Kanzler Olaf Scholz nun Ökonomen, die nicht seiner aktuellen Ansicht sind, rüde kritisiert, ist in meinen Augen ein Zeichen von argumentativer Schwäche“, sagte Rürup dem Tagesspiegel. „Mir ist kein Experte bekannt, der Scholz’ Rentenpolitik für eine gute und richtige Idee hält. Wenn es diese Experten gibt, sollte der Kanzler sie nennen.“