Generationenkapital
Droht der gesetzlichen Rente der Crash? Fachmann alarmiert: „Die junge Generation bezahlt dann für die ältere Generation“
Das Rentenpaket II stößt selbst innerhalb der Ampel-Koalition auf Widerstand. Ein Fachmann erläutert, wo das deutsche Rentensystem Schwächen aufweist und welche Pluspunkte eine Aktienrente bieten würde.
Berlin – Das deutsche Rentensystem gerät zunehmend unter Druck – immer mehr Rentner kommen auf immer weniger Beitragszahlende. Bei Experten und Politikern herrschen unterschiedliche Vorstellungen darüber, wie die Rente zukunftsfest gemacht werden kann – auch innerhalb der Ampel-Parteien.
Rentenpaket II: „Die junge Generation bezahlt dann für die ältere Generation“
Die SPD will ein stabiles Rentenniveau mit höheren Beitragssätzen, die FDP setzt dagegen auf eine Aktienrente. Diese wurde im Rentenpaket II auf das sogenannte Generationenkapital herunter gestutzt. Reicht das, um die gesetzliche Rente fit für die Zukunft zu machen? Und gibt es noch andere Hebel, um fürs Alter vorzusorgen? IPPEN.MEDIA hat mit dem Rechtsanwalt Robert Peres, Mitbegründer der Initiative Minderheitsaktionäre und Unterstützer einer Aktienrente, gesprochen.
Herr Peres, die Ampelregierung will mit dem Rentenpaket II die Rente zukunftsfest machen. Wie bewerten Sie denn die geplante Reform und das Generationenkapital?
Robert Peres: Im Rentenpaket II werden zwei Dinge erneuert. Das eine ist die Stabilisierung des Rentenniveaus bei 48 Prozent, gleichzeitig wurde das Generationenkapital festgelegt. Dabei war das vorher ja anders geplant. Da war noch die Rede von einer Aktienrente und individuellen Konten für die Beitragszahler, die ihnen eine gemanagte Möglichkeit geben, innerhalb der gesetzlichen Rente anzulegen. Das war für die FDP aber mit den Koalitionspartnern nicht durchführbar und letztendlich ist man dann auf das Generationenkapital gekommen. Im Grunde ist das wie ein Staatsfonds, der im Hintergrund Rendite erzeugen und dann die Rentenkasse oder den Steuerzahler entlasten soll. Das kann aber erst 2035 überhaupt funktionieren, weil mit einem vergleichsweise kleinen Kapitalstock begonnen wird. Aus diesen Gewinnen kann man dann die Zuschüsse an die Rentenkasse abmildern. Das ist eigentlich nur eine Dämpfungsmaßnahme.
Wie würden Sie sich denn eine funktionierende Aktienrente in Deutschland vorstellen?
Ich halte eine Aktienrente nach schwedischem Vorbild für sinnvoll. In Schweden landen bei der staatlichen Rente 16 Prozent des Einkommens in einem Umlageverfahren(Anmerkung der Redaktion: Beim Umlageverfahren in der Rente zahlen die Beitragszahler die aktuellen Renten der Ruheständler, dieses System hat auch Deutschland), weitere 2,5 Prozent fließen in die sogenannte „Prämienrente“ – das heißt, das Geld wird in Aktienfonds angelegt. Das Beispiel zeigt auch: Die Aktienrente ist nur ein Element der staatlichen Rente, das dafür sorgt, dass man auch die Wachstumsaussichten in den globalen Aktienmärkten einfach mitnehmen kann. Daneben gibt es natürlich noch das Umlageverfahren, das kann man nicht abschaffen und das will auch keiner. Aber jetzt ist es eben so, dass die Tasche durch die demografische Situation immer kleiner wird.
Als das jetzige deutsche Rentensystem eingeführt wurde, war es so, dass es ungefähr sechs Arbeitnehmer gab, die einen Rentner versorgt haben. Aber wir bewegen uns durch die demografische Entwicklung schon ungefähr auf das Verhältnis zwei zu eins zu, die Grundidee ist also so nicht mehr durchführbar. Das hätte man schon Jahrzehnte früher wissen und umstellen können, aber in Deutschland ist der Kapitalmarkt nicht sehr gut angesehen und in der deutschen Politik auch nicht. Da hat man jetzt viel Zeit verloren.
Das Rentensystem in Schweden
In Schweden gibt es kein festes Renteneintrittsalter – jeder kann selbst entscheiden, wann er in Rente geht. Frühestens ist das ab 63 Jahren möglich. Für die meisten wird die Rente umso höher, je mehr sie verdienen und je später sie in Rente gehen. Alle zahlen in die Rente ein – auch Beamte und Selbstständige.
Der größte Unterschied zwischen dem deutschen und schwedischen System ist aber, dass deutlich mehr auf Kapitalanlagen gesetzt wird. Der Rentenbeitrag liegt in Schweden bei 18,5 Prozent – doch gehen nur 16 Prozent in die Umlagen. 2,5 gehen bei allen in die sogenannte Prämienrente. Das sind meistens Investmentfonds, die aus einer Auswahl von etwa 800 Fonds gewählt werden können. Das System in Schweden gilt als sehr erfolgreich.
Was bedeutet das für die Zukunft?
Ich frage mich auch, wie das in Zukunft laufen soll. Meiner Meinung nach fehlt die Option der Aktienrente. Denn langfristig gesehen werden vor allem die jungen Leute durch das aktuelle Versprechen dieser Haltelinien wie dem Rentenniveau darunter leiden. Die Beitragssätze werden hochgehen, von 18,6 Prozent auf 21, 22 Prozent vielleicht sogar noch höher. Die junge Generation bezahlt dann für die ältere Generation. Das ist kein Vorwurf an die ältere Generation, ich gehöre auch dazu, aber das ist natürlich keine Rentengerechtigkeit. Wer jetzt jung oder mittleren Alters ist, der muss sich bei der Vorsorge verstärkt auf private Aktivitäten verlegen müssen.
Sie klingen eher pessimistisch. Steuert die Altersvorsorge so auf einen Crash zu?
Bei der gesetzlichen Rente, wie sie jetzt demografisch dasteht, ist das keine Aussage, die gewagt ist. Die Menschen, die selbst für ihr Alter vorsorgen können, sind natürlich außen vor. Aber wir haben ja schon seit langer Zeit eine starke Stützung der Rentenkasse durch den Steuerzahler. Und diese Summe wird ja immer höher. Dass das natürlich irgendwann nicht mehr funktioniert, ist klar. Wenn das so weitergeht, dann ist 2050 60 Prozent des Steueraufkommens für die Rente und das würde ich schon als Crash bezeichnen.
Reicht jetzt überhaupt noch die Zeit, wenn man nun eine Aktienrente einführt?
Das jetzt geplante Generationenkapital macht ja nichts kaputt, das baut sich aus und läuft im Hintergrund, und wird dann irgendwann mal was abwerfen für die Rentenkasse. Aber das ist keine endgültige Lösung.
Was könnte man denn noch tun?
Ein weiterer Hebel wäre jetzt, die private Vorsorge zu stärken, damit ein Ausgleich für die späteren Renten geschaffen werden kann, wie beispielsweise über Aktienfonds. Auch hier gibt es Pläne der Ampel-Regierung, das zu verbessern, denn die private Altersvorsorge krankt ja in Deutschland an mehreren Problemen. Beispielsweise kann man Verluste nicht adäquat absetzen und die Steuersätze sind sehr hoch für den Aktienerwerb. Kurzum: Die steuerliche Betrachtung ist schlecht, der Rechtsschutz für Aktionäre ist schlecht. Für einen Anleger ist das eine Katastrophe. Es ist in Deutschland sehr schwer, privat überhaupt anzulegen und deswegen ist die Aktienbesitzquote sehr niedrig. Ich glaube, die reine Aktienquote liegt in Deutschland immer noch bei sieben bis acht Prozent und dann gibt es noch diejenigen, die in Fonds etc. anlegen, das bewegt sich um 18 Prozent. Der Vergleich mit anderen Ländern zeigt, dass wir in Deutschland keine gescheite Aktienkultur haben.
Was könnte man denn anders machen, damit eine Aktienkultur in Deutschland befördert werden kann, vor allem was die Altersvorsorge angeht?
Dazu kann man sich die USA als Beispiel nehmen. Dort gibt es das Modell 401k, eine Art Kombination aus Betriebsrente und privater Altersvorsorge. Dabei handelt es sich um einen individuellen Sparplan, in den Arbeitnehmer einen Teil ihres Einkommens freiwillig einzahlen können. Hierbei kann sich der Arbeitnehmer entscheiden, in welche Art Fonds er einzahlen will und profitiert dabei wegen der Steuerfreiheit vom Zinseszins-Effekt. Auch der Arbeitgeber kann einen Teil einzahlen, muss aber nicht. Die Auszahlung im Alter erfolgt dann flexibel und wird nachgelagert besteuert. Das Angebot ist bei den Amerikanern sehr beliebt, Millionen nutzen es und stellen sicher, dass bei ihrer Anlage alles gut läuft. Deshalb sind die Amerikaner da auch viel cleverer als die Deutschen.
Wenn man sich nun fragt, wie kann ich die Aktienkultur in Deutschland befördern, dann ist natürlich ein ähnliches System auch bei uns förderlich. Ich denke da an ein Angebot wie ein Altersvorsorge-Depot außerhalb der gesetzlichen Rente, das aber steuerlich gefördert ist. Dann würden sich die Menschen wesentlich mehr mit Aktien beschäftigen.
401k: Eine private Rentenvorsorge der USA
In den USA ŕeicht vielen Amerikanern die staatliche Rente nicht für die Einhaltung ihres Lebensstandards, stattdessen wird mehr auf private Vorsorge gesetzt. Dafür gibt es unter anderem das 401k-Modell, das Betriebsrente und private Altersvorsorge in Form eines individuellen Sparplans kombiniert. Arbeitnehmer können dabei einen Teil ihres Bruttogehalts steuerfrei in verschiedene Anlagen wie etwa Fonds, Anleihen oder Aktien investieren. Arbeitgeber können auch einen bestimmten Betrag beisteuern. Im Rentenalter können die Anleger wieder Beträge entnehmen, die dann je nach Jahreseinkommen versteuert werden – meist zu einem günstigeren Niveau als während der Erwerbstätigkeit.
Was sagen Sie zu dem Vorwurf, dass eine Anlage am Aktienmarkt unsicher ist und man im schlimmsten Fall seine Rente „verzockt“?
Wer den Aktienmarkt kennt, weiß, dass es langfristig keine bessere Rendite gibt – also über mindestens 20, 30 Jahre. Die Argumentation des Verzockens ist meines Erachtens unlauter, weil es den Leuten Angst macht vor dem Aktienmarkt. Das ist nicht fair. Diejenigen, die diese Argumente vorbringen, ziehen ja auch politisch gewisse Vorteile heraus, wie ich finde. Also wenn ich die SPD zum Beispiel nehme, die diese Vorgänge meines Erachtens immer behindert, dann sehe ich darin ein politisches Kalkül, dass man sagt: „Keine Angst, der Staat sorgt doch für euch.“ Und das andere ist eigentlich böse und sollte man nicht machen. Es ist aber gefährlich, wenn man innerhalb der staatlichen Systeme bleibt. Das führt dann dazu, dass Wachstum und Gewinn an den Leuten vorbeigeht und sie dann letztendlich vom Staat abhängig werden.
Die gesetzliche Rente ist schon ziemlich verfahren und dieses Generationenkapital ist nur eine Kostenminderung, nichts anderes. Die eigentliche Rettung ist jetzt die Frage: Wie kann ich privat vorsorgen und wird das gefördert?
.
