Auch Jobs in Gefahr
IG BAU verlangt Lockerung der Bauvorschriften gegen „Notstand am Wohnungsmarkt“
In Anbetracht der Wohnungsnot und steigender Baukosten verlangt die IG BAU eine Herabsetzung der Baustandards im sozialen Wohnungsbau, um bezahlbaren Wohnraum zu sichern.
Frankfurt – „Wir müssen den sozialen Wohnungsbau bezahlbarer aufstellen, auch was Lärm- und Klimaschutz angeht“, sagte der Vorsitzende der Industriegewerkschaft Bauen-Agrar-Umwelt (IG BAU), Robert Feiger, der Augsburger Allgemeinen. „Dicke Wand- und Deckenstärken oder dreifach verglaste Fenster kosten viel Geld“.
Feiger bezeichnet den „Notstand am Wohnungsmarkt“ als dramatisch und betont, dass sich die Situation stetig verschlechtere. Gemeinsam mit anderen Organisationen will die IG BAU in einem „Bündnis für Soziales Wohnen“ einen Forderungskatalog zur Bekämpfung der Wohnungsnot vorstellen. Dabei kritisiert Feiger, dass das Thema bezahlbarer Wohnraum im aktuellen Wahlkampf kaum Beachtung findet. „Die Wohnungsnot hat sich zu einer echten sozialen Krise entwickelt“, warnt er. Die Parteien würden der Tragweite des Problems nicht gerecht und setzten keine messbaren Ziele.
Wohnungsbau könnte Wirtschaft ankurbeln
Neben der sozialen Dimension sieht Feiger auch wirtschaftliche Auswirkungen. „Jeder siebte Arbeitsplatz in Deutschland steht mit dem Wohnungsbau in Verbindung: vom Baustoff über die Elektrik bis zur neuen Einbauküche.“
Mehr Investitionen in den Wohnungsbau könnten somit nicht nur die Wohnungsnot lindern, sondern auch die Wirtschaft ankurbeln. Die Bauwirtschaft sichere zahlreiche Arbeitsplätze in verschiedenen Branchen. Die künftige Regierung müsse das Ziel von 100.000 neuen Sozialwohnungen pro Jahr konsequent umsetzen.
Strenge Bauvorschriften als Kostentreiber
Ein Hauptproblem sieht Feiger in den stetig steigenden Baukosten, die unter anderem durch immer strengere Bauvorschriften verursacht werden. In Großstädten wie München können die Baukosten pro Quadratmeter bis zu 7000 Euro betragen. Um das zu senken, fordert Feiger eine Anpassung der Baustandards: „Der Gebäudetyp „E wie Einfach“ muss breit und konsequent umgesetzt werden. Nicht immer muss der höchste technische Standard an Dämmung, Energieeffizienz oder Ausstattung eingehalten werden.“
Besonders hohe Anforderungen an Lärm- und Klimaschutz sowie verpflichtende Tiefgaragenplätze treiben die Baukosten unnötig in die Höhe. Eine Reduzierung auf ein sinnvolles Minimum könnte laut Feiger die Kosten von derzeit rund 4000 auf etwa 2900 Euro pro Quadratmeter senken. „Das ist kein Billigbau, sondern sicherer und klimaschützender Wohnraum“, stellt er klar.
Zu hohe Mietpreise: 35 Prozent des Nettoeinkommens für Wohnen
Die Krise betrifft inzwischen nicht mehr nur einkommensschwache Haushalte. Selbst Facharbeiter mit soliden Gehältern müssen mittlerweile bis zu 35 Prozent ihres Nettoeinkommens für Wohnkosten aufbringen. Feiger betont die Wechselwirkung zwischen sozialem und frei finanziertem Wohnungsbau: „Wenn wir mehr Sozialwohnungen bauen, stabilisieren sich auch die Mietpreise auf dem gesamten Markt.“
Er sieht in einer Bauoffensive nicht nur eine Lösung für die Wohnungsnot, sondern auch einen Weg aus der wirtschaftlichen Stagnation. „Der massive Einbruch im Wohnungsbau war sicher mit ein Grund für die schwache Wirtschaftsentwicklung in Deutschland. Mehr Wohnungsbau könnte die Konjunktur wiederbeleben“, sagt er im Gespräch mit der Augsburger Allgemeine.
Diese Parteien wollen bezahlbare Wohnprojekte unterstützen
Ein Blick in die Wahlprogramme einiger Parteien zeigt, dass der Schwerpunkt weniger auf dem Bau von Sozialwohnungen als auf der Förderung von Eigentum liegt. Die SPD hingegen plant, weiterhin viel Geld in den sozialen Wohnungsbau zu investieren. Auch Studierende und Auszubildende sollen von bezahlbarem Wohnraum profitieren. Zudem soll die Mietpreisbremse dauerhaft bestehen bleiben. „Die Mietpreisbremse soll unbefristet gelten und auch für Immobilien angewendet werden, die bis 2019 bezogen wurden, um langfristig stabile und bezahlbare Mieten in angespannten Wohnungsmärkten zu sichern“, heißt es im Wahlprogramm der Sozialdemokraten.
Auch die Grünen befürworten eine Verlängerung und Ausweitung der Mietpreisbremse, wie RBB24 berichtet. Ihr Konzept umfasst außerdem Maßnahmen wie das Aufstocken bestehender Gebäude, die Umwandlung ungenutzter Büroflächen in Wohnraum, den Ausbau von Dachböden und die Reaktivierung leerstehender Immobilien – ein Potenzial für mehrere Millionen zusätzliche Wohnungen. Die Linke setzt sich ebenfalls für Mietregulierungen sowie den Bau von bezahlbarem Wohnraum ein und fordert darüber hinaus einen bundesweiten Mietendeckel.
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